Klimabewusstsein und Klischees - Über die Vielfliegerei einer konstruierten Generation Z(eitgeist)

Die Generation Z wird gerne als Generation der Klimabewussten dargestellt – im Gegensatz zu den Boomern. Eine Umfrage sprengt dieses Bild jedoch auf. Womöglich ist die ökoprogressive Generation Z doch nur eine klischeebelastete Erfindung.

Reisende am Flughafen am Berlin / picture alliance
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Autoreninfo

Alexandre Kintzinger studiert im Master Wissenschafts- philosophie an der WWU Münster und arbeitet nebenbei als freier Journalist. Er ist Stipendiat der Journalistischen Nachwuchsförderung (JONA) der Konrad-Adenauer-Stiftung. 

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Ein verbreitetes Vorurteil lautet: Boomer fliegen zu viel in den Urlaub, verpesten auch sonst ständig die Umwelt und schaden der Zukunft der jüngeren Generationen eigentlich nur; das Gegenteil dazu stellt die Generation Z dar. Dieses Narrativ wird in einigen Medien wohlwollend verbreitet. Die Generation Z ist angeblich so perfekt und in ihrem reflektierten Denken ihren Vorgängern, den Millennials, um einiges voraus. Die Millennials sind nämlich im Gegensatz zu den Gen Z viel zu hedonistisch, ironisch und vertreten einen Pseudoidealismus, heißt es da unterm Strich. 

Diesen Vorwurf erhebt auch ein Text mit dem Titel „Ich schäme mich, ein Millennial zu sein“, der vor mittlerweile zwei Jahren bei jetzt.de erschienen ist. Ich entdeckte ihn vor wenigen Tagen auf Instagram, wo er neu veröffentlicht wurde, weil er zu einem der meistgelesenen Texte zählte. Ich werde selbst zu der Kategorie der „Millennials“ gezählt, halte jedoch wenig von Labels und Schubladen dieser Art. Der Vorwurf in dem Beitrag trifft mich nicht wirklich, vielmehr erscheint mir die Motivation dieser Feststellung im Kern wohl eher der persönlichen Verbitterung der Autorin zu folgen. Es ist unnötig, auf den ganzen Text einzugehen, folgender Satz aus dem Artikel sagt schon einiges aus:

„Wenn ich mein gekränktes Millennial-Ego aber kurz wegpacke, staune ich, mit welchem Weitblick sich die Generation Z durch die komplexe, pluralistische Gesellschaft manövriert.“

Die Angehörigen der Generation Z haben also den Weitblick für die Probleme unserer Zeit, erkennen diese und verhalten sich dann moralisch einwandfrei? Gilt das also auch, wenn es um klimaschädliches Fliegen geht?

Die Generation Z fliegt deutlich häufiger als Boomer

Der Flughafenverband ADV hat eine repräsentative Umfrage durchgeführt mit knapp 100.000 Passagieren. Aus der Umfrage geht hervor, dass 2008 nur 21 Prozent der Fluggäste unter 30 Jahre alt waren. Jetzt sind es 29 Prozent. Die Zahlen verraten, dass in diesem Jahr rund 18 Millionen Millennials und Gen-Zs in Deutschland ins Flugzeug gestiegen sind. Die Boomer zwischen 51 und 65 Jahren, die gerne als Klimasünder dargestellt werden, stellten nur 19 Prozent der Fluggäste. Bei den über 65-Jährigen waren es nur acht Prozent. Der Befragung zufolge war also die Hälfte aller Passagiere unter 40 Jahren alt. Die Generation Z und die Millennials bilden daher die größte Altersgruppe an den Flughäfen derzeit.

Also was ist denn nun dran an dem Narrativ der klimabewussten Gen-Zs, wegen denen sich sogar Millennials ihrer selbst schämen Zum besseren Verständnis vielleicht eine kurze Einführung in die bunte Welt der Generationenlabels. Nach dem Pew Research Center, einem US-amerikanischen Meinungsforschungsinstitut, gehören die Millennials (auch als Generation Y bezeichnet) zu der Altersgruppe der 1981 bis 1996 Geborenen.

