Sarah-Lee Heinrich - „Die Agenda 2010 war ein Fehler“

Wegen alter Tweets aus ihrer Teenagerzeit wurde Sarah-Lee Heinrich, Vorsitzende der Grünen Jugend, mit einem Shitstorm überzogen. Ihre sozialpolitischen Positionen gingen dabei unter. Ein Gespräch über Elke Heidenreichs Polemik, Hartz IV und Identitätspolitik.

Sarah-Lee Heinrich: „Ich weiß, wie es ist, im Jobcenter zu sein“ / dpa
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Autoreninfo

Ulrich Thiele ist Politik-Redakteur bei Business Insider Deutschland. Auf Twitter ist er als @ul_thi zu finden. Threema-ID: 82PEBDW9

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Neben ihren Tweets, die sie als Teenager postete, erfuhr Sarah-Lee Heinrich Kritik für eine Äußerung in einer Talkshow, in der die heute 20-Jährige von einer „eklig weißen Mehrheitsgesellschaft“ sprach. In einem Interview mit Zeit Online räumte sie Fehler ein, kritisierte aber auch, dass Rechte bewusst nicht auf ihre sozialpolitischen Positionen eingehen. Vereinbart war nun ein Gespräch über ihre politischen Anliegen und über ihre Kindheit und Jugend mit ihrer in Hartz IV lebenden, alleinerziehenden Mutter. Sie habe aber kein Problem damit, sagt sie zu Beginn des Gesprächs, noch einmal kurz auf den Shitstorm einzugehen, sie wolle ihren Standpunkt offensiv nach außen vertreten.

Frau Heinrich, wie fanden Sie Elke Heidenreichs Äußerung, Sie hätten „keine Sprache“?

Ich habe mir das Video von meinem Auftritt nochmal angesehen und muss sagen: Ich war damals ja wirklich unsicher und habe keine Sprache gefunden. In mir waberte ein diffuses Ungerechtigkeitsgefühl, für das ich noch keine klaren Worte hatte. Heute ist das anders, ich habe eine Sprache für meine Anliegen gefunden. Ich kann auch wirklich verstehen, dass Menschen diese Formulierung verletzt hat. Deswegen tut es mir leid. Die Kritik daran würde ich nicht per se einen Shitstorm nennen, denn sie ist ja berechtigt. Ich benutze diese Formulierung nicht mehr und sie ist auch nicht der richtige Weg, wenn man sich gegen Rassismus einsetzen will. Ich fand übrigens manche der Debatten, die daraufhin geführt wurden, wirklich gut: Über den Umgang von Teenagern mit Social Media oder über die Art und Weise, wie wir über Rassismus reden wollen.

Im Interview mit Zeit Online haben Sie gesagt, Rechte könnten Sie nicht wegen Ihrer sozialpolitischen Positionen angreifen, deswegen hätten sie sich auf Ihre alten Tweets und Aussagen eingeschossen. Was genau meinten Sie damit?

Rechte und Linke buhlen manchmal um dieselbe Zielgruppe. Beide wollen prekär Beschäftigte im Niedriglohnsektor erreichen, aber auch Rentner und Menschen, die Angst vor sozialem Abstieg haben. Rechte tun das, indem sie sagen, es gäbe einen Konflikt zwischen innen und außen, so rechtfertigen sie mit der sozialen Frage ihre rassistische Ideologie. Ich als Linke sage, das ist nicht die richtige Erklärung dafür, dass es soziale Ungleichheit gibt.

Sondern?

Gregor Gysi hat sinngemäß gesagt: Die Renten waren schon niedrig, bevor die Geflüchteten gekommen sind. Das sehe ich auch so, der deutsche und der migrantische Arbeiter haben mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede, sie sollten sich im Kampf um bessere Löhne zusammenschließen. Das ist natürlich genau das Gegenteil von dem, was Rechte erzählen.

Sie ziehen die Linie zwischen oben und unten.

