Verteidigungsministerin tritt zurück - Christine Lambrecht war die höchste Quotenfrau im Staate

Das Verteidigungsministerium an Christine Lambrecht zu vergeben, war ein gravierender Fehler des Bundeskanzlers. Jetzt muss er zeigen, dass er die „Zeitenwende“ ernst meint und die marode Bundeswehr einer starken Persönlichkeit anvertrauen. Es geht um Kompetenz, nicht um Geschlecht.

Keine Politikerin für die erste Reihe: Noch-Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) bei einem Truupenbesuch / dpa
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Mathias Brodkorb ist Cicero-Autor und war Kultus- und Finanzminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Er gehört der SPD an.

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„Na endlich!“, möchte man da beglückt ausrufen. Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) gibt offenbar auf. Jedenfalls hat sie bisher entsprechende Meldungen nicht dementiert. Dabei war ziemlich schnell klar, dass das nicht lange gutgehen konnte. In einer jüngst veröffentlichten repräsentativen Umfrage wurde Lambrecht nicht nur zur unbeliebtesten Spitzenpolitikerin gekürt – noch hinter Alice Weidel: Zwei Drittel der Deutschen forderten nach ihrem Silvester-Video außerdem ihren Rücktritt.

Die Liste der Gründe dafür ist inzwischen lang. Besonders hat eines die Gemüter der Deutschen erhitzt: die Mitnahme ihres Sohnes in einem Helikopter der Bundeswehr auf dem Weg nach Sylt. Zu ihrer Ehrenrettung muss man dabei sagen, dass die damalige Debatte von vorne bis hinten abwegig war.

Im Interesse der Steuerzahler

Nur falls Sie es nicht wussten: Alle Minister in der Bundes- oder Landesregierung haben Anspruch auf einen Dienstwagen. Der stammt meist aus der Luxusklasse deutscher Hersteller. Und dazu gehört in der Regel ein „Chefwagenfahrer“, bei manchen sind es sogar zwei und mehr.

Und selbstverständlich dürfen alle deutschen Minister ihren Dienstwagen auch privat nutzen und Familienmitglieder in ihm mitnehmen, auch mit Fahrer. Allerdings müssen sie dann dafür bezahlen. Es ist am Ende also so wie bei jedem Arbeitnehmer mit Dienstwagen. Das hat nichts mit Privilegien zu tun, sondern liegt im Interesse der Steuerzahler. Auf diese Weise können auch höchste Staatsdiener Beruf und Privatleben besser miteinander vereinbaren.

Das eigentliche Problem war das Prahlen

Gäbe es dieses „Privileg“ nicht, hätte das nur eine Konsequenz: Minister könnten weniger arbeiten, weil sie selbst am Steuer säßen – während der aus Steuermitteln bezahlte Fahrer in der Fahrbereitschaft säße und Däumchen drehte. Damit wäre niemandem geholfen. In der „Helikopter-Affäre“ hat sich Lambrecht an bestehendes Recht gehalten. Den eigenen Sohn mitzunehmen, stand ihr zu. Nicht das war das Problem, sondern dass ihr Sohn damit in der Öffentlichkeit prahlte. Und damit wären wir beim eigentlichen Problem von Ministerin Lambrecht: der Öffentlichkeitsarbeit.

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Dass Lambrecht per se ungeeignet ist, ein Ministerium zu führen, wird man nicht behaupten können. Sie hat bereits einmal erfolgreich das Gegenteil bewiesen: als Bundesjustizministerin. Die Sache hat nur einen Haken: Ein Justizminister wirkt nur aus der zweiten Reihe der Regierung heraus. Und das hat mit dem Amt zu tun.

Als Justizministerin geeignet 

Im Grunde hat jeder Justizminister nur drei Aufgabenbereiche: Richter, Staatsanwälte und die Begleitung der Gesetzgebung durch Rechtsprüfung. Richter sind aber von Verfassungs wegen unabhängig. Soll heißen: Ein Minister hat da nichts zu melden. Bei Staatsanwälten ist es, rechtlich betrachtet, nicht so. Aber irgendwie hat sich in Deutschland in Jahrzehnten trotzdem das Rechtsverständnis eingestellt, als seien Staatsanwälte auch so etwas wie kleine Richter. Auch hier gibt es für einen Justizminister am Ende wenig zu tun.

Bleibt also nur der dritte Bereich: die Rechtsprüfung von Gesetzen und Verordnungen. Und das macht nicht der Minister selbst, sondern das tun Heerscharen von Beamten. Langer Rede kurzer Sinn: Justizminister sind für die Öffentlichkeit ziemlich uninteressante Gestalten. Man braucht für diesen Job nicht unbedingt Leute, die sonderlich kommunikativ oder gar PR-Experten sind. Es reichen im Notfall dröge Juristen, die dafür sorgen, dass der Rechtsstaat auf Kurs bleibt.

