Portrait - Adel und Untergang

Der sizilianische Fürst Giuseppe Tomasi di Lampedusa und sein verspätetes Meisterwerk «Der Leopard», jetzt neu übersetzt als «Der Gattopardo»

Gesichter wie das seine findet man auf den Ahnenbildern alter Paläste: Es ist weichlich-pausbäckig, fast gedunsen, die Augen quellen hervor, ihr Ausdruck ist ungerührt oder fragend, der Teint wirkt winterlich-bleich, wenn er nicht ein ungesundes Oliv zeigt. So sehen die dritten oder fünften Söhne großer Familien aus, denen es bestimmt ist, nichts zu leisten und zu bewegen, sondern nur da zu sein, in einer genealogischen Wartestellung, deren Erfüllung meist nicht kommt.
 
Giuseppe Tomasi, Herzog von Palma, Fürst von Lampedusa, entstammte einem der ältesten Geschlechter der Insel Sizilien, das seine Ahnen bis auf die Zeit des römischen Kaisers Tiberius – also die Epoche von Jesus Christus – zurückführte. Die Galerie im drei Innenhöfe umspannenden Palast in Palermo zeigte Vorfahren, die bei den Kreuzzügen im Heiligen Land mitfochten: Verteidigung von Antiochia! Ein barocker Ahne hatte sich, religiös erhitzt, mit einer Geißel selbst bis aufs Blut gemartert und wurde heilig gesprochen. Noch kurz vor seinem Tod, in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts, besuchte Giuseppe Tomasi einen ihm bis dahin unbekannten sizilianischen Dom, dessen Schutzherr er durch uralte Erbschaft war; feierlich empfing ihn der Klerus.
 
Die Güter der Familie waren über die ganze Insel verstreut gewesen, und erst Giuseppe verkaufte die letzten Stücke Land, um ein altes Haus in einem schmutzigen Viertel Palermos zu erwerben, das seiner Familie schon einmal gehört hatte – denn der Palast, in dem er 1896 geboren worden war und bis nahe an sein fünfzigstes Lebensjahr ununterbrochen gelebt hatte, war 1943 einer amerikanischen Bombe zum Opfer gefallen. Doch der Fürst Lampedusa wollte auch danach nur in altem Familienbesitz leben.
 
Fest entschlossen zur Untüchtigkeit Der Adel war seit dem 19. Jahrhundert überall in Europa zum Untergang bestimmt, bestenfalls zur Bewahrung des überkommenen Besitzes durch bürgerlich-unternehmerische Modernisierung. Doch dieser Erneuerung verweigerte sich gerade die sizilianische Aristokratie aufs Hartnäckigste. Ihre Untüchtigkeit war schon im 18. Jahrhundert in ganz Europa berüchtigt, und am Ende wirkt diese wie ein Entschluss: wie die feste Absicht, nicht mehr weiterleben zu wollen.
 
In der noch um 1900 vielköpfigen Familie der Lampedusa hatte nur ein einziger Mann einen Beruf mit regelmäßigen Einkünften ergriffen: ein Onkel Giuseppe Tomasis, der Diplomat geworden war und für ein paar Monate als italienischer Außenminister amtierte. Die Vorstellung, für sein Leben arbeiten zu müssen, lag diesen Geschlechtern vollständig fern. Keiner dieser Signori vermochte die Abrechnungen zu lesen, die ihnen von betrügerischen Verwaltern vorgelegt wurden. Man lebte von Landgütern, doch diese lagen bei den Lampedusas brach, weil Giuseppes abergläubischer Urgroßvater sich bis zuletzt geweigert hatte, sein Testament zu machen. 
 
