Urteil gegen Lina E. und Mitstreiter - Kein Fußbreit den Extremisten

Das Urteil gegen die Linkextremistin Lina E. fällt milder aus als von der Anklage gefordert. Und dennoch sendet es das richtige Signal: Der Linksextremismus darf nicht verharmlost werden. Und Gewalttäter gehören weggesperrt, die braunen wie die roten.

Lina E. im Gerichtssaal / dpa
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Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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„Während ich diese Zeilen schreibe, parkt meine Freundin gerade ihr Auto um. Nicht unbedingt aus Angst, dass der Kleinwagen, kein Porsche oder Mercedes, tatsächlich brennen könnte. Es ist eher eine Vorsichtsmaßnahme. Ein bisschen so, wie man seinen Kindern rät, nicht zu nahe an den Felsvorsprung zu treten. Man weiß ja nie“, notierte ich vor sieben Jahren. Es war ein Freitag, der 7. Juli 2017. Während über unserer Kurzzeitunterkunft in Hamburg-Othmarschen ein Polizeihelikopter kreiste und immer wieder Martinshörner heulten, brannten nur eine Kurzstrecke mit der S-Bahn entfernt, in Altona, die ersten Autowracks aus.

Am Rande des G20-Gipfels in Hamburg war es zu schweren Ausschreitungen durch hunderte Linksextremisten gekommen. Wie im Rausch wurde gezündelt, geprügelt und zertrümmert. Nicht nur die Scheiben von Bankfilialen gingen zu Bruch, auch Polizisten wurden verletzt. Es gibt viele Bilder von diesen Chaosnächten in der Hansestadt. Darunter eine Videoaufnahme, die zeigt, wie Linksextremisten Molotowcocktails und sonstige Gegenstände von einem Hausdach auf Beamte werfen.

Und wer wie ich – damals grenznaiv von journalistischem Interesse getrieben – zeitweise mittendrin war in diesen Ausschreitungen, der kam gar nicht umhin, das alte Märchen von der linken Gewalt, die sich nur gegen Gegenstände, nicht aber gegen Menschen richten soll, endgültig zu beerdigen. Der Mob war los. Und wenn die Wut groß und die Bedingungen halbwegs günstig sind, hat das eben dramatische Folgen. Für eine Stadt und eventuell auch für ein ganzes Land. 

Eine Gefahr für die Gesellschaft

Warum erzähle ich das? Weil am heutigen Mittwoch der Prozess gegen die Linksextremistin Lina E. zu Ende gegangen ist. Acht Jahre Gefängnis forderte die Anklage, das sächsische Oberlandesgericht hat auf fünf Jahre und drei Monate entschieden. Das Urteil ist also milder ausgefallen als gefordert. Und dennoch setzt es ein richtiges und wichtiges Zeichen: Linksextremismus ist keine Spaßveranstaltung, sondern eine ernste Gefahr für den Rechtsstaat und die liberale Gesellschaft. Linksextremismus gehört nicht verharmlost, er gehört bekämpft. 
 

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Die Angeklagte, die Linksextremistin Lina E., soll die Rädelsführerin einer kriminellen Vereinigung gewesen sein, die, so der Vorwurf der Bundesanwaltschaft, zwischen 2018 und 2020 Menschen aus der rechten Szene in Leipzig, Wurzen und Eisenach teils erst ausgiebig ausgespäht und anschließend brutal zusammengeschlagen hat. Die Opfer erlitten teilweise Knochenbrüche und schwerste Kopfverletzungen, herbeigeführt durch Schläge, Tritte, Schlagstöcke, mindestens einmal kommt ein Hammer zum Einsatz. 

Ein Opfer erinnert sich laut Deutschlandfunk: „Das waren keine normalen Schläge, die müssen kampfsporterfahren gewesen sein. Das schließe ich daraus, dass normalerweise gegen Kopf und Gesicht geschlagen wird. Hier wurde zuerst gezielt auf die Kniescheiben losgegangen. Als ich dann auf dem Boden lag, wurde Pfefferspray eingesetzt. Dann sagte einer: ‚Auf den Kopf treten, ihr sollt auf den Kopf treten.‘ Das ist dann auch passiert.“ Drei mitangeklagte Männer im Alter von 28 bis 37 Jahren wurden zu Haftstrafen zwischen zwei Jahren und neun Monaten sowie drei Jahren und neun Monaten verurteilt. 

Ich kann den Rauch der Autowracks schon riechen

Die Taten bewegten sich im Grenzbereich zum Linksterrorismus, und mindestens ein Angriff komme einem versuchten Tötungsdelikt recht nahe, so Oberstaatsanwältin Alexandra Geilhorn laut Spiegel. Damit ist die Sache eigentlich klar: Wer derart gewaltbereit ist, Menschen verletzt und dafür mitunter auch den Tod der Opfer in Kauf nimmt, gehört weggesperrt. Und da spielt es auch keine Rolle, ob es sich bei den Opfern selbst um Menschen handelt, die ideologisch irgendwo komplett falsch abgebogen sind; um Neo-Nazis und Rechtsextremisten. Müßig, das überhaupt betonen zu müssen.