Darauf folgt die Generation Z, die je nach Definition bis zum Geburtsjahr 2012 reicht. Warum Gen Y im Jahr 1996 endet und die Gen Z beginnt, wirkt primär willkürlich. Was unterscheidet eine 1994 geborene Person grundlegend von einer 1998 geborenen? Daher gibt es angeblich auch noch die Zillennials, vermehrt als Begriff im angelsächsischen Raum verwendet, die vage als Altersgruppe der 1992 bis 1999 (oder 2000) Geborenen verortet werden. Ob diese Kategorien in der Tat wirklich etwas zu tun haben mit der alltäglichen Realität der Menschen, darf bezweifelt werden.

 

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Von den Scheinkämpfen, die hier zwischen den Generationen inszeniert werden, sollten wir uns nach den Worten von Professor Bobby Duffy, Direktor des Policy Institut am Londoner Kings College, entsprechend nicht fehlleiten lassen. In seiner 30-jährigen Laufbahn in der Politikforschung hat Duffy mehrere Bücher geschrieben, auch zum Thema Generationenmythen. Nach Duffy ist das Denken in Generationen durch endlose Stereotypen und Klischees geprägt.

In einem TED-Talk Anfang des Jahres verweist Duffy zum Beispiel auf Daten des US General Social Survey, die zeigen, dass einerseits die Besorgnis über die Gefahren von Treibhausgasen hoch ist bei der Generation Y und noch etwas höher bei der Generation Z. Der Unterschied ist jedoch verhältnismäßig klein. Es ist also nicht so, als wäre die Generation Z gänzlich aktivistischer und viel klimabewusster als ihre Vorgänger.

Das Ergründen und Deuten der Bedürfnisse der Generation Z ist vor unter Journalisten, aber allem auch unter Marketingexperten zu einer Königsdisziplin geworden. Wie ticken sie politisch? Was sind ihre Konsumtrends? Wie steht es um ihre Psyche? Wie ist ihr Verhältnis zu Sexualität? Wo ist ihr Platz im Kapitalismus, in der Spätmoderne? Und warum sind sie (angeblich) so völlig anders als alle anderen Generationen davor?

Auf der Suche nach der woken Wunschgeneration

Die Antworten, die in Studien formuliert werden, die vermeintliche Generationenforscher liefern oder die durch eigene subjektive Beobachtungen entstehen, liefern dann Schlüsse für die Gesamtgesellschaft. Eine politisch-mediale Klasse versucht, sich ihre perfekte „woke Wunschgeneration“ zusammen zu konstruieren. Die Jugendlichen im passenden Alter sollen sich bitte so wie die vermeintliche Generation Z verhalten und sich dem gewünschten ideologischen Zeitgeist anpassen.

Ob es diesen Zeitgeist überhaupt gibt oder er nur in den Köpfen des linksgrünen Juste Milieus existiert, ist eine andere Frage. Alle, die zu „alt“ sind, um nach der Definition Teil der „Gen Z“ zu sein, dürfen jedoch scheinbar dieser gedanklich beitreten. So wie es die Autorin des anfangs erwähnten Textes gerne täte. Ähnliches können wir auch bei einigen älteren Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ beobachten.

Debatten verkommen zum moralischen Kitsch

Während auf Plattformen wie Instagram oder Tiktok die Schlagworte Gen Y oder Gen Z oftmals nur im Kontext von satirischen Clips Verwendung finden oder als Buzzwords im Werbe-und Marketingbereich fallen, ist es für andere der peinliche, infantile Versuch, damit ihre eigene Identitätskrise zu bewältigen, weil man sonst nicht mehr zum aktuellen identitätspolitischen Getue passt.

In Wirklichkeit brauchen wir derzeit nicht noch mehr Identitätspolitik. Denn diese trägt dazu bei, dass eigentlich wichtige Debatten gerade zum emotionalen Kitsch verkommen, der Riss in der Gesellschaft ständig größerer wird und – je nachdem, welche Einstellung man hat – versucht wird, in ein bestimmtes verfestigtes ideologisches Lager zu manövrieren, welches jeweils Anspruch auf den (vermeintlichen) Zeitgeist erhebt. Dagegen hilft nur echte Meinungsvielfalt. Statt der Generation Z (wie Zeitgeist) hätten wir eine Generation P (wie Pluralismus) nötig.

 

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