ARD-Doku-Serie „Wir können auch anders“ - Schöne grüne Welt

Mit der Doku-Serie „Wir können auch anders“ zeichnet die ARD ein Wohlfühlbild der Energiewende, das direkt aus einem grünen Ministerium kommen könnte. Dabei wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, die Ampel-Version einer CO2-neutralen Bundesrepublik kritisch zu hinterfragen.

Trailer der ARD-Doku-Serie „Wir können auch anders“ / Screenshot
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Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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„Wenn es ums Klima geht, scheint vieles oft schwierig und kompliziert – aber ist wirklich alles so hoffnungslos?“, teasert die ARD in ihrer Mediathek eine kleine Doku-Serie mit dem Titel „Wir können auch anders“ an, die den Menschen im Land zeigen soll, wie schön es wäre, wenn die grüne Utopie von der CO2-neutralen Bundesrepublik endlich wahrwerden würde.

Dies vorweg: Ich habe nicht grundsätzlich etwas gegen Utopien, sind sie teilweise doch mindestens spannende Visionen von einer vermeintlichen oder tatsächlich besseren Zukunft. Gleichwohl gilt im Zweifelsfall der alte Satz von Helmut Schmidt respektive jener, der ihm gerne in den Mund gelegt wird: „Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen.“

Soweit ich jedenfalls informiert bin, findet sich im Medienstaatsvertrag – in dem geregelt ist, welche Rolle dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Gegenleistung für die rund 8,5 Milliarden Euro im Jahr zukommt – nach wie vor ein Informationsauftrag, kein Utopie-Auftrag. Das bedeutet freilich nicht, über neue Konzepte und Ideen nicht zu berichten oder über Orte, wo eine große Utopie im kleinen vielleicht schon sichtbar wird. Aber es bedeutet sehr wohl, dies mit einer kritischen Betrachtung zu verbinden.  

Fachwissen sticht Bekanntheitsgrad

Was bei der Doku-Serie „Wir können auch anders“ also auffällt, ist der offensichtliche Wunsch der Macher, deutsche Heldenreisen zu einer schönen neuen Welt zu liefern und für Akzeptanz bei der Energiewende zu trommeln, was in grünen Ministerien auf viel Wohlwollen stoßen dürfte. Dafür hat man auch die passende Truppe rekrutiert: Anke Engelke, Bjarne Mädel, Annette Frier, Axel Prahl, Sebastian Vettel, Pheline Roggan und Aurel Mertz, die als Typen gut passen ins Konzept, und die einzelnen Episoden in unterschiedlichen Besetzungen präsentieren. 

Diese Hosts, wie es neudeutsch heißt, begeben sich – aufgeschreckt von der drohenden Klimaapokalypse – nun also auf eine Reise, genauer „auf die Suche nach guten Nachrichten“, um zu untermauern, dass alles gar nicht so „schwierig und kompliziert“ ist mit dem Klimaschutz, wie Kritiker der Energiewende – die ja nicht die Wende an sich, sondern ihre Ausgestaltung kritisieren – ständig tun. Dass keiner der Hosts Journalist ist, kommt wohl nicht von ungefähr, weil erstens der Bekanntheitsgrad im ARD-Universum zählt bei dieser höheren Mission und weil man sich zweitens bei Kritik am Werk immer auf die Position zurückziehen kann, diese Doku-Serie sei im eigentlichen Sinne ja kein journalistisches Projekt gewesen.  

Der Erscheinungszeitpunkt ist, vorsichtig formuliert, dennoch irritierend. Die Ampelregierung, die die Energiewende und damit ihre sozial-ökologische Transformation mit der Brechstange durchdrücken will, ist etwas über ein Jahr im Amt. Und Kritik an dieser Art der „Zeitenwende“ ist im März 2023 so laut wie lange nicht mehr, weil die Bürger bereits zu spüren bekommen, was das für ihr Leben und ihren Alltag konkret bedeutet, wenn sich eine Regierungskoalition mit den Grünen anschickt, die Welt zu retten. 

Wenn Wirtschaftsminister Habeck holterdiepolter Öl- und Gasheizungen verbieten will, was primär die kleinen Häuslebesitzer treffen würde, oder man den Verbrenner unbedingt loswerden möchte ab dem Jahr 2035. Und letzteres Ziel von vielem zeugt, außer von Technologieoffenheit, wundert der Gegenwind nicht. Die Folge dieser Brechstangenpolitik: Der Rückhalt der Ampel in der Bevölkerung sinkt, zeigen Umfragen. Da kommt so eine grüne Utopie/Informationsauftrag-Mischung gerade recht; so ein bisschen merkelscher „Wir schaffen das“-Vibe im öko-romantischen Gewand, getragen von netten Gesichtern. 

Verkehrschaos, Dürren und mehr

Die erste Episode beginnt mit Bildern von Verkehrschaos, Dürren und mehr. Und der Feststellung von Schauspieler Mädel, dass die Dinge ja nicht so bleiben müssten, wie sie sind. Exakt zwei Minuten und 32 Sekunden später steht bereits der erste Grünen-Politiker – Hamburgs Verkehrssenator Anjes Tjarks – vor der Kamera, darf seine Idee von der „Fahrradstadt Hamburg“ loben und davon sprechen, dass man die Klimaziele ohne Elektromobilität nicht erreichen werde.
  

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Kritische Nachfragen bleiben selbstredend aus. Etwa, wo eigentlich das ganze Lithium für die Batterien herkommen soll, was das für jene Länder und deren Natur bedeutet, wo es abgebaut wird, und ob Elektromobilität wirklich eine so gute CO2-Bilanz hat, wenn man diese nicht nur am Auspuff bemisst. Ist aber auch egal, denn in einem Einspieler zuvor hat Schauspielerin Engelke ja schon den gesamten Benzinverbrauch Deutschlands jährlich auf Schwimmbäder umgerechnet. Und damit ist der rote Faden der weiteren Episoden von „Wir können auch anders“ bereits gespannt: schöne grüne Welt. 

Mehr kritische Distanz zum Thema

Verstehen Sie mich nicht falsch: Es ist gut und richtig, dass wir uns Gedanken machen über die Zukunft. Und ich habe auch nicht prinzipiell ein Problem damit, wenn die ARD eine Doku-Serie ausstrahlt, in der Schauspieler einzelne Facetten einer klimaschonenderen Welt vorstellen. Das kann man gut beim Abendbrot glotzen.

Aber da die Utopie, die in „Wir können auch anders“ zelebriert wird, politisch bereits in vollem Gange ist, mit all ihren negativen gesellschaftlichen wie wirtschaftlichen Auswirkungen, stünde es der ARD besser zu Gesicht, sich dem Thema im Jahr 2023 mit der nötigen kritischen Distanz anzunehmen; zu hinterfragen, ob das Utopie-Projekt namens CO2-neutrales Deutschland in seiner aktuellen Ausgestaltung eine gute Idee ist.

Stattdessen wird in „Wir können auch anders“ konsequent der Eindruck vermittelt, wir müssten uns alle einfach nur mehr anstrengen, dann wird das schon werden mit der Energiewende. Der Vorwurf, die ARD geriere sich damit mal wieder als Sprachrohr grüner Politik, liegt auf der Hand. Man macht es seinen Kritikern einfach zu leicht.  

Hinweis des Autors: Hier übrigens ein gelungenes Beispiel des NDR-Reporterkollektivs STRG_F, wie man sich dem Thema Elektromobilität mit all seinen positiven wie negativen Facetten bei der ARD auch annähren kann, wenn man nur will. 

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