„Scharia“-Vorfall an Schule in Neuss - Verharmlosung und Lob nach monatelangem Islamismus

An einer Schule im nordrhein-westfälischen Neuss drangsalierten vier Islamisten ihre Mitschüler monatelang mit Scharia-Forderungen und Todesdrohungen. Statt Sanktionen gab es Prävention im Nachhinein und Lob von der Politik für die Schule.

Herbert Reul, CDU, Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Dorothee Feller, CDU, Schulministerin / picture alliance
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Ferdinand Knauß ist Cicero-Redakteur. Sein Buch „Merkel am Ende. Warum die Methode Angela Merkels nicht mehr in unsere Zeit passt“ ist 2018 im FinanzBuch Verlag erschienen.

 

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Das Verb „drängen“ ist eine typische Journalisten-Formulierung. Irgendein Politiker „drängt“ immer auf irgendwas. Das Verb steht für den Alltag im politmedialen Betrieb. Als ähnlich alltäglich könnte ein Leser dann wohl auch die Meldung aus dem Nachrichtenportal des Spiegel aufnehmen: „Oberstufenschüler drängten auf strengere Auslegung des Islam“. Als hätten eifrige Schüler eine theologische Debatte geführt.

Worum es eigentlich geht, erfährt man ansatzweise erst, wenn man den Artikel ganz liest und so richtig erst, wenn man sich andernorts, etwa in der regionalen Presse aus dem Rheinland informiert. Dort nämlich, in einer Gesamtschule in Neuss, fand monatelang statt, was der Spiegel als „Drängen“ interpretiert: Es geht um nicht weniger als die Androhung der Steinigung durch vier Oberstufenschüler aus Neuss (17 bis 19 Jahre alt) gegen Mitschülerinnen, die sich nicht an die Vorgaben der Scharia, also des islamischen Rechts, halten. Das erfährt man beispielsweise  von Bild oder Focus-Online. Die „Steinigung“ ist nichts anderes als eine grausame traditionelle Hinrichtungsmethode, bei der die Verurteilten lebendig eingegraben und dann durch kollektive Steinwürfe langsam umgebracht werden. 

Die erste Meldung zu der Angelegenheit stammt übrigens aus der Rheinischen Post vom 11. Januar. Die Überschrift lautet „Schüler spielten sich als „Scharia-Polizei“ auf“. Die vier Schüler forderten gemäß Scharia einen streng geschlechtsgetrennten Unterricht, konsequente Verschleierung der Mädchen und die Einrichtung eines muslimischen Gebetsraums. Betende Muslime sollten vom Unterricht befreit werden. Das ist also die „strenge Auslegung“, auf die die Jungs „drängten“. Wohlgemerkt: Junge Menschen, die die Hochschulreife erwerben wollen.

 

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Aus den Parteien in Nordrhein-Westfalen kamen bald Reaktionen. „Alarmierend“ nannte die SPD-Abgeordnete Christina Kampmann die „Vorfälle“, es sei „hohe Wachsamkeit“ geboten, es müsse „bei solchen Tendenzen konsequent gegengesteuert“ werden. Die oppositionelle FDP-Politikerin Franziska Müller-Rech forderte mehr „Demokratie-Erziehung“ und besänftigte: „Wir dürfen nicht etwas hinzudichten, Dinge extremisieren in der Darstellung und damit Ängste schüren“. CDU-Innenminister Herbert Reul sagte: „Wenn Kinder und Jugendliche sich einen islamistischen Gottesstaat herbeisehnen und diesen versuchen in ihrem Umfeld durchzusetzen, muss uns das alle aufschrecken.“ Erstaunlich auch seine Erklärung: Kinder und Jugendliche, die nicht gefestigt seien und keine Perspektive hätten, seien für Extremisten ein leichtes Ziel. Allerdings handelte es sich wie gesagt um Schüler der Oberstufe, die also die Hochschulreife anstreben, was man durchaus als aussichtsreiche Perspektive empfinden kann. 