Die Folge davon war ein fast sechzig Jahre währender Erbstreit unter neun Kindern (und deren Erben), während dessen die umkämpften Güter unter Zwangsverwaltung kamen und gleichsam in der Sonne verdampften. Der nie unternehmerisch geführte Besitz verdunstete so nach dem Ende der feudalen Herrschaft wie jene wohlriechenden Düfte, die dem Garten von Donnafugata in Lampedusas Roman «Il Gattopardo» entsteigen. 1940, drei Jahre vor der zerstörerischen Bombe aus Pittsburgh, wurde der Rechtsstreit beendet, und jeder bekam ein paar tausend Lire.
Die Alpträume eines feudalen Nesthockers Es muss fast für eine Revolution gelten, dass dem jungen Prinzen Giuseppe nahe gelegt wurde, den Spuren seines Onkels zu folgen, etwas zu lernen und Diplomat zu werden – vorbereitet durch das profane Studium der Rechtswissenschaft. Der Prinz schrieb sich ein, in Rom, in Genua, er soll Prüfungen abgelegt haben, aber lustlos; lieber hätte er Literatur studiert. Sein diplomatischer Onkel nahm ihn während der zwanziger Jahre in London mit in exklusive Clubs und an den Hof; Giuseppe langweilte sich dort und hinterließ einen unbedeutenden, linkischen Eindruck. Er war im Krieg gewesen, in österreichische Gefangenschaft geraten, wo die Fürstenkrone an seiner Wäsche ihm bevorzugte Behandlung verschafft hatte; seit dem Krieg plagten den Verwöhnten lebenslang Alpträume: Er müsse sich in einem Büro melden zur Exekution. In den meisten dieser Träume versuchte er nicht einmal zu fliehen.
 
Die aristokratische Antriebslosigkeit in Giuseppe Tomasis weichlicher Existenz hatte offenbar einen psychologischen, übers Adelssyndrom hinausgehenden Hintergrund. Das ist die lebenslange, nie beendete symbiotische Beziehung zu seiner Mutter. Mit ihr lebte er, selbst als er längst verheiratet war, bis zu seinem fünfzigsten Lebensjahr unter einem Dach – nur unterbrochen von allerdings weiten Reisen. Überhaupt heiratete er spät, als Vierzigjähriger, eine herrische baltische Baronin mit unverwechselbarem deutschen Akzent, die sich der Psychoanalyse verschrieben und sich in erster Ehe als Schutzmantel-Madonna für einen homosexuellen russischen Adeligen zur Verfügung gestellt hatte. Lampedusas Ehe war über Jahre eine liebevolle Brieffreundschaft, im Alter, als man endlich zusammenzog, eine Wohngemeinschaft mit getrennten Stundenplänen. Sie blieb kinderlos, man munkelte, aus kriegsbedingter Impotenz des Fürsten, vielleicht aber auch, weil die stolze Baltin das Mutterglück verschmähte.
 
Muttersöhnchen aber blieb der bleiche, bald alterslos wirkende Fürst. Seine Mama liebte ihn besitzerisch. Jahrelang gab sie ihm Mädchennamen («mein geliebtes Pony»), in Erinnerung an eine früh verstorbene erste Tochter, und verhinderte, dass ihr Sohn ein eigenes Leben begründete. Und dieser fügte sich darein. Er tat nichts als zu lesen. Lampedusa hat außer kurzen Unterbrechungen in den beiden Weltkriegen – als Soldat im Ersten, als Rotkreuz-Funktionär am Ende des Zweiten – keine andere Beschäftigung ausgeübt. 1926/27 hatte er drei Aufsätze geschrieben, sogar Erfolg damit gehabt; aber irgendeinen Ehrgeiz hatte das nicht entbunden.
 
