Robert Habeck und der DFB - Bindestrich-Patriotismen

Ausgerechnet Habeck, der Vaterlandsliebe einst „zum Kotzen“ fand, empört sich über mangelnden „Standortpatriotismus“ des DFB. Dabei ist dessen Entscheidung für Nike das Ergebnis jenes postnationalen Denkens, das Habeck seit Jahrzehnten propagiert.

Wer Patriotismus ablehnt, braucht auch nicht beim Fußball damit anzufangen: Robert Habeck mit Kanzler Scholz / dpa
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Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Als Robert Habeck erst begann, Robert Habeck zu werden, also der Knuddelbär aller Gutmeinenden und sich fortschrittlich Dünkenden, zu einer Zeit mithin, in der der zukünftige Wirtschaftsminister noch Fraktionsvorsitzender der Grünen in Schleswig-Holstein und südlich der Eider nur wenigen bekannt war, veröffentlichte er ein bemerkenswertes Buch. Sein Titel: „Patriotismus. Ein linkes Plädoyer“.

Das mit dem Patriotismus war natürlich nicht ernst gemeint, sondern mehr augenzwinkernd. Denn ernsthafte Provokation verzeiht man im linken Lager nicht. Das weiß der Robert sehr wohl. Und so schrieb er in besagtem Patriotismus-Buch ganz im Sinne des ihn tragenden Milieus und vollkommen ironiefrei: „Vaterlandsliebe fand ich stets zum Kotzen. Ich wusste mit Deutschland noch nie etwas anzufangen und weiß es bis heute nicht.“

Selbst bei wohlwollender Lektüre klingt dieses Statement wenig patriotisch. Zumindest wenn man das gängige Verständnis von Patriotismus zugrunde legt. Und das hat, dafür muss man kein Latein können, irgendwas mit Vaterlandsliebe zu tun. Doch als geschulter Dialektiker weiß Robert Habeck natürlich, dass alles irgendwie auch sein Gegenteil ist. Und so plädiert er in besagtem Buch für eine „Erzählung, die auf Veränderung setzt, auf Gerechtigkeit und Internationalität. Dieses Engagement nenne ich einen ,linken Patriotismus’.“

Der linke Patriotismus, so Habeck, solle sich nicht auf Deutschland beziehen

Dieses Statement ist doppelt bemerkenswert. Denn zum einen ist linker Patriotismus keine Erfindung von Robert Habeck. Von Friedrich Ebert über Kurt Schumacher bis zu Willy Brandt gab und gibt es zahllose linke Patrioten, deren innerer Antrieb es war und ist, dem Wohl des Vaterlandes zu dienen. Dieser Gedanke allerdings scheint so weit jenseits des Horizonts von Robert Habeck zu liegen, dass er ihn einfach ignoriert und einen eigenen linken Patriotismus entwirft, der mit Patriotismus allerdings wenig zu tun hat.

Der linke Patriotismus, so Habeck, solle sich nicht auf Deutschland beziehen. Schließlich gebe es so etwas wie den „Geist einer Nation“ nicht, und dessen „völkische“ Konnotation verweise auf das Gedankengut der Nazis. Ein linker Patriotismus müsse daher die Nationalstaatlichkeit überwinden. Folgerichtig schlägt Habeck die EU als neues Objekt eines linken Patriotismus vor.

 

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Man muss diese Gedanken aus dem Jahr 2010 im Hinterkopf haben, um Habecks jüngste Aussage einzuordnen. Denn anlässlich des Beschlusses des Deutschen Fußball-Bundes, nach über 70 Jahren den Ausrüster zu wechseln und seine Trikots nicht aus Herzogenaurach liefern zu lassen, sondern aus Beaverton, Oregon, warf Habeck dem DFB mangelnden „Standortpatriotismus“ vor: „Ich kann mir das deutsche Trikot ohne die drei Streifen kaum vorstellen. Adidas und Schwarz-Rot-Gold gehörten für mich immer zusammen. Ein Stück deutscher Identität.“

Vermutlich hätte der Robert des Jahres 2010 sich für die Worte des Wirtschaftsministers Habeck 2024 ziemlich geschämt. Wer jetzt hinter Habecks neu entdecktem und quasi berufsbedingtem Standortpatriotismus eine Art gedankliche Neuverortung vermutet oder zumindest partiell entdeckte Vaterlandsliebe, der täuscht sich.

Habeck versteht seine eigene Ideologie nicht

Denn mit Patriotismus haben die gängigen Bindestrich-Patriotismen wenig zu tun. Sie sind eine intellektualistische Konstruktion. Nicht eine Nation oder das deutsche Volk des Grundgesetzes, dessen Traditionen und Kultur sind Objekt dieses Patriotismus, sondern juristische Regelungen und wirtschaftliche Vorteile. Die Nation als Verein mit Satzung, dem jeder beitreten kann. Und damit das Ganze nicht so spröde ist, wie es klingt, gibt man sich ganz opportunistisch noch als Fan von „Schland“.

Es ist fast ein wenig rührend, zu sehen, dass Habeck seine eigene Ideologie nicht versteht. Denn die Überwindung des Nationalstaates, von der er träumt, ist nur die andere Seite eines globalisierten Kapitalismus. Und in diesem globalisierten Kapitalismus gibt es für Sentimentalitäten wie Traditionen, Bindungen und Erinnerungen keinen Platz. In diesem globalisierten Kapitalismus geht es ausschließlich um eines: Geld. Und Nike, so heißt es, zahlt dem DFB doppelt so viel wie Adidas.

Das, was Habeck jetzt beklagt, ist das Ergebnis jenes Denkens, für das er selbst steht: postnational, global und internationalistisch. So kann man denken. Doch wer so denkt, der beklage sich bitte nicht über die Realitäten, die diese Ideologie mit sich bringt. 

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