Doch vor dem Gerichtssaal kommt es zu Solidaritätsbekundungen. Und ein Blick in die sozialen Medien zeigt: Wo die vermeintlich richtige Gesinnung ihre hässliche Fratze offenbart, sind die Verharmlosungen nicht weit. Auf Twitter trendet am Mittwoch der Hashtag #FreeLinaE. „Vollste Solidarität mit Lina und ihren Genoss*innen“ heißt es da unter anderem. Oder auch: „Während Lina E. zu fünf Jahren und drei Monaten verurteilt wurde, ist der Waffenbeschaffer der NSU wieder (2018-2020) auf freien Fuß, und das nach knapp zwei Jahren.“ Als würde das eine irgendwas über das andere aussagen. Als würde das linksextremistische Selbstjustiz irgendwie besser machen. 

Eine Gruppe prügelt also Menschen halbtot und wird dafür nicht nur in Schutz genommen, sondern von Einzelnen sogar gefeiert. In der linken Szene wurde bereits zu Demonstrationen für Lina E. und ihre Mitschläger aufgerufen, für heute und für das kommende Wochenende. Sicherheitsbehörden befürchten Ausschreitungen und wollen mit einem Großaufgebot der Polizei gerüstet sein. Die Stadt Leipzig, deren Stadtteil Connewitz eine Hochburg der radikalen Linken ist, hat für das kommende Wochenende das Versammlungsrecht eingeschränkt. Von einem „Tag X“ ist in der Szene die Rede. Und ich kann den Rauch der Autowracks schon riechen. 

Mit dem Totschläger auf den Kopf geprügelt

Während in Dresden das Urteil nun gesprochen ist, kommt es in Budapest übrigens zu Szenen, die womöglich mit Lina E. zusammenhängen. Genauer: mit ihrem untergetauchten Freund, Johann G., einer laut Spiegel herausragenden Persönlichkeit der linken militanten Szene. In der ungarischen Hauptstadt kam es zuletzt zu einer Anschlagsserie, berichtet die Budapester Zeitung, durchgeführt von Vermummten, die wohl gezielt Jagd auf Menschen anhand deren Kleidung machen; sie zum Abschuss freigeben, weil sie vermuten, es könnte sich um Rechtsextremisten handeln.

Videoaufnahmen zeigen etwa, wie eines der Opfer von zwei Angreifern fixiert wird, um sich nicht wehren zu können. Dann schlägt ein Dritter mit einem Schlagstock auf den Kopf des Opfers ein. Bei dem Mann mit dem Totschläger soll es sich, berichtet die Zeitung, nach neuesten Erkenntnissen um Johann G. handeln. Der Blutrausch geht also weiter, auch ohne Lina E. 

Ob rot oder braun

In der Bundesrepublik wird, nicht zu unrecht, viel gesprochen über die Gefahr des Rechtsextremismus. Allerdings ist der in den staatlichen Institutionen und bei den etablierten Parteien, so deutlich muss man das leider sagen, aber auch nicht derart anschlussfähig wie es der Linksextremismus ist. Und schon gar nicht wird er derart verharmlost, weil manche Wirrköpfe glauben, der Zweck heilige die Mittel, heilige auch den Angriff mit dem Hammer, rechtfertige auch den Tod des Opfers. z

Dass etwa die Grenzen zwischen Parteien wie den Grünen und der SPD zum Linksradikalismus fließend sind, vor allem, was die Jugendorganisationen der Parteien betrifft, ist ein gewaltiges Problem. Von dort aus ist es zum Linkextremismus dann nicht mehr allzu weit. Obendrauf kommt noch eine amtierende Bundesinnenministerin, Nancy Faeser nämlich, die kurz nach Amtsantritt bereits in der Kritik stand, weil sie einen Gastbeitrag in einem Antifa-Magazin veröffentlicht hat. Die redete sich damals erfolgreich raus, als wäre derlei auch nur irgendwie normal gewesen. War es nicht. 

Nein, man darf die Augen nicht verschließen vor der Gefahren durch den Rechtsextremismus. Genauso wenig darf man sie aber verschließen vor den Gefahren durch den Linksextremismus. Wo sich die Feinde der Demokratie, wie auch immer sie aussehen mögen, im Gewaltrausch auf- und breitmachen, da muss der Rechtsstaat handeln; volles Rohr, wenn Sie mich fragen. Lieber acht Jahre Knast, aber fünf Jahre und drei Monate für Lina E. tun es vielleicht auch. Kein Fußbreit den Extremisten, den roten wie den braunen. 

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