SPD-Vorsitz - Glamour für die Genossen

Die Sozialdemokraten tun sich schwer bei der Suche nach einer neuen Führung. Dabei könnten sie doch personell aus dem Vollen schöpfen. Wir zeigen die aussichtsreichsten Kandidaten

Bei dem Wettstreit um den SPD-Vorsitz ist kein Ende in Sicht. Dabei hätte die Partei genug Leute in der Hinterhand / picture alliance
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Eines kann man der SPD nicht vorwerfen: Dass sie es sich selbst leicht macht. Und ihren Parteivorsitzenden erst recht nicht. Man muss schon ein echter Polit-Profi sein, um nur die Namen aller SPD-Chefs seit dem Abgang von Gerhard Schröder aufzählen zu können. Jetzt ist es also wieder einmal so weit, bis zum 1. September sind tapfere Genossinnen und Genossen dazu aufgerufen, sich zu melden, wenn sie sich „das schönste Amt neben dem Papst“ (Franz Müntefering) zutrauen. Am liebsten gesehen wäre eine Paar-Konstellation – Michael Roth und Christina Kampmann, Karl Lauterbach und Nina Scheer sowie Simone Lange und Alexander Ahrens sind bereits mit gutem Beispiel vorangegangen. Das Problem ist nur: So richtig bekannt sind diese Kandidaten selbst unter Genossen nicht. Zuletzt wagte sich etwa der Unternehmer Robert Maier hervor. Dabei hätte die SPD genügend Leute in der Hinterhand, um es endlich mal wieder richtig krachen zu lassen. Hier ein paar Vorschläge.

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Angela Merkel: Kritikaster mögen einwenden, die Bundeskanzlerin sei ja gar nicht in der SPD. Dem kann man nur entgegnen, dass Merkel auch nie wirklich in die CDU eingetreten ist: Zur Union kam die einstige Pressesprecherin des „Demokratischen Aufbruchs“ (DA) durch die Fusion des DA mit der CDU im Jahr 1990. Und weil Merkel der SPD in den letzten Jahren bekanntlich alle Themen geklaut hat (so behaupten es zumindest die Sozialdemokraten), wäre es nur recht und billig, wenn die Kanzlerin sich jetzt in schwieriger Lage bereit erklärt, auch deren Führung zu übernehmen. Erfahrung mit solchen Ämtern hat sie ja zur Genüge. Deswegen braucht sie auch keinen Ko-Vorsitzenden.

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Michelle & Franz Müntefering: Michelle (!) & Barack Obama, Hillary & Bill Clinton, Nancy & Ronald Reagan – die Amerikaner kennen sich aus mit politischen Power-Couples. Warum also sollte die SPD auf solch ein Erfolgsmodell verzichten? Außerdem fließt bei den Münteferings noch so richtig sozialdemokratisches Blut durch die Adern. Er selbst war schon einmal SPD-Chef (und zwar nicht der schlechteste), sie vertritt ihre Partei als Staatsministerin im Auswärtigen Amt. Auch von Vorteil: Beide stammen aus dem sozialdemokratischen Heartland NRW. Und ihr Altersunterschied ist noch dazu groß genug, um für unterschiedliche Wählergruppen attraktiv zu sein.

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Michael Müller & Sandra Scheeres: Okay, die kennt man auch nicht wirklich. Aber sie kommen aus Berlin und haben deshalb immerhin kurze Wege ins Willy-Brandt-Haus. Müller arbeitet in der Hauptstadt als Regierender Bürgermeister, Frau Scheeres versucht sich dort seit vielen Jahren als Bildungssenatorin. Beide übrigens mit frappierender Erfolglosigkeit. Die Erwartungen der Genossen wären also entsprechend niedrig, Enttäuschungen können so vermieden werden. Und weil nicht wenige behaupten, dass die SPD früher oder später sowieso jeden ihrer Vorsitzenden zu Hackfleisch verarbeitet, wäre es womöglich ratsam, jene an die Front zu schicken, die man sowieso am liebsten los wäre. Aus einer klassischen Lose-lose- könnte unversehens eine Win-win-Situation werden.

