Briefkopfaffäre um Heike Raab - Das wird man ja wohl noch mit diesem Briefkopf sagen dürfen

Wegen eines Beschwerdebriefs über einen SWR-Korrespondenten steht die rheinland-pfälzische Medienstaatssekretärin Heike Raab in der Kritik. Ob Drohbrief oder nicht: Erneut wird offenbar, dass der Einfluss der Politik auf die Öffentlich-Rechtlichen zu groß ist.

Heike Raab während einer Podiumsdiskussion / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

So erreichen Sie Ben Krischke:

Anzeige

Vor wenigen Wochen hat sich die Koordinatorin der Rundfunkkommission der Länder, Heike Raab, für einen transparenten Kriterienkatalog zur Zusammensetzung von Intendantengehältern im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausgesprochen. „Ich möchte nicht über eine Obergrenze reden, sondern darüber, dass wir Kriterien entwickeln, anhand derer wir einen Blick dafür bekommen können, wie die Gehälter zusammengesetzt sind“, sagte die SPD-Politikerin und rheinland-pfälzische Medienstaatssekretärin damals der Deutschen Presse-Agentur. 

Was mich betrifft, so würde ich gerne auch über eine Obergrenze der Intendanten-Gehälter diskutieren. Aber das Leben ist bekanntlich kein Wünsch-dir-was, weshalb so ein Kriterienkatalog für den Anfang ja schon reichen würde. Und wenn wir schon dabei sind, an diesem Kriterienkatalog zu basteln, kommt es auf einen weiteren vielleicht nicht an. Mein Vorschlag: Ein Kriterienkatalog darüber, wie sich deutsche Politiker gegenüber der freien Presse zu verhalten haben; auf Basis des Grundgesetzes. Einen solchen könnte man dann auch Raab zukommen lassen. Für die Zukunft. Am besten per Einschreiben. Nur, um sicherzugehen, dass sie diesen auch bekommt. 

Ärger an den Hacken

Die Medienstaatssekretärin Raab, eine der einflussreichsten Medienpolitikerinnen des Landes, hat derzeit nämlich einigen Ärger an den Hacken. Der Grund: Raab hat vor einiger Zeit der Direktorin des SWR-Landessenders in Mainz, Ulla Fiebig, einen Brief geschrieben. Einen Zuschauerbrief, um genau zu sein. Darin kritisierte sie die Berichterstattung eines SWR-Korrespondenten zur Flutkatastrophe im Ahrtal. 

Dieser hatte den früheren Innenminister Roger Lewentz damals scharf kritisiert und sein Unverständnis darüber ausgedrückt, „dass ein Landesminister, der die politische Verantwortung für die vielen Toten dieser schrecklichen Ahr-Katastrophe übernehmen muss, weiterhin Landesvorsitzender seiner Partei bleibt“. Und weil es mittlerweile offenbar Teil des Politikerdaseins ist, sehr dünnhäutig auf Kritik von Journalisten zu reagieren, hat sich Raab nicht lumpen lassen und genannten Brief an Fiebig geschickt. Zuerst berichtete die FAZ darüber

 

Mehr Medienthemen von Ben Krischke:

 

Inhalt des Schreibens: Der Journalist, so der Vorwurf Raabs, stelle Falschbehauptungen auf, konstruiere Zusammenhänge, wo keine seien. Sie, also Raab, erwarte daher „mit großem Interesse“ eine Antwort und werde dann entscheiden, „ob wir auch noch im Programmausschuss sprechen sollten“. In Kopie ging das Schreiben auch an Lewentz; verfasst mit Raabs Briefkopf als Regierungsmitglied. Und spätestens hier wird die Sache heikel. 

Denn Raabs Brief wird nun, insbesondere auch aufgrund des von ihr verwendeten offiziellen Briefkopfes, als direkte Einmischung der Landesregierung auf die freie Berichterstattung des SWR gewertet. Von einem „Drohbrief“ ist gar die Rede. Eine Drohung von innen heraus, wenn man so will. Denn Raab ist auch stellvertretende Verwaltungsratsvorsitzende des SWR und stellvertretende Vorsitzende des SWR-Finanzausschusses. Zudem gehört sie dem SWR-Landesrundfunkrat Rheinland-Pfalz und dem Landesprogrammausschuss an. Die CDU fordert nun Raabs Rücktritt. 

