Sofortprogramm der Grünen - Der Klimaabsolutismus

Das Sofortprogramm der Grünen zeigt, was Baerbock und Habeck wollen: den Umbau der freiheitlichen Republik zu einer Klimabürokratie. Sie sind damit schon erschreckend weit gekommen. Die anderen Parteien müssen endlich aufwachen und sich dem Wahlkampf stellen.

Robert Habeck und Annalena Baerbock gehen in die Offensive. / dpa
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Eines muss man den Grünen lassen: Sie gehen mit voller Wucht in die Wahlkampfoffensive. Das „Klimaschutz-Sofortprogramm“, das Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock und ihr Co-Spitzenkandidat Robert Habeck am Dienstag in einem brandenburgischen Naturschutzgebiet vorgestellt haben, hat es in sich. Sie fordern darin, den Kohleausstieg auf 2030 vorzuziehen, den Bundesländern verbindliche Vorgaben zum Windkraftausbau zu machen und ein Klimaschutzministerium einzuführen.

„Es gibt ein Umweltministerium, das ist für alles Gute zuständig. Und dann gibt es ein Wirtschaftsministerium, was die ganzen Jahre immer nur nein sagt, weil es unionsgeführt ist“, begründet Baerbock, warum die bisherige Ressortaufteilung unbefriedigend sei. Das Nein-Sagen soll stattdessen Sache des dann wohl Grünen-geführten Klimaministeriums werden. „Dieses Ministerium wird zusätzlich mit einem Veto-Recht gegenüber den anderen Ressorts ausgestattet, sollten Gesetze vorliegen, die nicht Paris-konform sind“, kündigt die Ökopartei in ihrem Sofortprogramm an.

Von demokratischen Petitessen nicht aufhalten lassen

Mit einem solchen Veto-Recht würde die Einhaltung des Pariser Klima-Abkommens endgültig zum wichtigsten Staatsziel, das alle anderen Belange in den Schatten stellt. Einen kühnen und unter Staatsrechtlern umstrittenen Schritt in diese Richtung hat bereits das Bundesverfassungsgericht unternommen. Mit dem Karlsruher Klimabeschluss werden die Entscheidungsspielräume des Gesetzgebers empfindlich verengt. Ein Klimaministerium mit Vetorecht würde dies noch auf die Spitze treiben.

Aus Sicht der Grünen ist eine solche Forderung folgerichtig. Wer die Rettung des Planeten zur drängendsten Aufgabe der deutschen Regierung erklärt, kann sich von demokratischen Petitessen nicht aufhalten lassen. Bei allen anderen Parteien sollten die Alarmglocken schrillen.

Es werden in der kommenden Legislaturperiode harte Herausforderungen auf die Bundesregierung zukommen. Ein vollkommen aus dem Ruder gelaufenes Rentensystem, gewaltiger Nachholbedarf bei der Digitalisierung und die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise werden sie dazu zwingen, den Klimaschutz als ein Problem von mehreren zu betrachten.

Aufgabe der Politik ist es, einen klugen Ausgleich zwischen verschiedenen, einander teils widersprechenden Zielen zu finden und nicht ein Ziel über alle anderen zu stellen. Der Klimaabsolutismus der Grünen ist mit einem freiheitlich-demokratischen System schwer zu vereinbaren.

Volle Kraft in Richtung Planwirtschaft

Kritisch zu hinterfragen ist das Klima-Sofortprogramm aber auch dort, wo es konkreter wird. Denn es führt den bereits eingeschlagenen Weg eines radikalen Umbaus der deutschen Stromversorgung, der industriellen Produktion und des Individualverkehrs konsequent fort. Die Grünen setzen dabei allerdings nicht auf den freien Wettbewerb der Ideen, auf Tüftlergeist und Innovationsfreude, sondern wollen der Wirtschaft vorschreiben, wohin die Reise geht.

Das zeigt sich ganz besonders bei der Energiewende, die auch deshalb ins Stocken geraten ist, weil sie viel zu planwirtschaftlich und zu wenig wettbewerbsgetrieben angegangen worden ist. Doch statt sich dies einzugestehen, wollen die Grünen den Irrweg noch offensiver fortsetzen. Koste es, was es wolle. Sie kündigen eine Ausbauoffensive für Solar- und Windkraft an. Und als neues Wundermittel soll „grüner Wasserstoff“ alle anderen Energieprobleme lösen.

Windkraft geht vor Artenschutz

Die wachsenden Widerstände gegen den Windkraftausbau wollen sie durch ein „eigenes Genehmigungsrecht für Windkraft an Land“ schwächen. Bisher ist der Natur- und Artenschutz das größte genehmigungsrechtliche Hindernis beim Bau neuer Anlagen. Eigentlich waren dies einmal Kernthemen der Grünen. Doch dazu schreiben sie nun: „In diesem Zusammenhang minimieren wir auch den Konflikt zwischen Klima- und Artenschutz durch eine Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens, u.a. durch Vereinheitlichung und Vereinfachung der notwendigen Naturschutzgutachten“.

Im Klartext: Windkraft soll künftig vor Artenschutz gehen. Zur Beruhigung aufgebrachter Naturfreunde versprechen die Grünen immerhin noch ein „umfangreiches Vogel- und Fledermausschutzprogramm“.

Klimafreundliche Kernkraft bleibt das große Tabu

Am wohlfeilsten ist das Baerbock/Habeck-Programm beim Thema Kohle. „Die Kohleverstromung ist die klimaschädlichste Energieerzeugungsform und zugleich stehen hier bereits vollumfänglich Alternativen bereit. Daher werden wir den Kohleausstieg auf 2030 vorziehen“, kündigen sie vollmundig an. 

Doch die „vollumfänglichen Alternativen“ sind nirgends in Sicht. Eine rund um die Uhr und zu jeder Jahreszeit verlässliche Stromversorgung ist auf gesicherte Leistung aus konventionellen Kraftwerken angewiesen. Windkraft und Solarstrom können das selbst dann nicht leisten, wenn alle Ausbauziele des Grünen-Programms erreicht werden. Da die sehr klimafreundliche Kernkraft für die Grünen ein großes Tabu ist, bleiben nur Gaskraftwerke als Backup-Lösung übrig. Sie könnten irgendwann einmal auch mit Wasserstoff, der zuvor mit überschüssigen Ökostrom hergestellt wurde, betrieben werden.

Nur: Solche Gaskraftwerke, die Deutschland angesichts des bald vollendeten Atomausstiegs dringend brauchen würde, will niemand bauen. Es rechnet sich nicht, sie nur bei Bedarf als Backup für Wind- und Solaranlagen zu betreiben. Zudem schrecken Geldgeber angesichts der sich ständig ändernden energiepolitischen Rahmenbedingungen vor einer solchen langfristigen Investition in Deutschland zurück. Ein grüner Klimaminister mit Vetorecht würde dieses Problem wohl eher noch verschärfen.

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