Sondierungsgespräche zur Regierungsbildung - Flehen um Macht

An diesem Dienstag sind CDU/CSU und Grüne zusammengekommen, um über eine mögliche Regierungskoalition zu sprechen. Während Armin Laschet und Markus Söder die Bittsteller gaben, zeigten sich Robert Habeck und Annalena Baerbock deutlich reservierter. Ein Sondierungs-Sieg der SPD wäre wohl auch eine Erlösung für die Union.

Robert Habeck, Armin Laschet, Annalena Baerbock und Markus Söder nach den ersten Sondierungsgesprächen am Dienstag / dpa
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Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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Der FDP-Politiker Johannes Vogel ist sauer – auf die Union. Denn während die Sondierungsgespräche zwischen den Liberalen und der SPD, ebenso wie jene zwischen SPD und den Grünen, hinter gut verschlossenen Türen stattfanden, wurde das ein oder andere Detail aus den schwarz-gelben Sondierungsgesprächen der Presse gesteckt. „Das fällt auf, liebe Union – und es nervt!“, twitterte der stellvertretende Vorsitzende der FDP deshalb jüngst. 

Der Vorgang ist aus zwei Gründen bemerkenswert. Zum einen, weil es für Beziehungen, auch politische, eher schlecht ist, wenn ein möglicher Partner noch beim Anbandeln durchblicken lässt, dass er es nicht so genau nimmt mit der Vertraulichkeit. Zum anderen, weil es die Union als großer Wahlverlierer eigentlich vermeiden sollte, unnötig Ärger zu machen. Vorausgesetzt, sie will tatsächlich noch regieren – und das Durchstechen von Informationen war kein strategischer Schachzug, um dem Neustart als Oppositionspartei einen Schritt näher zu kommen. 

Söder gibt den Philosophen

Zumindest von den Verhandlungsführern auf Unionsseite, Armin Laschet und Markus Söder, lässt sich das nicht behaupten. Beide hoffen weiterhin auf Regierungsverantwortung ihrer Partei in der kommenden Legislaturperiode und trafen sich deshalb am Dienstagvormittag zu Sondierungsgesprächen mit den Grünen. Bereits am frühen Nachmittag folgten erste Statements vor der versammelten Hauptstadtpresse. Allerdings, wie zu erwarten war, ohne eine finale Entscheidung, wie es zwischen Union und Grünen weitergeht.  

Aufschlussreich war dieser kurze Auftritt trotzdem. Unter dem grauen Himmel Berlins wurde einmal mehr deutlich, dass die Union im Sondierungs-Poker die deutlich schlechteren Karten hat. Während sowohl Armin Laschet als auch CSU-Chef Markus Söder betonten, dass sie gerne weitere Gespräche mit den Grünen führen würden, wirkten Annalena Baerbock und Robert Habeck deutlich reservierter. „Zur Verantwortung gehört Verlässlichkeit und Vertrauen. In diesem Sinne haben wir in den letzten Tagen unsere Gespräche geführt“, sagte Baerbock. Und Habeck sprach davon, dass mögliche Schnittmengen mit der Union „austariert“ worden seien. 

Bei der Union klang das anders, weniger sachlich, ein bisschen flehend gar. Söder begab sich dafür auf fast philosophisches Terrain und wertete das Sondierungsgespräch mit den Grünen als „vom Willen geprägt, zu erkunden, wo eine gemeinsame Basis ist, welche Brücken man gemeinsam beschreiten kann, wie weit die Wege sind und wie stabil die Pfeiler, auf denen dieser Weg zurückgelegt werden sollte“. Und Laschet sagte: „Wir glauben, dass ein solches Bündnis eine Breite in der Gesellschaft hat, die es wirklich möglich macht, dieses Land in den nächsten Jahren zu modernisieren und voranzubringen.“ Aber natürlich, so Laschet, sei es nun an den Grünen und der FDP, zu entscheiden, wie es weitergeht. 

SPD mit den besseren Karten

Wer so spricht, der führt selbstredend keine Verhandlungen auf Augenhöhe. Wer so spricht, der hofft auf Macht von grün-gelber Gnaden. Insofern war diese Presseerklärung einmal mehr ein deprimierender Auftritt einer ehemals breitbrüstigen Union, die nach 16 Jahren Angela Merkel binnen einer Wahl vom Entscheider zum Bittsteller degradiert wurde. 

Zwei Tage wollen sich Grüne und FDP nun Zeit nehmen, um die Sondierungsgespräche Revue passieren zu lassen. Dann soll entschieden werden, wie es weitergeht. Klar ist daher, Stand heute, nur: Die SPD hat nach wie vor die deutlich besseren Karten. Und der Gedanke drängt sich auf, dass der zügige Beginn von Koalitionsverhandlungen zwischen Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen nicht nur ein Sieg für die SPD wäre – sondern auch eine Erlösung für Armin Laschet und Markus Söder. Und damit für die gesamte Union.

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