Ja. Die wesentlichen Konflikte verlaufen zwischen denen, die sehr viel besitzen und denen, die kaum etwas besitzen. Damit meine ich nicht einzelne böse Personen an der Spitze der Wirtschaft – das wäre eher die verschwörungstheoretische Variante. Was ich meine, ist, dass Unternehmen darauf angewiesen sind, Profite zu machen. Wer Profite machen möchte, muss Kosten niedrig halten, und ein Weg, um das zu realisieren, ist, die Löhne zu senken. Das sorgt automatisch für einen Interessensgegensatz zwischen der Unternehmensführung und ihren Arbeitern, so wie es zwischen Wohnkonzernen, die eine hohe Miete haben möchten, um Profite zu machen, und Mietern, die über die Runden kommen möchten, einen Interessengegensatz gibt.

Vernebeln die aktuell präsenten Debatten um identitätspolitische Fragen solche Klassenwidersprüche, wie einige Linke beklagen?

Die Frage ist, wie man an diese identitätspolitischen Fragen herangeht. Wenn man sich ansieht, wer in dieser Gesellschaft am wenigsten verdient und am häufigsten im Niedriglohnsektor ist, dann sind das ganz klar alleinerziehende Frauen, häufig mit Migrationsgeschichte. Das zeigt, dass Feminismus und Anti-Rassismus materielle Fragen sind. Ich finde es richtig, dass wir darüber reden, wie wir eine diskriminierungsfreie Gesellschaft erreichen. Aber wir müssen auch über die sozialen, ökonomischen, also die materiellen Fragen reden und ich würde schon sagen, dass das öfter mal untergeht in bestimmten Debatten. Man kann einfach beides machen. Auch Sprache ist wichtig, aber die Idee, dass Diskriminierung verschwindet, wenn alle diskriminierungskritisch sprechen, teile ich nicht.

Zumal man sich mit Sprache auch abgrenzen kann.

Da, wo ich aufgewachsen bin, wissen viele Menschen mit Migrationsgeschichte nicht, was Critical Whiteness überhaupt bedeutet. Ich wusste selber lange nicht, was Begriffe wie BIPOC bedeuten. Das liegt daran, dass Menschen, die sich nicht in akademischen Kreisen aufhalten, sehr oft Menschen mit Migrationsgeschichte sind. Wenn man es ernst meint mit dem Kampf für ihre Interessen, dann braucht man auch einen anderen Zugang als einen rein sprachpolitischen.

Sahra Wagenknecht steht in der Kritik, weil sie im Einsatz für die soziale Frage gegen ihrer Meinung nach „lifestyle-linke“ Akteure einer Antidiskriminierungspolitik polemisiert. Wie blicken Sie auf den Streit?

Sie überdreht ihre Polemik, was ich schade finde. Ich denke schon, dass Sahra Wagenknechts Kampf für soziale Fragen erstmal aufrichtig ist. Dadurch, dass sie aber Aussagen tätigt, die auch ich nicht nachvollziehen kann, sorgt sie für sehr viel Abwehr bei Linken. Manche haben dadurch das Gefühl, genau das Gegenteil tun zu müssen von dem, was sie tut. Was ich auch nicht richtig finde – ich will eine sinnvolle Position dazwischen finden.

Ihr Kernthema ist die Überwindung von Hartz IV. Was ist das Problem?

Bei der Agenda 2010 ging es ja darum, die wirtschaftliche Lage für Unternehmen attraktiver zu machen, damit sie hier ansiedeln und produzieren. Wie macht man das? Indem man die Kosten für Unternehmen drückt und einen sehr großen – den größten in Europa – Niedriglohnsektor bereitstellt, in dem man Menschen sehr einfach kündigen kann und ihre Arbeitsbedingungen so weit verschlechtert, dass es für Unternehmen attraktiver wird. Jetzt muss man sich natürlich fragen: Wie kriegt man es hin, dass Menschen diese schlechten Arbeitsbedingungen akzeptieren? Dafür braucht man ein Instrument: Hartz IV.

Inwiefern Instrument?

