Söders Spiel um die Kanzlerkandidatur - Das größere Ego zieht den Kürzeren

Der vermeintliche Machtkampf um die Kanzlerkandidatur geht in die nächste Runde. Doch gibt es wirklich noch jemanden, der daran glaubt, dass Söder das Rennen machen wird? Um die Macht geht es ihm jetzt wohl nicht mehr, sondern um Rache aus gekränkter Eitelkeit.

Laschet und Söder im Rennen um die Kanzlerkandidatur / dpa
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Rechnet noch jemand damit, dass Markus Söder tatsächlich Kanzlerkandidat wird? Glaubt ernsthaft jemand daran, dass er selbst noch daran glaubt, die CDU würde ihm diese Rolle übertragen? Zumal jetzt, wo Präsidium und Vorstand der Partei sich offenbar ziemlich eindeutig hinter Armin Laschet versammelt haben? Man kann dem bayerischen Ministerpräsidenten vieles vorwerfen, aber ganz bestimmt keine politische Naivität. Der CSU-Chef weiß ganz genau, dass die Sache für ihn gelaufen ist.

Söders Affentanz 

Die Frage ist nur: Warum veranstaltet er dann seit gestern diesen Affentanz? Wo Söder sich doch erst vor zwei Tagen klar darauf festgelegt hat, er werde eine Nominierung Laschets durch dessen Partei „ohne Groll“ akzeptieren? Denn natürlich wusste der bayerische Ministerpräsident auch, dass der CDU kaum eine andere Wahl bleiben werde, als ihren neuen Vorsitzenden zum Kanzlerkandidaten zu küren. Alles andere wäre einer Kapitulationserklärung, einer Selbstverzwergung gleichgekommen – und Armin Laschet stünde nach drei Monaten an der Spitze der Christdemokratischen Union als Witzfigur da.

Aber Laschet hat nach den Gremiensitzungen am gestrigen Montag womöglich einen entscheidenden taktischen Fehler begangen: Er ging in die Pressekonferenz und rief sich dort praktisch selbst zum Kanzlerkandidaten aus. Und zwar, ohne vorher Rücksprache mit Söder gehalten zu haben. „Meine Kandidatur, mein Amtsverständnis vom Amt des Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland ist ein europäisches“, sprach er da – ganz so, als wäre die Sache damit klar. War sie aber nicht. Denn in München fühlte sich offenbar jemand übergangen. Und Söders Eitelkeit, seine Egomanie sollte man nie unterschätzen. Aus seiner Sicht muss Laschets Satz, der so klang, als würde er schon bald ins Kanzleramt einziehen, nicht nur eine Unbotmäßigkeit gewesen sein. Sondern eine Provokation.

Ambivalente Kandidatenkür 

Im Laschet-Lager hatte man Söder am Sonntag so verstanden, als habe dieser dem NRW-Ministerpräsidenten eine Brücke gebaut nach dem Motto: Der CSU-Chef will mit seiner Bereitschaft zur Kandidatur lediglich nochmal klar machen, dass er sich die Kanzlerschaft zutraut, um in den Freistaat und in seine eigene Partei hinein ein Signal der Stärke zu senden. Und um nach einer möglichen Wahlniederlage Laschets selbst umso heller zu strahlen als von der Schwesterpartei verschmähte politische Lichtgestalt.

So war es ja ursprünglich auch gedacht. Nur hätte das Prozedere der Kandidatenkür aus bayerischer Sicht eben doch ein bisschen anders aussehen sollen. Zumindest hätte Söder dem „Armin“ auch offiziell seinen Segen geben wollen. Stattdessen marschierte der vor die Fernsehkameras und vermittelte dort den Eindruck, die Kanzlerschaft sei ihm nicht mehr zu nehmen. Auch Laschets gestrige kurze Grundsatzrede über die Zukunft Deutschlands und Europas musste genau so verstanden werden.

Wie bei der Mafia 

Söders Rache folgte auf dem Fuße: Jetzt tut der Bayern-MP so, als wäre die Sache noch längst nicht entschieden. Plötzlich werden von ihm und seinen Getreuen wieder explizit Laschets derzeit schlechte Umfragewerte ins Feld geführt, und es wird der Eindruck vermittelt, als müsse mindestens noch die Unionsfraktion befragt werden – wenn nicht sogar alle Mitglieder von CDU und CSU. Zumindest letzteres ist fünf Monate vor der Bundestagswahl so realistisch wie der Übertritt des Papstes zum Protestantismus. Niemand mit einem Rest an politischem Verstand würde sich jetzt noch auf ein solches Himmelfahrtskommando einlassen; wahrscheinlich nicht einmal der Berliner Landesverband der CDU.

Aus gekränkter Eitelkeit eines Markus Söder (aber auch wegen eines abermaligen Fauxpas von Armin Laschet) stehen die Unionsparteien jetzt also wieder als zerstrittener Haufen da. Zumindest Söder scheint dies billigend in Kauf zu nehmen, denn seine Divenhaftigkeit ist noch größer als sein politischer Instinkt: Niemand erklärt einen nordrhein-westfälischen CDU-Politiker zum Kanzlerkandidaten der Union, ohne dass in diesem Moment der bayerische Ministerpräsident generös lächelnd daneben steht. Schon gar nicht der nordrhein-westfälische CDU-Politiker selbst. Es ist ein bisschen wie bei der Mafia: Wenn der Pate vorher nicht gefragt wurde, gibt’s mächtig Ärger.

Eine machtvolle Inszenierung

Ich habe Söders Willen zur machtvollen Inszenierung selbst einmal aus nächster Nähe erlebt. Es war bei einer Veranstaltung in München vor eher kleiner Runde. Der bayerische Regierungschef legte größten Wert darauf, nicht etwa durch einen unscheinbaren Seiteneingang in den Raum zu treten. Sondern es musste mindestens ein Treppenaufgang sein – auch, wenn dies logistischen Mehraufwand bedeutete. Laschet dagegen wäre mit Sicherheit auch einfach nur durch die gläserne Schiebetür gekommen. Aber vielleicht gehört die Leidenschaft für imposante Auftritte ja dazu, wenn man höchste Ämter anstrebt.

Eines ist jedenfalls sicher: Um Kompetenz und vermeintliche Beliebtheitswerte geht es nicht, wenn jetzt noch einmal eine Schlammschlacht zwischen den Vorsitzenden der Unionsparteien ausgefochten wird. Sondern ums Ego. Trotzdem ist davon auszugehen, dass die Person mit dem größeren Ego den Kürzeren zieht. Es darf halt nur nicht danach aussehen.

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