Gipfel im Kanzleramt - Der Migrationsaktionismus kommt allzu spät

Beim Gipfel der Ministerpräsidenten und des Kanzlers geht es nur um eines: Die Zuzugszahlen müssen sinken. Die lange Ignoranz angesichts der Migrationskrise und ein Streit um Geld, der die Bürger nicht interessieren muss, haben die Glaubwürdigkeit der politischen Klasse beschädigt.

Olaf Scholz im Bundeskanzleramt / dpa
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Ferdinand Knauß ist Cicero-Redakteur. Sein Buch „Merkel am Ende. Warum die Methode Angela Merkels nicht mehr in unsere Zeit passt“ ist 2018 im FinanzBuch Verlag erschienen.

 

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Um die „politische Zukunft Deutschlands“, die heute im Bundeskanzleramt bei der Konferenz der Länderregierungschefs und des Kanzlers nach Aussage des sachsen-anhaltinischen Ministerpräsidenten Reiner Haseloff verhandelt wird, muss man sich wohl wirklich große Sorgen machen. Und zwar nicht erst seit in diesem Jahr eine generelle Krisen-, ja bei vielen Menschen sogar latente Katastrophenstimmung um sich greift.

Es mussten also wirklich acht Jahre nach dem Herbst des bewussten Kontrollverlustes über die Zuwanderung vergehen, bis die politische Führung im Bund  und den Ländern allmählich zum Konsens kommt, dass die Asyl-Zuwanderungszahlen viel zu hoch sind und dass der deutsche Sozialstaat einerseits ein großer Anziehungsfaktor ist und andererseits zunehmend überlastet wird. Der heutige Kanzler war damals nicht Mitglied der Bundesregierung, forderte aber als Hamburger Bürgermeister 2016, dass sich dieser Kontrollverlust nicht wiederholen werde. Nun, als Kanzler hat er wieder fast zwei Jahre verstreichen lassen, bevor er zumindest den Anschein erweckt, dafür sorgen zu wollen.

Bis jetzt versuchte die Mehrheit der politischen Klasse und ein Großteil der Presse das Problem der enormen Asylzuwanderung als eines der Steuergeldverteilung zu behandeln. Endlich, nach acht Jahren, haben nun auch die Ministerpräsidenten begriffen, dass ihre monatelangen Forderungen nach ein paar Milliarden Euro aus der Bundeskasse niemanden außerhalb des Politik- und Verwaltungsbetriebs interessieren. Den Bürgern ist es schließlich egal, ob sie nun als Steuerzahler des Bundes oder eines Landes zur Finanzierung der Armutszuwanderer zur Kasse gebeten werden. 

Union will Asylverfahren im Ausland

Endich machten nun vor allem Bundespolitiker und Ministerpräsidenten der Union vor dem heutigen Treffen im Kanzleramt deutlich, dass es nur um eines gehen muss: die Zuwanderungszahlen müssen unbedingt deutlich sinken.

Begriffen haben wohl auch die meisten Spitzenpolitiker, dass nicht die von Scholz und seiner Innenministerin Nancy Faeser öffentlichkeitswirksam verkündeten Maßnahmen für mehr Abschiebungen entscheidend sein werden. Es geht dabei schließlich um die lächerliche Größenordnung von rund 600 zusätzlichen Abschiebungen. Es muss darum gehen, die Asyl-Zuwanderung zu senken. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte, die Union werde ihre ausgestreckte Hand nur dann „nicht zurückziehen, wenn wir sicher sind, dass die Maßnahmen auch wirklich zu einer signifikanten Senkung und zu einer Senkung insgesamt der illegalen Zuwanderung in Deutschland“ führten.

Die unionsregierten Länder haben sich dem Vernehmen nach grundsätzlich verständigt, dass sie zu diesem Zweck einen Automatismus der sicheren Herkunftsländer (mit weniger als fünf Prozent Asyl-Anerkennung) einführen wollen und grundsätzlich Asylverfahren außerhalb der EU oder jedenfalls Deutschlands stattfinden lassen wollen. Dabei haben sie vermutlich sogar die Unterstützung des einzigen grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, der dies auch schon in einem Zeitungsbeitrag andeutete. Aber auch in der SPD-Bundestagsfraktion wurden jüngst Stimmen laut, die dazu bereit sind. Der SPD-Abgeordnete Kristian Klinck ruft gar im Cicero zu einer grundlegenden Änderung der Migrationspolitik auf.  

Vor was sind diese Demonstranten geflüchtet?

