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Gerda Hasselfeldt - Still und heimlich an den Tisch von Strauß

Wenn sich Platzhirsche blockieren, gewinnt Gerda Hasselfeldt. Auch so kommt man in der CSU nach oben

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Hartmut Palmer ist politischer Autor und Journalist. Er lebt und arbeitet in Bonn und in Berlin.

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Die Kellnerin stellte energisch das Tablett mit den Biergläsern ab und sagte: „Des könnt’s doch ned machen.“ Die Herren schauten verdutzt drein. Sie saßen im „Gasthaus ­Rainer“ und wollten gerade die Ortsgruppe der Jungen Union auflösen. Zu wenig Interesse, zu wenig aktive Mitglieder – sogar im tiefschwarzen niederbayerischen Haibach drohte der CSU-Nachwuchsorganisation im Frühjahr 1968 das Aus.

Da mischte sich die Gerda ein. Erzürnt wie eine bayerische Seeräuber-Jenny stand die Tochter des Wirts bei ihren Gläsern: „Des könnt’s doch ned machen. Dann ham die Jungen überhaupt nix mehr zum sog’n.“ Betretenes Schweigen. „Ja, wann du scho so gscheit daherredst, dann machst des doch du“, sagte einer. Und sie sagte tapfer: „Ja, dann mach’s halt ich!“ So kam es, dass Gerda Hasselfeldt, die damals noch Gerda Rainer hieß, mit 17 Jahren die Junge Union von Haibach vor der Auflösung bewahrte und ihr erstes politisches Amt übernahm.

Heute sitzt sie im Bundestag, Jakob-Kaiser-Haus, Blick auf die Spree. Und sie arbeitet am begehrtesten Möbelstück, das die CSU zu vergeben hat. Jeder, der es hierhin schaffte, wurde später mindestens Minister: Franz Josef Strauß, der den Schreibtisch aus rötlichem Holz einst in Bonn erwarb, Friedrich Zimmermann, ­Richard Stücklen, Hermann Höcherl, Theo Waigel, Michael Glos, Peter Ramsauer, Hans-Peter Friedrich. Für Hasselfeldt aber ist dieser Schreibtisch keine Zwischenstation, sondern ein Traum, den sie nie zu träumen wagte und deshalb auch nicht geträumt hat. Als Vorsitzende der CSU‑Landesgruppe redet sie überall mit und wird frühzeitig in alle wichtigen Vorhaben und Projekte der Regierung und der Fraktion eingeweiht.

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„An der Spitze der Landesgruppe ist man schon ziemlich einflussreich,“ sagt sie untertreibend. Einflussreicher jedenfalls, als viele Kabinettsposten, das Scharnier zwischen CDU und CSU. Fünf ehrgeizige CSU‑Männer, darunter CSU‑Generalsekretär Alexander Dobrindt, balgten sich um das Amt, als Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich im März vorigen Jahres Innenminister wurde. „Es drohte ein fürchterliches Hauen und Stechen zu werden“, erinnert sich Peter Ramsauer. Erst als er vorschlug, Gerda Hasselfeldt zu nehmen, „da war plötzlich Ruhe im Karton“.

So war es eigentlich immer. Gerda Hasselfeldt wurde alles, was sie bisher war, weil andere sich entweder gegenseitig blockierten oder nicht mehr wollten: In den Bundestag kam sie 1987 als Nachrückerin über die Landesliste, weil CSU‑Chef Strauß keine Lust mehr hatte, in Bonn nur Zweiter unter Helmut Kohl zu sein. Das Bauministerium übernahm sie zwei Jahre später, weil Oscar Schneider hingeschmissen hatte, und Theo Waigel meinte, eine CSU‑Frau müsse ins Kabinett. Gesundheitsministerin wurde sie 1991, als Kohl das Ministerium für Familie, Frauen, Jugend und Gesundheit aufgespalten und sein „Dreimädelhaus“ gebastelt hatte: Familie und Jugend für Hannelore Rönsch, Gesundheit für Hasselfeldt, und Frauen für die damals noch völlig unbekannte Angela Merkel.

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Merkel stieg auf, Hasselfeldt nicht. Ihr Blitzstart endete schon ein Jahr später mit einer Bruchlandung. Unter dem Ansturm der Lobbyisten aus Pharmaindustrie und Versicherungswirtschaft brach die junge CSU‑Gesundheitsministerin buchstäblich zusammen. Eine angebliche Spionage­affäre, in die einer ihrer engsten Mitarbeiter verwickelt war, kam hinzu. Zermürbt und gesundheitlich angeschlagen trat sie zurück und verschwand erst einmal in der Versenkung. Horst See­hofer wurde ihr Nachfolger.

In den wenigen Jahren als Ministerin sind ihre einst dunklen Haare erst grau, dann weiß geworden. Sie arbeitete zäh und fleißig weiter, kümmerte sich um Verkehrspolitik, um Arbeit und Soziales und zum Schluss um die Finanzen. 2009 holte ­Merkel sie in ihr Schattenkabinett, aber nach dem Wahlsieg wurde sie auf den Platz der Bundestagsvizepräsidentin weggelobt.

Sie fand es in Ordnung: „Man kann eine Karriere nicht von Anfang an planen“, sagt sie. „Meine Devise war immer: Das Amt kommt zum Mann oder zur Frau.“ Andere in der Union sehnen sich danach, einmal als Bundesminister oder Ministerpräsident von den Scheinwerfern angeleuchtet zu werden und mit knalligen Sätzen den Lauf der Dinge zu bestimmen. Hasselfeldt ist ein anderer Typ. Sie ist auf andere Art mächtig: moderierend, still.

Sie kennt ja das Gebahren der balzenden Auerhähne in der Politik von Jugend an. Ihr Vater, Alois Rainer, war nicht nur Gastwirt und Metzger in Haibach, sondern 30 Jahre lang CSU‑Bürgermeister und 18 Jahre Bundestagsabgeordneter in Bonn – ein Patriarch. Fünf Töchter, dann erst kam der Stammhalter. Die Mädels mussten in der Schankstube helfen, aber „von Frauen in der Politik hat mein Vater eigentlich nicht so viel gehalten“. Sie sollten lieber still sein, wenn die Männer politisierten oder Schafkopf spielten. Das änderte sich erst, als sie selbst in den Bundestag kam. Da war er stolz auf die Tochter.

Gefördert aber hat sie ein anderer Mann, Walter Rietschl hieß er, war auch in der CSU und Lehrer. Er nahm sie ernst. Bei ihm habe sie zu argumentieren gelernt, und sich aufgehoben gefühlt. „Mit ihm konnte ich auch kontrovers diskutieren, ohne gleich in eine bestimmte Ecke gestellt zu werden.“ Ohne den Rietschl, da ist sie sicher, hätte „ich mich damals, im Frühjahr 1968, bestimmt nicht getraut, bei der Jungen Union den Mund aufzumachen.“ 

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