Wolfgang Bosbach über den CDU-Wahlkampf - „Armin, mach nix, wenn Du kein gutes Gefühl dabei hast”

Nur noch sechs Wochen bis zur Bundestagswahl, und CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet sagt eine Talkshow nach der anderen ab. Dabei sinken seine Umfragewerte. Kein Grund zur Beunruhigung, findet der langjährige CDU-Politiker Wolfgang Bosbach. Doch was macht ihn da so zuversichtlich?

Wegducken als Erfolgsrezept? Armin Laschet / dpa
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Autoreninfo

Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Wolfgang Bosbach war von 2000 bis 2009 stellvertretender Vorsitzender der CDU-Bundestagsfraktion und von 2009 bis 2015 Vorsitzender des Innenausschusses im Bundestag. Obwohl er seit 2017 nicht mehr im Parlament sitzt, macht er noch für die Partei Wahlkampf – allerdings zum letzten Mal, wie er gerade angekündigt hat. 

Herr Bosbach, es sind noch sechs Wochen bis zur Bundestagswahl, und der CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet sagt eine TV-Talkshow nach der anderen ab. Machen Sie sich Sorgen um ihn? 

Um ihn persönlich nicht, denn Armin Laschet ist erfahren genug, um zu wissen, dass ein demoskopisches Tief sechs Wochen vor einem Wahltermin keine Vorentscheidung für den Wahlausgang bedeutet. Sorgen bereitet mir eher der Gedanke, dass es am Ende tatsächlich für Rot-Rot-Grün reichen könnte. Dann gehen wir schweren Zeiten entgegen. 

Im Wahlkampf 2013 hat Laschet über Jürgen Trittin getwittert: „Höre gerade, dass er für eine große TV total-Diskussion bei Raab abgesagt hat. Krank ist er nicht. Erstes Signal für einen Rückzug?“ Dieses Zitat fällt jetzt auf ihn selbst zurück. Hat er kalte Füße bekommen? 

Ach, i wo. Alles zu seiner Zeit. Wenn die Zahl der Talkshowauftritte so entscheidend wäre, müsste Karl Lauterbach alle politischen Spitzenämter in Deutschland persönlich innehaben. 

Laschet ist noch nicht mal Kanzler, hat es in den sozialen Medien aber schon zur Witzfigur gebracht. Nach #Laschetdenktnach, #Laschetlacht trendete jetzt #Laschetkneift. Ist er Opfer einer Kampagne, oder hat er den Spott verdient? 

Nein, hat er nicht. Aber in Zeiten, in denen es ganz offenkundig weniger um inhaltliche Positionen und Perspektiven für Deutschland als um angebliches Fehlverhalten geht, wird halt gerne jedes Missgeschick zum Mega-Ereignis hochgezogen. An seiner Performance als Regierungschef in NRW gibt es für seine Kritiker offenbar zu wenig zu meckern, also sucht man halt andere Themen.

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Seine Beliebtheitswerte sinken in dem Maße, wie die Beliebtheitswerte für den SPD-Kandidat Olaf Scholz steigen. Der liegt jetzt bei 59 Prozent, Laschet nur bei 28 Prozent. Was läuft da schief? 

Zunächst einmal: Olaf Scholz ist ein respektabler Konkurrent! Aber Armin Laschet muss ihn nicht fürchten, da auch er mit einer großen politischen Erfahrung in Spitzenämtern punkten kann. Also: Volle Konzentration auf die Inhalte – und auf die politischen Alternativen. Die Frage ist aber: Wofür steht die Union im Unterschied zur politischen Konkurrenz? Was sind die wichtigsten Ziele, die wir in den Jahren erreichen wollen? Und was ist mit uns auf jeden Fall nicht zu machen? 

Gerade in der heißen Wahlkampfphase drückt sich Laschet aber um die brisanten Themen. Weder hat er sich zu dem Ehrenmord in Berlin geäußert, noch traut er sich so richtig an die Themen Klimawandel, Afghanistan und Migration heran. Kann er es sich angesichts sinkender Umfragewerte leisten, auf Tauchstation zu gehen?

