Werte-Union - „Hans-Georg Maaßen engagiert sich nicht aus Rache"

In der CDU wird die Kritik an der konservativen Werte-Union und ihrem Vorsitzenden Alexander Mitsch lauter. Ihr neues Aushängeschild, Hans-Georg Maaßen, nutzt seine Wahlkampf-Auftritte im Osten, um die Kanzlerin und ihre Politik zu attackieren. Spielt er damit nicht der AfD in die Hände?

Welches Ziel verfolgt Hans-Georg Maaßen wirklich im CDU-Wahlkampf im Osten? / picture alliance
Anzeige

Autoreninfo

Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

So erreichen Sie Antje Hildebrandt:

Anzeige

Alexander Mitsch ist Gründer, Vorsitzender und Sprecher der vom Präsidium und Vorstand der CDU nicht anerkannten „Werte-Union“. Der Verein wurde vor zwei Jahren gegründet und zählt 2500 Mitglieder.

Herr Mitsch, Ihr Parteikollege Elmar Brok wurde gerade in der Welt mit den Worten zitiert: „Ich kenne keine Gruppe in der Union, die weniger Werte hat als die Werte-Union.“ Hat er Recht?  
Wenn uns Herr Brok in diesem Ton kritisiert, machen wir alles richtig.

Wieso?
Diese Aussage ist einfach nur pauschal und inhaltlich nicht begründet. Solche Angriffe kommen oft von Menschen, die eigene Probleme mit Werten haben.

...Sie meinen den Vorwurf, Brok soll in seiner Zeit als EU-Parlamentarier Besucher in Brüssel abkassiert haben, obwohl die Kosten für den Besuch durch die EU abgedeckt waren ...  
... ich will das nicht vertiefen. Ich glaube, wir sind auf dem richtigen Weg, wenn Leute, die durch ihren Kurs mitverantwortlich sind für den Niedergang der Union, sich aus Hilflosigkeit sich so unqualifiziert über uns äußern.

Aber mit seiner Kritik steht Elmar Brok nicht allein. Auch andere CDU-Mitglieder kritisieren, dass die Werte-Union immer schärfere Kritik an der Bundesspitze übt.
Richtig ist, dass auch andere Anhänger und Nutznießer des Merkel-Kurses ihre Positionen oft sehr unsachlich verteidigen. Richtig ist aber auch, dass der Ruf in der Partei und der Bevölkerung nach einer Politikwende immer lauter wird und die Werte-Union wachsenden Zuspruch bekommt.

Im Fokus der Kritik steht Hans-Georg Maaßen, das neue Aushängeschild der Werte-Union. Kaum hatte CDU-Parteichef Annegret Kramp-Karrenbauer am Wochenende in der Welt am Sonntag ihren Kurs in der Umweltpolitik skizziert, verkündete er in der Bild, die Union solle sich nicht mit Greta beschäftigen, sondern mit echten Problemen. War das eine Kampfansage?   
Herr Maaßen ist in drei Bundesländern im Osten unterwegs, um Wahlkampf für die CDU zu machen. Wie ich höre, kommt das sowohl bei der örtlichen CDU sehr gut an als auch bei den Menschen, die in zwei Wochen entscheiden müssen, wen sie wählen. Insofern unterstützt er nicht nur die Kandidaten vor Ort, sondern die CDU insgesamt.

Warum schickt die Werte-Union ausgerechnet den geschassten Verfassungsschutzchef  als neues Aushängeschild in den Wahlkampf im Osten vor?
Wir schicken ihn nicht vor. Er wird von den lokalen Kandidaten der CDU eingeladen. Wir haben so viele Anfragen, wir können leider nicht alle bedienen. Es gibt ein Bedürfnis an der Basis, dass Hans-Georg Maaßen sie unterstützt. Wenn man Wahlen gewinnen will, braucht man ein klares Profil. Herr Maaßen stellt sich dieser Aufgabe.

Indem er das Vertrauen in die Kanzlerin und in die Parteispitze erschüttert?  
Es war die Kanzlerin, die das Vertrauen der Wähler verspielt hat, als sie viele ihrer Positionen über Bord geworfen hat. Jetzt sehnen sich die Leute danach, dass die CDU wieder ein klares Profil bekommt. Ein wesentliches Thema ist das Thema Einwanderung/Innere Sicherheit. Hier muss die CDU stärker ihre Position vertreten, statt den Öko-Populisten hinterherzulaufen. Insofern war die Aussage von Hans-Georg Maaßen in der Bild vielleicht zugespitzt, aber nicht ganz falsch.   

Sie sagen, Herr Maaßen mache die CDU im Osten stark. Ist es nicht eher so, dass er die AfD stark macht?
Im Gegenteil. Die AfD wurde deswegen stark, weil die Kanzlerin immer mehr Positionen aufgegeben hat, gerade bei der Einwanderung und bei der Inneren Sicherheit. Herr Maaßen tritt jetzt auf, um zu zeigen, dass es in der Union auch Menschen gibt, die diese Themen ernst nehmen. Das kommt gut an.   

Hans-Georg Maaßen ist Ende 2018 als Verfassungsschutzpräsident entlassen worden. Die Opposition wirft ihm vor, er habe den Kampf gegen den Rechtsradikalismus in seiner Amtszeit systematisch vernachlässigt. Jetzt propagiert er plötzlich Innere Sicherheit. Wie glaubwürdig ist das?
Ich widerspreche Ihrer Aussage, dass Hans-Georg Maaßen den Kampf gegen Rechtsradikalismus vernachlässigt hat. Dass die Linken dies gerne so hinstellen, um von ihren Verbindungen zu den Linksradikalen abzulenken, liegt aber auf der Hand. In weiten Teilen der Bevölkerung genießt Hans-Georg Maaßen völlig zu Recht großes Vertrauen.

