Verdeckte Schulden fürs Innenministerium - Der gefährliche Ruf der SPD nach neuem Sondervermögen

SPD-Abgeordnete um Nancy Faesers Innenstaatssekretär Johann Saathoff wollen mit einem neuen Sondervermögen die Schuldenbremse und die Schranken zwischen innerer und äußerer Sicherheit aufheben. Ein gefährliches Abrissprojekt.

Bundeskanzler Olaf Scholz und Johann Saathoff bei der Frühjahrstagung der SPD-Landesgruppen, 19.04.2024 / dpa
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Autoreninfo

Ferdinand Knauß ist Cicero-Redakteur. Sein Buch „Merkel am Ende. Warum die Methode Angela Merkels nicht mehr in unsere Zeit passt“ ist 2018 im FinanzBuch Verlag erschienen.

 

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In der Ampel-Koalition, jedenfalls in ihrem grün-roten Kern, scheint mittlerweile der letzte Rest an fiskalischer Vernunft verloren zu gehen. Ja, man könnte meinen, dass manchem Minister und Bundestagsabgeordneten tatsächlich das Bewusstsein dafür abhandenkommt, was Staatsschulden und Staatsausgaben eigentlich sind und sein sollen. Aber auch im gesamten politisch-medialen Betrieb verschwimmt dieses Bewusstsein in einem großen Nebel der Aufmerksamkeitsinflationierung durch jahrelanges Hantieren mit Hunderten-Milliarden-„Rettungspaketen“ und „Sondervermögen“. 

Da hält die Empörung über einen Bundeswirtschaftsminister, dessen Ministerium die Akten über die Abschaltung der letzten Kernkraftwerke mitten in einer Energiekrise erst nach einem Prozess gegen den Cicero herausrückt und 30 Milliarden Euro in sein Subventionierungsregime für Wind und Solar steckt, nur bis zu den heutigen Bildern seines inhaltlich weitestgehend sinnlosen Besuchs in Kiew. 

Der machtlose Wächter der Haushaltsstabilität

Einen neuen Gipfel der Verantwortungslosigkeit im leichtfertigen Umgang mit dem Geld der Steuerzahler erreichen nun aber die SPD-Bundestagsabgeordneten aus Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen bei ihrer gemeinsamen Frühjahrstagung auf Norderney. Sie fordern ein neues „Sondervermögen“, welches das bald aufgebrauchte „Sondervermögen“ für die Bundeswehr ablösen soll. Dass der Bundesrechnungshof, also der machtlose Wächter der Haushaltsstabilität, explizit fordert, „Anzahl und finanziellen Umfang“ der insgesamt 29 Sondervermögen allein des Bundes zu „reduzieren“, kümmert die regierenden Sozialdemokraten nicht. Dahinter steht nicht zuletzt der Wunsch, die Schuldenbremse allmählich medial sturmreif zu schreiben, wie die Meldung aus der SPD-Partei-Postille Vorwärts kaum verschleiert klar macht.
 

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Und als ob die Etablierung des Begriff des „Vermögens“ für das genaue Gegenteil von Vermögen, nämlich Schulden, nicht schon verlogen genug wäre, fordern die SPD-Parlamentarier dann im Zusammenhang mit der „Reform“ (gemeint ist die Auflösung) der Schuldenbremse, auch noch einen „Innovations- und Stabilitätsfonds“ (mithilfe der zusätzlichen Schulden). „Stabilität“ im fiskal- und geldpolitischen Sinne meint (bisher jedenfalls) genau das Gegenteil: Verzicht auf Staatsschulden, um den Wert der Währung stark zu halten und damit auch den Staat, die Volkswirtschaft und die Gesellschaft nicht durch Inflation zu destabilisieren. 

Das ist wirklich eine politische Kommunikation nach dem Muster der „Engsoc“ in Orwells „1984“: Alle Begriffe werden in ihr Gegenteil verkehrt, damit eine mögliche Kritik an den Regierenden schon an der Unmöglichkeit ihrer Formulierung scheitern soll. So drückt man sich am effektivsten vor der Verantwortung, denn die bedeutet genau das: Antworten geben auf Fragen nach dem eigenen Handeln. Das, was der Bundesrechnungshof so bedenklich an „Sondervermögen“ findet – „Das Parlament (aber auch die Öffentlichkeit) droht den Überblick und damit auch die Kontrolle zu verlieren“ – könnte für die Forderungen danach wohl gerade das verlockendste Motiv sein.

Bruch eines traditionellen Leitsatzes

Zu denen, die das zusätzliche Superstaatsschuldenpaket namens „Sondervermögen“ fordern, gehört nicht zuletzt Johann Saathoff, der Parlamentarische Staatssekretär bei Innenministerin Nancy Faeser. Man darf wohl annehmen, dass er die Federführung bei dieser Forderung hat und wohl auch seine Chefin nichts dagegen haben wird, denn die neuen Extra-Schulden sollen zu mindestens 20 Prozent sein Ministerium bekommen. Dass Faeser und ihre Ministerialen viel vorhaben, hat sie bei ihrem denkwürdigen Auftritt mit Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang ja schon deutlich gemacht. 

Bezeichnend ist übrigens nicht zuletzt auch, dass Saathoff und Genossen in ihrem Positionspapier ihre Forderung damit begründen, äußere Sicherheit könne nicht ohne innere Sicherheit gedacht werden. Das bedeutet den Bruch eines traditionellen bundesrepublikanischen und vor allem sozialdemokratischen Leitsatzes, der das genaue Gegenteil festsetzt. Diese Beschränkung staatlicher Gewaltmittel zumindest in Friedenszeiten war aus historischer Erfahrung erwachsen. 

Wenn sie es wissen, umso schlimmer

Zur Erinnerung: Die Notstandsgesetze von 1968, die diese Trennung nur für den Kriegs- und Krisenfall einschränkten, waren ein Hauptkritikpunkt der damaligen APO, die später 68er genannt wurden. Der große Sozialdemokrat Willy Brandt, damals Außenminister, bezeichnete sie gegen APO- und FDP-Kritik als „erforderliche Vorsorgegesetzgebung“. Für die potentielle Verknüpfung der inneren mit der äußeren Sicherheit im Ernstfall ist also gesetzgeberisch schon gesorgt.

Einen gemeinsamen Schuldentopf für äußere und innere Sicherheit (also auch den Bundesverfassungsschutz) zu schaffen, der der parlamentarischen und medialen Budgetkontrolle zumindest indirekt entzogen ist, befördert nun tatsächlich die Gefahren für die Freiheit, die 1968 viele Menschen wegen völlig überzogener Befürchtungen auf die Straßen trieben. Man kann angesichts der innen- und finanzpolitischen Bedeutung ihrer Forderungen wirklich in Zweifel geraten, ob die heutigen Sozialdemokraten noch wissen, was sie tun. Wenn sie es wissen, umso schlimmer. 

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