Das ist nun wirklich nicht das Problem von Armin Laschet alleine. Bei den Themen Migration und Integration ist es sehr riskant, auf gravierende Fehlentwicklungen aufmerksam zu machen, ohne nicht sofort in die rechte Ecke gestellt zu werden. Selbst wenn alles, was man sagt, sachlich richtig ist, fängt man sich ruck-zuck Kommentare à la „islamophob“, „latent rassistisch“ oder „rechts“ ein. Afghanistan ist ein besonders tragisches Kapitel, denn wer gesteht sich schon gerne selber zu, dass sich die meisten Hoffnungen, die mit dem deutschen Militär-Einsatz verbunden waren, wohl nicht erfüllen werden? 

Wolfgang Bosbach / dpa 

Die Kanzlerkandidaten haben alle einen Beraterstab um sich herum. Ist es vorstellbar, dass Laschets Berater sagen: „Armin, halt Dich aus allem heraus. Wenn Du Dich nicht positionierst, kannst Du wenigstens nichts falsch machen“?  

Um Gottes Willen. Dann würde ja gelten: Auch Ratschläge können Schläge sein! Allerdings zucke ich beim Wort Berater immer zusammen. Man kann auch zu viele davon haben. 

Sie gelten als jemand, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Was würden Sie Laschet denn raten, wenn er Sie nach Ihrer Meinung fragen würde? 

Mein Rat wäre: Armin, sei Du selbst, lass nicht zu viel an Dir herumfummeln und mach nix, wenn Du kein gutes Gefühl dabei hast.

Sie würden ihn in seinem Wegducken noch bestärken? 

Wegducken ist nun wirklich nicht das richtige Wort. Armin Laschet ist permanent im Einsatz, und Wahlkampf bedeutet nicht in erster Linie, Kameras zu treffen, sondern Menschen. 

Auch aus der CDU-Fraktion kommt keine Kritik. Dabei war die Mehrheit ja offenbar für Markus Söder als Kanzlerkandidaten, bevor Volker Bouffier und Wolfgang Schäuble die Fraktion auf Laschet eingeschworen haben. War das ein Fehler?

Ich selber habe ja für Markus Söder plädiert, aber die Union hat Armin Laschet nominiert – also kämpfe ich für ihn! Weil es um Deutschland und die Union geht! Ab jetzt: Volle Konzentration auf die Sachthemen, Unterschiede nicht rhetorisch nivellieren, sondern präzisieren – und deutlich machen, dass und an welcher Stelle Friedrich Merz in einer unionsgeführten Regierung eine wichtige Rolle spielen wird.

Stünde die CDU heute im Wahlkampf besser da, wenn sie mit dem Macher-Typ Markus Söder in den Wahlkampf gezogen wäre? 

Alles Schnee vom vorgestern. Bei der SPD war die Frage: „Wer muss es machen?“ Bei uns lautete sie: „Wen von zwei guten Bewerbern nehmen wir?“ Entscheidung getroffen, weiter geht’s. 

Die Grünen müssen sich jetzt die Frage gefallen lassen, ob es nicht besser wäre, die Spitzenkandidatin Annalena Baerbock auf den letzten Metern gegen Robert Habeck auszutauschen. Warum traut sich in der CDU keiner zu thematisieren, Söder gegen Laschet einzuwechseln?

Weil die Union dafür viel zu vernünftig ist! Alleine die Debatte darüber würde enorm schaden, also bitte erst gar nicht damit beginnen. 

Ist die Union nicht eher zu feige? Es wäre doch eher ein Zeichen von Stärke als von Schwäche, zuzugeben, man habe sich in Laschet getäuscht, der kompetentere Kandidat Söder übernimmt.

Von einer solchen Debatte halte ich schon deshalb nichts, weil die Wählerinnen und Wähler im Wahlkampf keine Beschäftigungen der Parteien mit sich selber erwarten, sondern einen fairen Wettstreit der Ideen und Perspektiven. 

Am Anfang des Wahlkampfes sah es noch so aus, als könnte die CDU von ihrem Bonus als Regierungspartei zehren. Ihre Prognose für den 26. September: Wird die CDU noch stärkste Partei?

Ja, davon gehe ich nach wie vor aus. Wahlkampf ist Marathon, kein Sprint. Ich setze auf einen fulminanten Schlussspurt von CDU und CSU. 