Maaßen war aber auch derjenige, der der AfD Tipps gegeben haben soll, wie sie der Überwachung durch seine eigene Behörde entkommen kann.
Das ist eine Unterstellung. Er hat in seiner Amtszeit hunderte Gespräche mit allen möglichen Parteien geführt, davon fünf mit der AfD. Man kann nicht davon ausgehen, dass er die AfD besser behandelt hat als andere Parteien.

Das Kalkül der Werte-Union ist, dass Maaßen der AfD im Osten Stimmen abjagt. Dabei unterscheiden sich  seine Positionen kaum von der AfD. Wie soll das eigentlich gehen?
Wir zeigen, dass man Probleme auch lösen kann, ohne dass erst Radikale Einfluss gewinnen müssen

Alexander Mitsch/ picture alliance

Was unterscheidet die Werte-Union denn noch von der AfD?
Die CDU ist die Partei des Rechtsstaats ...

... das behauptet AfD- Fraktionschef Alexander Gauland auch ...
Das kann er gerne tun. CDU und CSU haben es in den vergangenen Jahrzehnten bewiesen. Wir haben immer dafür gekämpft. Wir sind pro-europäisch und pro-westlich eingestellt. Wir sind für die Marktwirtschaft. Unsere Politik beruht auf christlichen Grundwerten. Das sind klare Unterschiede zur AfD.

Trotzdem gibt es in der CDU die Befürchtung, die Werte-Union „planiere den Weg zwischen Rechtskonservatismus und Rechtsradikalismus“.
Es sind solche inhaltsleeren Sprüche, die letztlich dazu führen, dass die Menschen das Vertrauen in die CDU vollends verlieren. Solche platten Beschuldigungen führen zu nichts. Wir müssen uns den Problemen stellen und sie lösen. Man muss den Leuten zuhören, gerade im Osten, endlich zuhören und deren Vertrauen wiedergewinnen. Dafür steht die Werte-Union.

Aber wie will man den Wählern das Vertrauen wiedergeben, wenn man der Parteispitze erstmal ihre Versäumnisse auflistet und ihr dann jeden Willen zur Veränderung abspricht?
Mit „Weiter so“ ist niemandem gedient. Das wird nur zu einem weiteren Absturz führen. Wenn man Fehler gemacht hat, darf man die nicht verschweigen. Man muss sie zugeben und ernsthaft angehen. Und das tun wir jetzt. Sonst werden uns die Leute nicht vertrauen.

Was heißt „wir“? Herr Maaßen gibt zu, dass die Frau Fehler gemacht hat, die nach den Ereignissen von Chemnitz seine Entlassung zu verantworten hat. Ist das nicht ein ziemlich durchschaubarer Rachefeldzug – auf Kosten der CDU?
Herr Maaßen engagiert sich nicht aus Rache, sondern aus Sorge um Deutschland. Es wäre natürlich das Beste, wenn die Kanzlerin selbst eingestehen würde, dass sie Fehler gemacht hat – und dass sie diese korrigieren möchte. Dazu hätte sie ja nach der Bundestagswahl und nach der Europawahl genügend Anlass und Gelegenheit gehabt.

Jetzt tritt ihr ein Verein auf die Füße, der sich als selbst als „konservativen Flügel der CDU“ bezeichnet. Dabei besteht die  Werte-Union zwar aus CDU-Mitgliedern, sie wird aber von der Partei gar nicht als eigene Vereinigung anerkannt. Ist das nicht Etikettenschwindel?
Wir sind eine junge Gruppierung, die es erst seit zwei Jahren gibt. Man kann noch nicht erwarten, dass wir alle unsere Positionen in der Partei durchsetzen. Uns ist es aber wichtig, zu zeigen: Es gibt noch Konservative und Wirtschaftsliberale in der Union. Nach einer Umfrage von INSA möchten 77 Prozent der CDU-Anhänger mehr Werte-Union haben in der Partei. Das müssen wir den Wählern zeigen. Jawohl, die CDU hat verstanden.  

Die CDU prüft jetzt, ob sich Werte-Union überhaupt Werte-Union nennen darf. Das klingt nicht, als würde man sich in absehbarer Zeit einig?
Wir sehen die Prüfung gelassen, verstehen aber den Neid unserer Gegner auf unseren Namen und unsere Erfolge. Die merken langsam, dass sich der Wind in unsere Richtung dreht.

Auch die AfD hat einen Flügel. So nennen sich die rechten Hardliner um Thüringens AfD-Chef Björn Höcke. Gibt es eine Analogie zur Werte-Union?
Nein, ich kann da keine Analogie erkennen. Die AfD ist eine Partei, die nicht koalitionsfähig ist. Ihr gehören Menschen an, mit denen man nicht zusammenarbeiten kann. Sie hat selbst eigene große Probleme. Man kann nur hoffen, dass sich der so genannte Flügel in der AfD nicht durchsetzt.

Schließen Sie eine Koaliton mit der AfD aus?
Ja. 

Vor zwei Wochen haben Sie dieselbe Frage nach einem Bericht der Welt noch verneint.
Das stimmt nicht. Quelle für diese Bericht war ein Gastbeitrag, den ich für den Focus geschrieben habe. Wer den liest, wird zu dem Schluss kommen, dass ich mich schon damals gegen eine Koalition mit der AfD ausgesprochen habe.

Anzeige