In der heutigen Ausgabe der Rheinischen Post steht nun die Überschrift „Politiker loben Schule für Umgang mit „Scharia“-Vorfall“. Anlass ist eine „Aktuelle Viertelstunde“ am Mittwoch im Düsseldorfer Landtag. Die wurde von der AfD beantragt. In dieser Sitzung hat die NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) gesagt: „Wir dulden keine Form von Extremismus an unseren Schulen.“ Und: „Hier müssen wir deutliche Grenzen setzen.“ 

Offenkundig wurde der praktizierte Extremismus der vier Scharia-Schüler aber eben doch monatelang in der Neusser Schule geduldet. Schließlich heißt es im selben Bericht: „Zu den Vorfällen soll es von März bis Dezember vergangenen Jahres gekommen sein.“ In der Anfangsphase habe die Polizei keine strafrechtlichen Verstöße festgestellt. Nun jedoch ermitteln Staatsanwaltschaft und Polizei.

Strafen gab es kaum

Wie die „Grenzen“ beschaffen waren, die die Schulleitung den vier islamistischen Schülern setzte, ist auch bekannt. Ihre Forderung nach einem islamischen Gebetsraum wurde abgelehnt, aber dafür ein „Raum der Toleranz“ vorgeschlagen. Als der AfD-Abgeordnete Christian Blex im Landtag mindestens Ordnungsmaßnahmen, einen schriftlichen Verweis oder eine Versetzung der Schüler forderte, antwortete ein Referent für Krisenmanagement des Schulministeriums, ein 19-jähriger Schüler sei für eine Woche vom Unterricht ausgeschlossen worden. 

Dass die Schulleitung in Neuss nun ihrerseits „die Veröffentlichung der Details als unverantwortlich“ darstellt, ist nachvollziehbar. Welche Neusser Eltern werden nun noch ruhigen Gewissens ihre Kinder in dieser Gesamtschule anmelden wollen? 

Die Stellungnahme der Schulleitung ist ein perfektes Beispiel dafür, wie man mit hehren Worten um einen Skandal herumreden kann. Die Wörter Islam oder Scharia kommen darin gar nicht vor. Stattdessen verspricht man: „Wir diskutieren und prüfen unser Miteinander und trauen und muten uns zu, über empfundene Widersprüche und Gegensätze offen zu reden. Wir gucken hin, und indem wir dauerhaft Toleranz und Diversität in den Mittelpunkt des Zusammenlebens stellen, fordern wir von uns allen die entsprechende Grundhaltung ein.“ 

Vorsorge im Nachhinein

Man begreife, so schreibt die Schulleitung, „Schule als Spiegel der Gesellschaft, mithin auch der fortwährenden gesellschaftlichen Veränderung, die sich in einem ständigen Prozess der Weiterentwicklung befindet“. Das klingt nicht danach, dass Scharia-Forderern deutliche Grenzen gesetzt worden wären oder würden. Die Schulleitung schreibt außerdem, es gehe bei den in der Presse „geschilderten Vorfällen auch nicht primär um einen speziellen Fall, der gelöst und abgeschlossen werden könnte“. Das kann man wohl so interpretieren, dass Islamismus unter Schülern längst ein allgemein gängiges und letztzlich unvermeidliches Phänomen ist. 

Die Landespolitiker lobten dennoch laut RP im Landtag die Schule für ihren besonnenen Umgang mit dem Thema. Schließlich habe sie frühzeitig andere Behörden, Polizei und Bezirksregierung in Kenntnis gesetzt. Wie wirksam die Maßnahmen – laut RP hat die Schule „Experten und Präventionseinrichtungen“ kontaktiert – beweist die lange Dauer der Vorfälle von März bis Dezember.

Wohlgemerkt: Nachdem die Schüler ihre Mitschüler schon drangsaliert hatten, schritt man zur Vorsorge („Prävention“)! Die Aussage der Ministerin müsste also korrekterweise so formuliert werden: Wir dulden Extremismus (zumindest muslimischen) an unseren Schulen, und beugen ihm erst vor, wenn er schon aktiv geworden ist.  Vor allem sprechen wir erst dann darüber, wenn dessen Existenz gegenüber der Presse nicht mehr zu verheimlichen ist.

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