Lambrecht hat kein Gespür für Politik

Genau so eine war und ist Christine Lambrecht: eine Politikerin der zweiten Reihe. Sie hat eigentlich kein Gespür für Politik. Keinen Instinkt dafür, was wann gesagt und getan werden kann und was nicht. Und welche Wirkung das erzeugt, was sie sagt. Es gibt wohl keine Entscheidung Lambrechts, die das deutlicher macht als die mit Stolz und Ernst vorgetragene Lieferung von 5.000 Schutzhelmen in die Ukraine. Das sollte, nach Beginn des Krieges, Deutschlands robuster Beitrag zur Selbstverteidigung eines angegriffenen Landes sein. Eigentlich hätte das nur als Zwischengag in der „Harald Schmidt Show“ gepasst. 

Lambrecht in die erste Reihe zu stellen, war ein gravierender Fehler des amtierenden Bundeskanzlers. Wenn es überhaupt so etwas wie das Phänomen der Quotenfrau gibt, dann ist Christine Lambrecht der Idealtypus. Die SPD hat sichtbar Gleichstellungsprinzipien vor Sachkompetenz gestellt. Und die Truppe war das Opfer dieser Ideologie.

Scholz wollte sich die Finger nicht schmutzig machen

Spätestens als öffentlich bekannt wurde, dass Olaf Scholz bereits im Dezember 2022 offenbar ohne Kenntnis seiner Verteidigungsministerin mit den Vereinigten Staaten über Panzerlieferungen verhandelt hatte, war Lambrecht in der Bundeswehr erledigt. Das kam einer Entmachtung und öffentlichen Demütigung der Ministerin gleich. Man darf daher annehmen, dass das alles mit Kalkül geschah, damit sich der Kanzler mit einem Rauswurf nicht selbst die Finger schmutzig machen musste.

Für die Nachfolge Lambrechts gibt es nach Lage der Dinge nun vier fachlich überzeugende Möglichkeiten. Da wäre zunächst die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP): klug, schneidig, entscheidungsfreudig, sachkundig und medial begabt. Aber für den Kanzler dürften all das Gründe sein, sie gerade nicht zu berufen. Strack-Zimmermann würde die SPD in Sachen Ukraine noch viel mehr öffentlich unter Druck setzen als ohnehin schon. Von der Tatsache, dass man seine eigenen Fleischtöpfe nicht unnötig an die politische Konkurrenz verschenkt, ganz zu schweigen.

SPD hat Nachfolgekandidaten 

Dann wäre da Hans-Peter Bartels (SPD). Auch er stammt aus der Abteilung „klug und schneidig“, hat aber ein geringeres Darstellungsbedürfnis als Strack-Zimmermann. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete hat sich von 2015 bis 2020 als Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages in der Truppe einen exzellenten Ruf erarbeitet. Er wäre ideal, um die moralisch ramponierte Truppe schnell wieder aufzurichten. Sein Problem: Er hat auch ein Y-Chromosom.

So etwas wie die Mischung aus beiden, wenn auch auf niedrigerem Niveau, ist die ehemalige Bundestagsabgeordnete und derzeitige Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages Eva Högl (SPD). Högl löste Bartels wegen fraktionsinterner Streitigkeiten ab, hat sich in ihr neues Amt aber erstaunlich schnell eingearbeitet. Auch das wäre eine akzeptable Lösung – mit zwei X-Chromosomen.

Wie wäre es mit einem General als Minister?

Und dann bliebe noch Variante vier. Aber sie ist wahrscheinlich zu verrückt, als dass sie zustande kommen könnte: ein erfahrener Bundeswehrgeneral. Seit Jahrzehnten hat die Truppe so etwas nicht erlebt. Zwar setzte Scholz kurz nach Amtsantritt Generalmajor Carsten Breuer an die Spitze seines Corona-Krisenstabes und ist bis heute stolz darauf: Aber ein Soldat an der Spitze des Verteidigungsministeriums? Das scheint in Deutschland zu absurd.

Dabei wäre es wahrscheinlich die beste Lösung. Offenkundig ist es den politischen Führungen über Jahrzehnten hinweg nicht gelungen, die Wehrfähigkeit der Truppe zu erhalten. Stattdessen wurde sie Stück um Stück an die Wand gefahren. Das Ergebnis ist für das stärkste Land Europas nicht nur blamabel, sondern auch Steuergeldverschwendung.

Sachkompetenz vor Quote

Olaf Scholz rief am 27. Februar 2022 im Deutschen Bundestag die „Zeitenwende“ aus. Es müsse jetzt darum gehen, „Kriegstreibern wie Putin Grenzen zu setzen“. Und dann sagte Scholz den entscheidenden Satz: „Das setzt eigene Stärke voraus.“ Und meinte damit die Bundeswehr.

Wenn Scholz das alles ernst meint, muss er es jetzt auch zeigen. Indem er an die Spitze des Ministeriums eine starke und erfahrene Persönlichkeit setzt, die die Truppe wieder aufrichtet. Es geht nicht um X- und Y-Chromosomen. Und nicht um Parteisoldaten. Inzwischen wird sogar über den SPD-Parteivorsitzenden Lars Klingbeil als möglichen Nachfolger spekuliert. Nicht nur das Land, auch die SPD braucht eine Zeitenwende: Sachkompetenz vor Quote und Funktionärsproporz!

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