Ein Debüt, vier Jahre vor dem Tod Er existierte also über fünfzig Jahre als unersättlicher Verzehrer von Literatur – aller großen Sprachen und Zeiten. Englisch beherrschte er bald perfekt. Mit seiner Frau sprach und korrespondierte er auf Französisch und Deutsch; Russisch brachte sie ihm noch im Alter bei; Spanisch vermochte er zu lesen. Er hatte alle gelesen, die Großen, die Kleinen, die Vielschreiber, die Vergessenen – man müsse alles kennen, um eine Literatur beurteilen zu können, meinte er: zur Not auch zwanzig langweilige Romane Walter Scotts. So lebte er dahin, als schon alter Mann die Tage verbummelnd, zu Fuß unterwegs in der Menge Palermos mit einer von Büchern und Süßigkeiten voll gestopften Tasche, von Café zu Café wandernd, mit wenigen Freunden plaudernd, meist nur zuhörend, immer eine Zigarette im Mund, aus dem gelegentlich ein hochmütiges Bonmot fiel.
Warum hat er überhaupt angefangen zu schreiben? Das ist das eigentliche Rätsel, das dieses Leben stellt. Lampedusa begann seine literarische Karriere vier Jahre vor seinem Tod. Er sammelte ein paar jüngere Zuhörer um sich – darunter den Cousin Gioacchino Lanza Tomasi, den er später adoptierte, um seinen hohen Namen vor dem Untergang zu retten – und hielt zur Vertreibung der eigenen Langeweile Literaturkurse ab. Diese bereitete er auf Tausenden von Manuskriptseiten vor, von denen nur Bruchteile publiziert wurden – Essays zu Stendhal und vor allem zur englischen Literatur. Hier gab er die Eindrücke wieder, die er ein Leben lang gesammelt hatte, lebhaft und witzig, ganz unwissenschaftlich, mit der verfeinerten Kennerschaft des Liebhabers. Seine Götter sind Shakespeare und Stendhal – Dichter des Historischen, denn dieses war seine zweite Leseleidenschaft. Lampedusa hat unentwegt Geschichte  studiert, und noch in späteren Jahren die modernen französischen Historiker wahrgenommen. Dass ein Ausdruck wie das «kollektive Gedächtnis» durch seinen Roman geistert, legt Zeugnis ab von dieser intellektuellen Wachheit.
 
1953 begleitete Lampedusa einen Vetter, der durch manierierte Gedichte aufgefallen war, zu einem Literaturwettbewerb nach Norditalien. Das adelige Duo, welches nie ohne Diener auftrat, erregte verwunderte Aufmerksamkeit bei den linksliberalen Literaten. Der Erfolg seines Verwandten scheint Giuseppe Tomasis Ehrgeiz angestachelt zu haben: Das konnte er schon lange! Der Träge setzte sich hin und schrieb innerhalb weniger Monate sein großes Buch, diese Essenz einer nichtsnutzigen, absterbenden Existenz. Und was über Jahrzehnte so stagnierend gedümpelt hatte, gewann gewaltig an Fahrt: Als habe er verspürt, dass eine innere Uhr zu Ende gehe, wollte der alte junge Autor nun, dass alles ganz schnell gehe. Noch während er schrieb, ließ er den entstehenden Roman den Verlagen Mondadori und Einaudi anbieten, und es begann jene dramatische Publikationsgeschiche, die erst zwei Jahre nach Lampedusas Tod zu einem glücklichen Ausgang fand.
 
Denn gleichzeitig mit der Entstehung des «Gattopardo» und seiner kleineren erzählerischen Ausläufer wuchs in Lampedusa ein Lungenkrebs, der sich als nicht behandelbar herausstellte. Elio Vittorinis berüchtigter Absagebrief für das Haus Einaudi erreichte den Todkranken fünf Tage vor seinem Ende. «Als Rezension gut», kommentierte er das Schreiben ungerührt, «aber keine Veröffentlichung.» Dabei war er sich seiner Sache sicher: Sein Testament gebot die Publikation, «aber nicht auf eigene Kosten» – als habe er etwas geahnt von dem immensen Reichtum, den dieser erste große Bestseller-Erfolg der italienischen Literatur einst erzeugen würde. 
 
Fortdauer ist die erste Adelspflicht «Der Gattopardo» – so der dem Original angeglichene Titel der Neuübersetzung – liest sich wie ein kleinerer Bruder von «Sprich, Erinnerung» Vladimir Nabokovs (eines Autors, den Lampedusa nicht zur Kenntnis genommen zu haben scheint): ein Reigen aristokratischer Memorabilien, festgehalten nach dem Untergang. Beide kreisen um Revolutionen, Nabokov um 1917, Lampedusa um die Invasion Garibaldis auf Sizilien von 1860, in deren Tagen sein Roman einsetzt und die der dort geschilderten Lebensform den Garaus machen sollte. In beiden Fällen sind es starke Väter, welche die Szene beherrschen, große Herren; aber das Glück, mit dem die Erinnerungen übergoldet sind, wirkt mütterlich. Es ist jene Vergangenheit, die nie vergehen kann, wenn man sich von der Liebe der Gebärerin nicht zu lösen vermochte.
Vor dem Hintergrund von Lampedusas vertändelter, verschwendeter Existenz wirkt «Der Gattopardo» wie die Einlösung der einzigen Verpflichtung, die einem Adeligen auf dieser Erde auferlegt ist: für Fortdauer zu sorgen, fürs Weiterbestehen des eigenen Geschlechts, Vererbung des Besitzes, Bewahrung der auf diesen Überlieferungen gegründeten Ordnung. All das gießt dieser Roman in die Schönheit der Form um, zu einem kristallinen Gebilde, welches der Zeit widerstehen kann. Der Fürst Salina ist jener astronomisch interessierte Urgroßvater Giuseppes, der sich scheute, rechtzeitig sein Testament zu machen; doch vor allem zeigt er das bessere Selbst des Autors als jenes Patriarchen und lebensvollen Liebhabers, der er selbst nicht war. 
 