Dazu muss man sich klar machen, dass die Hälfte der Hartz-IV-Empfänger gar nicht arbeitslos sind, sondern Aufstocker. Von den Menschen, die in Hartz IV leben und arbeitslos sind, sind die meisten unfreiwillig arbeitslos. Diese Menschen würden gerne einen Job annehmen, ihnen werden aber unter Androhung von Sanktionen unpassende Jobs und entwürdigende und wie ich finde zum Teil sinnlose Maßnahmen – wie nochmal das Ein mal Eins lernen – aufgedrückt. Die Menschen, die im Jobcenter arbeiten, sind hier nicht die Bösen. Das Problem ist, dass Hartz IV ein System ist, in dem es nicht primär darum geht, Menschen abzusichern.

Sondern?

Es geht darum, Menschen wieder auf den Arbeitsmarkt zu bringen, ungeachtet der Bedingungen. Sie werden in unbefristete Ein-Euro- oder Minijobs weitervermittelt, aus denen sie, nachdem ihnen gekündigt wurde, wieder in die Arbeitslosigkeit rutschen. Die Debatte um Hartz IV hat dieses sehr negative Menschenbild davon, dass die Menschen lieber drinnen sitzen, einfach faul sind, unbeholfen und auch nicht ganz raus wollen. Ich weiß, wie es ist, im Jobcenter zu sein, und diesen Menschen kollektiv zu unterstellen, sie seien faul, entspricht nicht der Realität. Momentan wird permanent über gesellschaftliche Spaltung gesprochen: Hartz IV spaltet, weil es die Menschen unter Druck setzt und wir als Gesellschaft weniger zusammenfinden. Weil die Menschen viel leichter in Hartz IV abrutschen können, haben sie Angst vor einem Abstieg – und klar grenzt man sich dann eher nach unten ab, um die eigene Stellung zu bewahren.

Was ist die Alternative?

Wir brauchen höhere Löhne und damit auch einen höheren Mindestlohn. Teilzeitarbeitende, alleinerziehende Mütter holt man beispielsweise auch dadurch aus Hartz IV heraus, indem man dafür sorgt, dass die Jobs besser werden. Auf der anderen Seite braucht es bessere Arbeitsangebote. Das heißt, wir brauchen eine bessere Weiterbildung, attraktivere Jobs und auch bessere Arbeitnehmerrechte, damit Menschen, die in Hartz IV sind und einen Job annehmen, nicht ein Jahr später wieder vorm Jobcenter stehen, weil der Job befristet war. Außerdem braucht es eine echte Absicherung: Es gibt einige Berechnungen, unter anderem vom politischen Wohlfahrtsverband, dass der Regelsatz sich jetzt gerade durch künstliches Rechnen ungefähr 200 Euro unter dem realen Existenzminimum befindet. Ich finde auch, dass die Sanktionen fallen müssen. Ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, die ganze Zeit mit einem negativen Menschenbild an diese Menschen heranzutreten. Ganz oft ist auch das, was die Menschen in Hartz IV brauchen, nicht immer unmittelbar das – gerade oft – schlechte Jobangebot, sondern ein Therapieplatz. Es gibt etliche Studien dazu, wie sich Arbeitslosigkeit auf die physische und psychische Gesundheit auswirkt.

Verteidiger sagen, die Agenda 2010 sei alternativlos gewesen, weil es damals fünf Millionen Arbeitslose gab und die Wirtschaft bergab ging. Eine CDU-Politikerin antwortete neulich auf die Frage, warum ihre Partei Gering- und Normalverdiener weniger entlaste als andere Parteien, wenn man die Unternehmen stärke, schaffe man auch Arbeitsplätze, Stichwort: „Sozial ist, was Arbeit schafft.“ Was entgegnen Sie?

Wenn Menschen, die arbeitslos waren, danach nur in sehr schlecht bezahlte Jobs kommen, mit denen sie in Armut leben, dann haben wir als Gesellschaft unser politisches Ziel nicht erreicht. Man muss sich nicht dazwischen entscheiden, ob Menschen arbeitslos oder ob sie im Niedriglohnsektor sind – diese angebliche Alternativlosigkeit ist ein Mythos. Man könnte auch Menschen, die arbeitslos sind, in gut bezahlte Jobs bringen. Genau das hat die Agenda nicht geschafft.