Es waren wohl neben der schieren Überlastung der Versorgungssysteme auch die beschämenden Äußerungen des Antisemitismus durch muslimische Einwanderer nötig zu diesem Wandel. Unfassbar, wie lange die politisch-mediale, vermeintliche Elite gebraucht hat, um zu realisieren, dass die real entstandene und weiter entstehende Einwanderungsgesellschaft kein ewiges buntes Straßenfest ist, das Deutschland von seinem dunklen Deutschtum befreit. Es ist eine bittere Ironie der Geschichte, dass nun infolge der Masseneinwanderung aus muslimischen Ländern der offene Antisemitismus als Massenphänomen zurück in Deutschland ist.

Aber der Hass richtet sich nicht nur gegen Juden. Obwohl das natürlich schlimm genug ist. Er richtet sich gegen das westliche Lebens- und Gesellschaftsmodell generell. Am Wochenende wurde auf Demonstrationen von vielen Tausenden zur Vernichtung Israels aufgerufen, aber auch Parolen des Islamischen Staats und der Taliban gezeigt und zur Errichtung eines Kalifats hier in Deutschland aufgerufen. Auch öffentliche Gebete vor dem Brandenburger Tor signalisieren den politischen Anspruch der islamistisch-antisemitischen Zugewanderten. Man kann sich durchaus fragen, vor wem oder was diese Leute eigentlich „geflüchtet“ sind und vor wem oder was sie hier angeblich Schutz suchen. Vor islamischen Unterdrückungsregimen offenbar wohl nicht.

Spätestens angesichts dieser Bilder verlieren die Narrative derjenigen, die den Migrationsdiskurs bisher dominieren, jegliche Glaubwürdigkeit. Dazu gehört auch der Begriff Integration. In Düsseldorf bezichtigt der Sprecher der Altstadtwirte, Walid El Sheikh, auf Instagram Israel, einen „Genozid im Namen der Selbstverteidigung“ zu betreiben. Der Mann galt bislang als Integrationsvorbild. Sein Fall macht auch deutlich, dass es eben nicht nur um ein paar langbärtige Prediger in Hinterhofmoscheen geht. Sondern leider oft auch um Zugewanderte, die (bislang) als wirtschaftlich erfolgreich in der deutschen Gesellschaft angekommen gelten.

 

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Angesichts dieser beängstigenden Lage, die nicht nur den Sozialstaat, sondern auch den inneren Frieden höchst zerbrechlich erscheinen lässt, wirken die Ministerpräsidenten und der Kanzler nun wie viel zu spät aufgewachte Traumtänzer, die erst im wirklich allerletzten Moment zur Räson kommen. Und selbst jetzt noch wirken viele Politiker in erster Linie damit beschäftigt, ihr migrationspolitisches Irren bloß nicht als solches benennen zu müssen.

Bei näherer Betrachtung ist auch die jüngste Aussage von Bundeskanzler Scholz zum „Schutz von Jüdinnen und Juden in Deutschland“ geradezu zynisch. Er ruft nämlich „uns alle“ zur „Zivilcourage“ auf. Erwartet er also, dass sich deutsche Bürger nun auf Gegendemonstrationen den Palästina-Fahnen-Schwingern in den Weg stellen? Sollen „wir alle“ nun etwa Bürgermilizen gründen, um jüdische Wohnungen zu bewachen oder muslimischen Judenhassern das Handwerk zu legen?

Der Kanzler versucht offenkundig mit denselben ritualisierten Phrasen, mit denen Politiker sich jahrzehntelang in einem wortreichen Pseudokampf gegen den glücklicherweise aussterbenden Antisemitismus der deutschen Vergangenheit selbst heroisierten, nun auch den Kampf gegen einen höchst vitalen, brandgefährlichen und dank Einwanderung wachsenden Antisemitismus der Gegenwart und Zukunft zu führen. Bezeichnend, dass der Kanzler erst danach von den Strafverfolgungsbehörden spricht, die die „nötigen Instrumente ... konsequent nutzen“ müssten. „Mein Eindruck ist: Polizeibehörden und Gerichte wissen, was zu tun ist.“ Letzteres kann man auf Grund bisheriger Erfahrungen durchaus bezweifeln. Das Vorgehen der Polizei bei den jüngsten Demonstrationen schien jedenfalls weniger hart als etwa bei manchen Demonstrationen der sogenannten Querdenker. Müsste ein Staat, dessen Räson nach Aussage seiner höchsten Repräsentanten auch das Existenzrecht Israels und der Schutz von Juden ist, nicht jeden Ausländer, der sich öffentlich zum Todfeind Israels und der Juden erklärt, umgehend ausweisen?

 

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