Der Fürst im Roman ist freier und mutiger als Lampedusa, doch teilt er dessen moralische und politische Affekte. Dass es zu Ende geht mit seiner Welt, zeigt der Roman nicht nur durch die äußere politische Handlung, das Eintreffen Garibaldis auf der Insel, die Heirat des Fürsten Tankred (der Tomasis Adoptivsohn zum Verwechseln gleicht) mit der Tochter eines liberalen Aufsteigers; sondern mehr noch durch die berückende Poesie der Dinge und Räume – den Rausch der Tapeten, Möbel und Garderoben, die herbe Schönheit der einsamen sizilianischen Landschaften, den Duft der Gärten.
 
Lampedusa, so hat er selbst bezeugt, lebte lieber mit Dingen und Räumen als mit Menschen. Die schmerzliche Schönheit der Dinge und Räume im Roman liegt in ihrem bevorstehenden Verlassenwerden, ihrer drohenden Vernichtung. Als Lampedusa schrieb, war das, was er schilderte, zu größten Teilen untergegangen. Wenn man sich klarmacht, mit wie wenigen Szenen und Versatzstücken er die verlorene Welt beschwört, dann wird deutlich, welch ein Schiffbruch der Erinnerungen vor diesem Buch liegt. Es sind Reliquien eines besseren Lebens, die der Text sammelt: schönere Gegenstände, reichere Kleidung, exquisitere Speisen, ein zugleich freieres und geschichtsbewussteres Denken. 
 
Reifes Meisterwerk mit Anfänger-Schwächen Das zweite Kapitel besteht ganz aus Duft, aus olfaktorischen Erfahrungen; das dritte ist voller politischer Metaphern; alle lesen den Stand der gesellschaftlichen Dinge an Garderoben und Gesten ab. So lassen sich die abwechslungsreichsten Strategien von Metapher und Metonymie beobachten. Die Essenz, in der dieser Kosmos im Gefäß der Sprache bewahrt wird, aber heißt Humor, das Spiel mit den Schwächen und Eitelkeiten der Menschen, mit ihren Illusionen, ihrer Wehmut. Nur das Sterben des Fürsten ist nichts als ergreifend. Was danach kommt, die vertrocknete Witwenwelt der überlebenden Damen – Lampedusas Tanten –, die große Reliquien-Vernichtung in der Hauskapelle, liest sich wie eine grausame Entrümpelung. Das mottenzerfressene Fell eines geliebten Hundes fliegt staubend aus dem Fenster. Im Sturz wird es zum Wappentier, denn es streckt noch einmal ritterlich die Tatze aus. Kann man Adel und Untergang in ein vielsagenderes Bild bringen?
 