Und zur Unternehmersicht?

Ich weiß, dass das ein Dilemma ist. Ich weiß, dass die Lage für Unternehmen bequem genug sein soll, damit sie in Deutschland bleiben und Arbeitsplätze anbieten. Aber wer schafft eigentlich den Wert in den Unternehmen? Das sind die Arbeiter. Deswegen sollten aus meiner Sicht die Arbeiter auch an der Wertschöpfung der Unternehmen beteiligt werden, durch höhere Löhne. Übrigens hieß es schon bei Einführung des Mindestlohns, die Unternehmen würden auswandern und die Industrienation Deutschland würde untergehen – das ist alles nicht passiert.

Warum sind Sie eigentlich ausgerechnet den Grünen beigetreten, die die Agenda 2010 mitgetragen haben? Einige der Befürworter von damals wie Katrin Göring-Eckardt sind heute noch in der Partei.

Ich halte die Agenda für einen Fehler und die Grünen tun das mittlerweile auch. Ich bin, ehe ich den Grünen beigetreten bin, zur Grünen Jugend gekommen, weil ich gemerkt habe, dass sie eine eigenständige politische Kraft ist. Den Grünen bin ich dann zwei Jahre nach meinem Eintritt in die Grüne Jugend beigetreten, weil ich gemerkt habe, dass die Klimakrise ein akutes Thema ist, das mit der sozialen Frage verknüpft werden muss – und ich sehe bei den Grünen trotz der Vergangenheit ein großes Potenzial dafür. Wir müssen dafür sorgen, dass die Klimapolitik nicht auf dem Rücken der Werktätigen ausgetragen wird. Auch, um der falschen Erzählung, Klimaschutz sei per se unsozial, wirklich etwas entgegenzusetzen.

Wie wollen Sie sozioökonomischen Wohlstand und nachhaltigen Klimaschutz gewährleisten?

Durch so etwas wie einen Green New Deal. Die Industrie ist dafür ein zentraler Ort. Es braucht einen ökologischen Arbeitsmarkt mit guten Jobs. Ich kann total verstehen, wenn jemand einen stabilen, guten Job hat und Angst hat, durch die Klimapolitik irgendwann schlechter dazustehen. Deswegen ist es für die öffentliche Debatte so wichtig, keine ökologischen Maßnahmen nach vorne zu stellen, die nicht gleichzeitig auch sozial ausgeglichen werden – und das auch überzeugend zu vermitteln. Die Große Koalition hat die CO2-Preiserhöhung ohne wirklichen Ausgleich beschlossen, was ich für einen Fehler halte. Man muss Alternativen ausbauen, die den öffentlichen Nahverkehr attraktiver machen, aber einfach das Autofahren zu verteuern, ist mit Sicherheit der falsche Weg.

Ihre Partei verhandelt derzeit mit der FDP, die ganz andere Interessen hat. Wie wollen Sie da überhaupt zusammenkommen?

All die sozialen Fragen, die derzeit im Kommen sind – sei es der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, Mindestlohn oder eine verschärfte Mietpreisbremse – sind vielleicht nicht immer in der FDP populär, aber all diese Forderungen finden eine breite gesellschaftliche Mehrheit und ich finde, die sollten wir nutzen. Wir haben erlebt, wie eine Klimabewegung es geschafft hat, ihre Forderungen stark zu machen und sie auf die Agenda zu setzen, sodass diejenigen, die sie nicht priorisiert haben, nicht mehr um sie herum kamen. Ich glaube, wir brauchen eine ebenso starke soziale Bewegung, die ihre Forderungen auf die Agenda setzt. Es schadet uns, dass wir diese Bewegung gerade nicht haben.

Sie sind mit Ihrer alleinerziehenden, Hartz IV empfangenden Mutter aufgewachsen. Wie haben Sie die ökonomische Armut persönlich erlebt?