Sie selbst haben nach einem Wahlkampfauftritt für Hans-Georg Maaßen in Thüringen angekündigt, dieses sei Ihr letzter Wahlkampf für die CDU. Parteifreunde hatten Sie angefeindet, weil sie der Einladung Maaßens gefolgt sind. Dass da ein Shitstorm über Sie hereingebrochen ist, kann Sie doch nicht ernsthaft überrascht haben? 

Ja und nein. Mit Kritik habe ich gerechnet, die gibt es fast immer. Aber dieses Ausmaß an Häme und Hetze, ständig garniert mit dem Begriff „Nazi“, war für mich tatsächlich eine völlig neue, bittere Erfahrung. Roter Faden der Kritik: konservativ gleich rechts gleich Naziverdacht. Das war vor der Veranstaltung. Danach war Ruhe, denn es war eine Veranstaltung wie viele andere auch. Inzwischen hat sich die Lage um 180 Grad gedreht. Viele sind schlicht entsetzt, mit welcher Hemmungslosigkeit sich da einige ausgetobt haben.

Herr Maaßen zündelt regelmäßig am rechten Rand, wenn er einen „Gesinnungstest“ für Redakteure des öffentlich-rechtlichen Rundfunk fordert oder wenn er von einem Bürgerkrieg fantasiert unter Mitwirkung von Polizei und Militär. Passt er mit solchen Statements noch in die CDU? 

Sie irren, wenn Sie glauben, dass ich alles, was Herr Maaßen sagt oder gesagt hat, unterschreiben würde. Das muss ich auch nicht. Er wurde von der CDU in Südthüringen als Bundestagskandidat nominiert, und die CDU hat mich und einige andere bekannte Repräsentanten der Union gebeten, im Wahlkampf zu helfen. Ich warte immer noch auf die Antwort darauf, warum nur bei mir so ein Theater veranstaltet wurde. Und zum Thema „rechts zündeln“: Es war Herr Maaßen, der mir als Erster gesagt hatte, dass die AfD bei weiterer Radikalisierung ein Fall für den Verfassungsschutz werden könnte.

Sie selbst lieben es ja auch, die Parteilinie gegen den Strich zu bürsten. Wo liegt bei Ihnen die Schmerzgrenze?

Jetzt wird es lustig. Den meisten Ärger habe ich dann bekommen, wenn ich bei dem bleiben wollte, was jahrelang Position der Union war. Beispiele: Währungsunion ja, Schuldenunion nein! Währungsunion ja, Haftungsunion nein! Zuwanderung steuern und begrenzen! Ein Vorwurf wäre allerdings richtig: Ich bin nicht bereit, gegen meine Überzeugung jede politische Kursänderung mitzumachen.

Sie selber wurden für ihren Trip nach Thüringen gebasht, aber für Maaßen war es eine gute Werbung. Bereuen Sie den Auftritt im nachhinein? 

Nein. Wenn ich zusage, dann komme ich auch. Und ich habe dort das Gleiche gesagt wie an anderen Orten auch. Es ist schon erstaunlich, dass ich an dem, was dort gesagt wurde, nur Kritik von AfD-Fans bekommen habe, aber vorher war ich für viele ein halber Nazi. Ich mache mir um die Debattenkultur in Deutschland große Sorgen.

Man kann sich nur schwer vorstellen, dass Wolfgang Bosbach, der Rebell, irgendwann tatsächlich keinen Wahlkampf mehr für die CDU macht. War das eine leere Drohung, weil Sie beleidigt waren? Oder sind Sie fertig mit der Partei? 

Beleidigt? Was soll das denn? Sie haben offenbart überhaupt keine Ahnung, was ich in 49 Jahren Politik an Beleidigungen oder Bedrohungen schon alles erlebt habe. Da müsste ich ja jahrzehntelang permanent beleidigt gewesen sein. Meine Veranstaltungen sind durchweg gut besucht, ich werde bei der CDU überall nett empfangen. Insoweit alles gut. Aber monatelang im Wahlkampf quer durch die Republik fahren, von Termin zu Termin, während zu Hause sogenannte Parteifreunde mir im Netz das Leben schwer machen – das brauche ich nicht mehr. Und das will ich auch nicht mehr. Das Kapitel Wahlkampf ist für mich beendet. 

Die Fragen stellte Antje Hildebrandt. 

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