«Der Gattopardo» zeigt im Vergleich zu der polierten Vollendung von Nabokovs brüderlichem Werk die typischen Schwächen eines Anfängers, die wohl der Fürst als Letzter geleugnet hätte. Es ist zuviel Programmatisches, Politisch-Explizites auf diesen Seiten, zuviel Sizilien-Ideologie und vergängliche Essayistik. Vittorinis Einwände trafen diesen Punkt genau, und sie kommen überein mit Lampedusas eigener, an Stendhal geschulter Ästhetik, die das Explizite im Grundsatz verabscheute. Doch die Zeit, diese Schlacken zu entfernen, war dem spät erwachten Autor nicht mehr gegeben. Am Ende aber nützen sie dem Text, denn sie geben ihm eine Offenherzigkeit, die reine Kunst nicht hat.
Die verwickelte Publikationsgeschichte – erst Giorgio Bassani, der das Manuskript durch Elena Croce, die Tochter des Philosophen, zugespielt bekam, erkannte den wirklichen Rang des Textes – hat Zweifel an der ersten Ausgabe aufkommen lassen. Dabei hat Bassani keine Mühe gescheut, alle Typoskripte und das umfassende letzte Manuskript kollationiert und, wie sich erwies, eine verständig lektorierte Fassung hergestellt. Vor zwei Jahren erschien bei Feltrinelli eine um kleinere Fragmente ergänzte Neuausgabe, die Lampedusas Adoptivsohn betreut hat, und ihr folgt jetzt die Neuübersetzung des Piper-Verlages. Wir lesen etwa zehn neue Seiten, von denen wir gleich verstehen, warum sie in der endgültigen Fassung nichts zu suchen hatten – die längste Passage ist ein nur auf Italienisch witziger «Canzoniere» (diesen petrarkistischen Begriff übersetzt die deutsche Ausgabe mit «Liederbuch»), angebliche Laienverse des Fürsten Fabrizio und seines Beichtvaters Pater Pirrone.
 
War für diese Quisquilien eine vollständige Neuübertragung nötig? Vielleicht, wenn man die Chance etwas besser genutzt hätte. Giò Waeckerlin Induni ist oft näher am italienischen Nominalstil als ihre Vorgängerin Charlotte Birnbaum. Aber wir erleben auch die bei solchen Renovierungen üblichen Verhässlichungen wie «Spaß haben» (für «divertirsi») oder «voll und ganz». Und warum heißen die Palermitaner «Palermer» und, noch schlimmer, die Piemontesen «Piemonter»?
 
«Piemontesen» sagten alle Deutschen um 1860, die Anteil am Risorgimento nahmen – und wenn man nicht zugeben wollte, dass es so etwas wie Italiener als Bürger einer Nation überhaupt gebe, erklärte man sie eben zu «Piemontesen»; der Begriff hat also geradezu terminologische Qualitäten und ist unbedingt beizubehalten.

Und warum macht die Übersetzung am Beginn des Dritten Teils aus der Sonne eine «unumschränkte Herrscherin», anstatt wie Birnbaum den «absoluten König» («re assoluto») stehen zu lassen, also jenen Sonnenkönig, den auch das deutschsprachige historische Gedächtnis bewahrt, zumal er kurz danach metaphorisch durch «carte costituzionali», also eine Verfassung, gezügelt wird? Giò Waeckerlin wollte den männlichen Sonnenkönig nicht zulassen, weil im Deutschen, anders als im Italienischen, die Sonne weiblich ist. Schön, korrekt: aber im Effekt doch so, als würde man wie der abscheuliche Liberale Sedàra im Roman Knöpfstiefel zum Frack tragen. So leider liest sich die ganze Übersetzung: schwarzer, korrekter Frack, aber schlecht sitzend, und durchaus ohne Lackschuhe.


Gustav Seibt ist Historiker und Publizist und lebt in Berlin. Zuletzt veröffentlichte er seine Studie «Rom oder Tod. Der Kampf um die italienische Hauptstadt» (2001)


Erwähnte Bücher Giuseppe Tomasi di Lampedusa Der Gattopardo. Roman Neuausgabe hg. von Gioacchino Lanza Tomasi. Aus dem Italienischen von Giò Waeckerlin Induni. Piper, München 2004. 367 S., 22,90 €
 
Giuseppe Tomasi di Lampedusa Der Leopard. Roman Aus dem Italienischen von Charlotte Birnbaum. Piper TB, München 2004. 338 S., 9,90 €
 
Andrea Vitello Giuseppe Tomasi di Lampedusa Sellerio Editore, Palermo 1987. 488 S., 20,66 €
 
David Gilmour The Last Leopard. A Life of Giuseppe Tomasi di Lampedusa Harvill Press, London 2003. 256 S., 23,29 €

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