Meine Mutter hat immer versucht, mich von der Armut abzuschirmen und mir so viel wie möglich zu ermöglichen. Trotzdem habe ich, als ich aufs Gymnasium gekommen bin, schnell gemerkt, dass meine Mitschüler ein ganz anderen Leben führen als ich. Mich hat die Frage sehr umgetrieben, woran das liegt. Im Neoliberalismus wird den Leuten eingeredet, dass jeder es schaffen kann. Umgekehrt heißt das, dass man selbst schuld ist, wenn man arm ist – und dieses Denken hatte ich auch verinnerlicht. Ich habe damals meiner Mutter und mir Vorwürfe gemacht, dass wir arm sind, was nicht gut fürs Mutter-Tochter-Verhältnis und auch nicht für das Selbstbewusstsein eines Teenagers ist. Mein Selbstwertgefühl war sicherlich eingeschränkt und die Unsicherheit, was nächsten Monat passiert, hat etwas mit mir gemacht. Wenn man nicht weiß, was passiert, wenn die Waschmaschine kaputt ist und man kein Geld für die Reparatur hat. Oder man nicht weiß, ob man selbst aus der Armut rauskommen wird.

Woran haben Sie den Unterschied zu Ihren Mitschülern gemerkt?

Auf dem Gymnasium haben alle von ihren Klavierstunden und ihren Ski-Urlauben erzählt. Außerdem gab es diesen Begriff „Kik-Wühltisch“. Wenn jemand etwas Hässliches anhatte, hat man gesagt, das hat er bestimmt vom Kik-Wühltisch. Es galt sogar als uncool, bei C&A Klamotten zu kaufen, was mich extrem verunsichert hat. Ich hatte permanent Sorge, dass die anderen herausfinden, dass ich arm bin und wollte das um jeden Preis geheim halten. Als ich 15 war, habe ich einen Hausaufgabenbetreuungsjob angenommen, um mir mal einen Pullover, Pommes auf dem Stadtfest, den Tanzunterricht oder sonstiges zu leisten – was ich jetzt keine Luxusbedürfnisse nennen würde. Ich durfte 100 Euro im Monat verdienen, wäre es mehr gewesen, hätte man meiner Mutter das Geld gekürzt. Deswegen hat es mich übrigens gestört, als Klimaaktivisten mal vor einem Primark protestiert haben, weil sie den Konsum anprangern wollten. Von so etwas fühle ich mich angegriffen. Für mich war die Eröffnung von Primark ein Segen, weil ich günstige Kleider bekam, denen man nicht ansah, dass sie günstig waren.

Eine solch elitäre Konsumkritik wird aber auch von linker Seite kritisiert.

Zum Glück. Konsumkritik ist keine gute Methode, um etwas gegen den Klimawandel zu machen. Damit schreckt man genau die Menschen ab, die eigentlich gerade nicht konsumieren können, sondern verzichten müssen.

Sie haben einen großen Teil Ihrer Jugend in Ihrer Kirchengemeinde verbracht. Was bedeuten Ihnen solche Jugendzentren?

Für mich war das enorm wichtig, weil ich Gleichaltrige treffen konnte. Ich konnte neue Dinge lernen und mich neu ausprobieren. Gerade für Menschen, die zu wenig Geld haben, um sich in einem öffentlichen Raum aufhalten und wohlfühlen zu können, oder die aus schwierigen Verhältnissen kommen und dringend Bezugspersonen brauchen, sind solche Zentren von nicht zu überschätzender Bedeutung. Mich hat es traurig gemacht, dass viele Zentren wegen der Corona-Krise zu hatten, obwohl ich es natürlich verstand. Auch wenn ich kein Geld hatte, wurde ich finanziell unterstützt, als wir Feriencamps in Italien, Spanien und Kroatien gemacht haben. Es hieß immer: Sarah, finanziell kriegen wir das hin, du bist immer dabei, wir sind eine Gemeinschaft. Mein Herz platzt vor Freude, wenn ich daran denke, wie schön das alles war.

Das Interview führte Ulrich Thiele.

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