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Katharina Saalfrank & Thilo Sarrazin: Kann sich noch jemand an die „Super Nanny“ erinnern? Ganz genau, das war die Fernseh-Pädagogin, die bei RTL immer dysfunktionale Familien wieder zusammengeführt hat. Und wie der Zufall es will, ist Katharina Saalfrank offenbar tatsächlich Mitglied in der SPD. Dort hätte sie jede Menge Möglichkeiten, um ihre integrativen Fähigkeiten zum Wohle der Partei auszuspielen. Wahrscheinlich braucht es auch einen eher versöhnlich gestimmten Charakter, um mit Thilo Sarrazin als Ko-Vorsitzendem zurecht zu kommen. Der ist bekanntlich das Enfant terrible der SPD, ein bisschen professionelles Coaching kann da nie schaden. Aber Sarrazin hätte eben seinerseits wiederum das Potential, wütende (Ex)-Genossen in den Schoß der Familie zurückzuholen, die durch ein Übermaß an politischer Korrektheit vertrieben wurden. Eine riskante Paarung mit erheblichem Potential.

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Roland Kaiser & Katja Ebstein: Roland Kaiser ist ein sympathischer Typ, alle mögen seine Lieder. Noch dazu ist der aus Berlin stammende Schlagersänger seit 2002 Mitglied der SPD und hat schon Gerhard Schröder erfolgreich im Wahlkampf unterstützt. Eine Doppelkandidatur mit Katja Ebstein, die für die SPD sogar in der letzten Bundesversammlung an der Wahl des Bundespräsidenten teilgenommen hat, wäre wirklich eine Traumkonstellation. Zumal auch die Boulevardpresse endlich mal wieder ausführlich über die deutsche Sozialdemokratie berichten würde. Und jetzt mal ganz ehrlich: Allein Roland Kaiser hat in seinem Leben mehr als 90 Millionen Tonträger verkauft. So einer kommt doch an bei den Leuten! Außerdem vermitteln die Lieder von Ebstein & Kaiser statt der üblichen SPD-Tristesse noch echte Zuversicht: „Alles ist möglich“ (Kaiser) oder „Kopf hoch“ (Ebstein). Das ist genau der Groove, den die Sozialdemokraten jetzt brauchen.

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Ralf Stegner & Senta Berger: Ralf Stegner, der große sozialdemokratische Hoffnungsträger aus dem hohen Norden, traut sich (wahrscheinlich völlig zurecht) alles zu. Dass die Wähler das bisweilen anders sehen, liegt natürlich nicht an Stegners mangelndem politischen Talent. Sondern einzig und allein daran, dass er immer so dreinblickt, als hätte er gerade eine überfahrene Katze gefrühstückt. Dafür kann er aber nichts, und weil die SPD die Partei der Chancengerechtigkeit ist (oder zumindest sein sollte), hat Ralf Stegner einen Platz an der Sonne verdient. Natürlich droht der Partei damit ein Ebenezer-Scrooge-Imageproblem, aber dagegen hilft ja die Ko-Vorsitzende Senta Berger („Als die Frauen noch Schwänze hatten“). Wie Katja Ebstein saß auch Berger für die SPD schon mal in der Bundesversammlung, vor allem aber gehört sie zu den beliebtesten Schauspielerinnen des Landes. Stegners Geist und Bergers Charme, das klingt nach einer verlockenden Mischung. Als Wahlkampf-Slogan könnte sich das SPD-Duo den Titel eines Senta-Berger-Films aus dem Jahr 1964 wählen: „Volles Herz und leere Taschen“.

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Kevin Kühnert & Gesine Schwan: Vor zwei Monaten hätte man diese Paarung als Kandidaten für den Parteivorsitz noch für einen Witz gehalten. Aber er stammt von Gesine Schwan persönlich, deren größte politische Leistung bisher darin bestand, zwei Mal bei der Wahl zur Bundespräsidentin durchgefallen zu sein. Ansonsten wird die einstige Vorsteherin der Europa-Universität in Frankfurt/Oder gern als Zweitbesetzung für Talkshows gebucht. Und dort hat sie ja auch stets allerhand zu sagen. So wie unlängst im Deutschlandfunk, als sie sich als running mate von Juso-Chef Kevin Kühnert ins Spiel brachte. Der war zwar vorher nicht von ihr gefragt worden, aber hey: Wer wird schon nein sagen, wenn Gesine Schwan mit einem gemeinsam die SPD retten will? Außerdem wird Kühnert von führenden Genossen stets als eines der größten Talente in der Partei abgefeiert. Dass es nach jedem Aufschlag des Ober-Jusos wieder ein paar Prozentpunkte nach unten geht, ist nicht so wichtig. Viva el Socialismo!

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