Sie kennen mich

Raab selbst hat sich am Donnerstag zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen geäußert. In einer eigens einberufenen Sitzung des Ausschusses für Digitalisierung, digitale Infrastruktur und Medien des rheinland-pfälzischen Landtags ließ sie wissen: 

„Unabhängigkeit der Medien ist für mich ein hohes Gut. Das Verbot politischer und wirtschaftlicher Einflussnahme auf Medieninhalte ist für mich eine Grundvoraussetzung und ein Wert in der Demokratie.“ 

Und auch: 

„Wer mich kennt, hat erlebt, dass dies nicht nur eine Floskel ist. Wie Sie wissen, habe ich mich auf der Bundesebene und auch auf europäischer Ebene persönlich immer dafür eingesetzt. (...) Ich habe die Unabhängigkeit immer wieder verteidigt, vor allem auch, wenn es um seine angemessene Finanzierung (des ÖRR) und den verantwortungsvollen Umgang mit den Beiträgen geht.“

Mal abgesehen davon, dass mich dieses Statement an Angela Merkels „Sie kennen mich“ erinnert: Man muss Raab in der Sache keinen bösen Willen unterstellen, keine direkte Drohung gegen Journalisten. Und womöglich war die Benutzung des Briefkopfes tatsächlich nur ein unbedachter Vorgang, ein Kollateralschaden einer wie auch immer gearteten politischen Aufgewühltheit angesichts des Statements des genannten SWR-Korrespondenten. Das heißt aber nicht, dass die Sache mit einem Bekenntnis zur freien Presse nun erledigt ist. Denn der Fall offenbart einmal mehr: Die große Näher der Politik zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist ein gewaltiges Problem. 

Interessenkonflikte sind programmiert

Der Einfluss der Politik auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist immer wieder Gegenstand von Debatten über Sinn und Unsinn des dualen Rundfunksystems, über Richtigkeit und Unrichtigkeit des (Zwangs-)Gebührenprinzips. Dafür kann Raab als Person nichts. Aber dennoch ist die SPD-Politikerin als Medienstaatsekretärin eben relevanter Teil dieses Systems, und hat mit ihrem Brief gezeigt, dass bei erwähnter Nähe zwischen Politik und Landesrundfunkanstalten Interessenkonflikte programmiert sind. 

Selbst wenn man nun also, folgt man ihren eigenen Worten, anerkennen möchte, dass sich Raab in der Vergangenheit überzeugend für die Pressefreiheit eingesetzt hat, stellt sich dennoch die Frage, wo man eigentlich die Grenzen zieht? Wir kennen das aus der Politik zu Genüge, Corona sei hier als besonders eindrückliches Beispiel genannt: Kleine Grenzüberschreitungen, die lapidar als „war nicht gut, kann aber mal passieren“ abgetan werden, machen den Weg zwangsläufig frei für größere Grenzüberschreitungen und so weiter. Ein Missstand entsteht eben selten über Nacht, sondern ist in Regel das Ergebnis eines Prozesses, der sich in kleinen Schritten vollzieht. 

Eine andere Diskussion

Anders formuliert: Selbst wenn Raabs Brief nur ein winziger, meinetwegen nahezu unbedeutender Versuch einer Einmischung war, war er dennoch der Versuch einer Einmischung. Das liegt auf der Hand und lässt sich daher nicht weg-interpretieren; auch nicht mit dem Verweis auf vergangene Verdienste. Der Vorgang muss also Konsequenzen haben. Ob Raab deshalb, wie es die CDU fordert, gleich zurücktreten sollte, ist eine andere Diskussion. Stichwort: Verhältnismäßigkeit. Auch so ein Begriff, der rund um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk immer wieder zu Recht diskutiert wird. 

Anzeige