„Kampf gegen rechts“ - Es gibt keine wehrhafte Demokratie

Fast panisch überbietet man sich zurzeit mit Vorschlägen, wie man die Demokratie besser schützen kann. Diese Panik ist lächerlich und gefährlich. Vor allem aber zeigt sie: Nur Diktaturen lassen sich schützen. Demokratien eben nicht. Denn eine hart verteidigte Demokratie wäre keine mehr.

Einer Demokratie im Grunde unwürdig: Inlandsgeheimdienste wie der Verfassungsschutz / dpa
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Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Lässt man die letzten Wochen Revue passieren, bekommt man den Eindruck, die Demokratie in Deutschland wäre in höchster Gefahr. So schlug Ende letzten Jahres Thüringens Innenminister Georg Maier vor, die Verfassung seines Bundeslandes zu ändern, um zu verhindern, dass eines Tages der Leibhaftige der deutschen Politik in einem möglichen dritten Wahlgang mit einfacher Mehrheit zum Ministerpräsidenten gewählt wird.

Mitte dieser Woche nun wurde aus Reihen der Ampel-Regierung angeregt, Bestimmungen des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes von dort in das Grundgesetz zu verlagern, um etwa die Amtszeit von Richtern oder die Existenz zweier Senate dauerhaft festzuschreiben. Zurzeit kann man solche Bestimmungen – da in einfachen Gesetzen festgelegt – mit Regierungsmehrheit ändern.

Am vergangenen Donnerstag wurde schließlich bekannt, dass der Verfassungsschutz seinen ehemaligen Präsidenten Hans-Georg Maaßen als Rechtsextremen führt. Umgehend wurden Forderungen nach dienstrechtlichen Konsequenzen und einem Disziplinarverfahren laut.

Das Geschmäckle des Undemokratischen

Das alles findet statt in einem extrem aufgeheizten Klima, in dem die Parteien links der Mitte einschließlich der FDP und einer zögerlichen CDU offensichtlich willens sind, die AfD mit allen erdenklichen Mitteln kleinzukriegen: staatlich mitfinanzierte „Recherchenetzwerke“ inklusive.

Solche Methoden haben das Geschmäckle des Undemokratischen, denn in einer Demokratie sollte die Auseinandersetzung mit einer Partei oder politischen Bewegung immer mit Argumenten, mit Reden, auf Marktplätzen und in Talkshows erfolgen und nicht mit den Mitteln staatlicher Sicherheitsorgane oder staatlich subventionierter Aktivisten.

 

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Aber, so der naheliegende Einwand, muss sich eine Demokratie nicht vor ihren Feinden schützen? Hat die Geschichte nicht gezeigt, dass es die wehrhafte Demokratie braucht? Haben nicht genau aus diesem Grund die Mütter und Väter des Grundgesetzes die Fünfprozenthürde eingeführt, die starke Stellung des Bundesverfassungsgerichts und die berühmte „Ewigkeitsklausel“ des Artikels 79?

Ja, das stimmt natürlich. Aber all die Bollwerke der wehrhaften Demokratie haben etwas Kontrafaktisches. Sie können nicht funktionieren. Sie sind Ausdruck eines Widerspruchs, der in der Demokratie selbst liegt und der in der Frage kulminiert, warum sich eine Demokratie eigentlich nicht ganz demokratisch selbst abschaffen kann.

Die Demokratie vor ihren Beschützern schützen

Das Dilemma ist nicht zu lösen. Und die Lehre aus dieser Erkenntnis lautet: Es gibt keine wehrhafte Demokratie. Demokratien können sich nicht verteidigen. Wenn eine Demokratie sich verteidigen muss, ist sie immer schon am Ende. Denn dann hat sie den Rückhalt des Volkes verloren. Und dann braucht man sie auch nicht mehr zu verteidigen. Wofür auch? Es wäre nur noch eine juristische Fassade, aufrechterhalten durch Richter und Institutionen, die keine Basis haben.

Diktaturen können sich verteidigen, ohne sich selbst zu verraten. Diktaturen können Gegner verhaften und in Gefängnissen verschwinden lassen. Diktaturen können zur Not sogar das Militär auf die Straße schicken und bleiben dabei sich selbst treu. Demokratien können das nicht. Wenn es hart auf hart kommt, haben Demokratien nur zwei Möglichkeit des Untergangs: entweder durch die Feinde der Demokratie oder durch ihre Verteidiger. Einen dritten Weg gibt es nicht.

Die wehrhafte Demokratie ist eine rhetorische Illusion. Eine Demokratie, die sich gegen das Volk zu wehren beginnt, ist keine Demokratie mehr. Demokratien verteidigt man nicht mit Gerichten, Geheimdiensten und subversiven journalistischen Methoden, sondern mit Debatten, mit Reden, auf Straßen und in Wahlkämpfen.

Es liegt im Wesen der Demokratie, dass die Gefahr für die Demokratie nicht nur von ihren Gegnern ausgeht, sondern eben auch von ihren Beschützern. Man kann Demokratien förmlich zu Tode beschützen. Und da die Demokratieschützer, anders als die Demokratiegegner, die geballte Macht des Staates in Händen halten, ist das ein nicht unerhebliches Problem. Die Demokratie, man muss sie auch vor ihren Beschützern schützen.

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