Regierungskrise - Aufstand aus der zweiten Reihe

Den Mitgliederentscheid der FDP hat die Ampel überstanden. Dafür betreibt Vollblut-Oppositionspolitiker Anton Hofreiter den Protest gegen die Regierung bei Markus Lanz nun als Mitglied der grünen Bundestagsfraktion. Nachlese eines erstaunlichen Auftritts.

Anton Hofreiter bei Markus Lanz / Screenshot
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Autoreninfo

Jakob Ranke ist Volontär der Wochenzeitung Die Tagespost und lebt in Würzburg. Derzeit absolviert er eine Redaktions-Hospitanz bei Cicero.

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Vielleicht war die kleine Gemeinheit schuld, mit der Markus Lanz seinen Gesprächspartner in der jüngsten Talkrunde zu den Bauernprotesten vorstellte. Nicht nur, „weil er um ein Haar Landwirtschaftsminister geworden wäre“ sei er gespannt, was dieser Mann zu sagen habe; nein, Anton Hofreiter war auch als prominentes Mitglied der grünen Bundestagsfraktion in diese Talkshow geladen. Und in normalen Zeiten wäre es wiederum an Anton Hofreiter gewesen, den Zuschauern die Politik der Ampelregierung schmackhaft zu machen. 

Doch die Zeiten sind keine gewöhnlichen. Und so ließ Hofreiter alle Hemmungen fallen und gerierte sich in einer bemerkenswerten Rolle: als wütender Protagonist des Bauernaufstands der Machtlosen gegen die Regierung. Der er, wie von Lanz eingangs genüsslich angemerkt, ja gerne anstelle von Cem Özdemir als Landwirtschaftsminister angehört hätte. 

Ob er sich ganz sicher sei, dass Friedrich Merz kein besserer Kanzler als Olaf Scholz wäre, wollte Lanz etwa wissen. Antwort: „Traurigerweise: ja“. Er, also Hofreiter, sei ja ein großer Verfechter von schwarz-grün, und hätte sich sehr gewünscht, dass es bei der letzten Wahl dazu gereicht hätte. Jetzt aber müsse man „mit dem Personal arbeiten, das man hat“. 

Ist er gut, der Kanzler? „Das wird sich erst in der Rückschau zeigen.“ Er, so Hofreiter gnädig, würde sich jedenfalls mit vorschnellen Urteilen zurückhalten. Schließlich habe man auch „über eine sehr lange Zeit“ gedacht, dass Angela Merkel eine „hervorragende Kanzlerin“ gewesen sei. Deren Kanzlerschaft aber sei im Rückblick „eine einzige Katastrophe“ gewesen, was Hofreiter unter anderem mit dem Fehlen einer funktionierenden Rüstungsindustrie begründete. 

„Es geht halt nimmer alles“

Das aktuelle Regierungselend identifizierte Hofreiter pro forma Verteidiger der aktuellen Subventions-Kompromisslösung, nach der die Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge erhalten bleibt und die Steuerbefreiung für Agrardiesel erst schrittweise eingeführt werden soll mit regierungstechnischen und kommunikativen Unzulänglichkeiten. 

Die nun gefundene Lösung, so Hofreiter sinngemäß, sei fair und grundsätzlich vermittelbar. Nur hätten die verantwortlichen Koalitionsspitzen eben nicht erst den Umweg über die vollständige Subventionsstreichung, die die Proteste ausgelöst hatte, nehmen sollen. Und dass die weltpolitische Situation ein Weiterwursteln nicht zulasse („Es geht halt nimmer alles“) werde nicht kommuniziert. Alle müssten Einschnitte hinnehmen.
 

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In der Tat liegt Hofreiter mit dieser Erkenntnis recht weit entfernt von Scholz` Mantra, von wegen „wir werden niemanden alleine lassen“. Augenscheinlich fällt es dem Kanzler schwer, die Gründungsidee der Ampelregierung hinter sich zu lassen, nach der mithilfe verfassungswidriger Schuldenaufnahme die programmatischen Gegensätze der Koalitionspartner überdeckt werden sollten. Eigentlich sollte doch keiner Einschnitte hinnehmen müssen. Passé. 

„Man kann es Tricks nennen, man kann es kreative Haushaltsführung nennen“, befand Hofreiter, der Lanz regelmäßig zum Schmunzeln und sogar zum Lachen brachte ob seiner Deutlichkeit. Hofreiter: Scholz habe sich verzockt. Und der neuen Lage werde der Kanzler auch nicht gerecht: „Ich wünsche mir mehr Klarheit, mehr Führungsstärke und mehr Kommunikation, in welcher Lage wir sind. Und das leistet er halt nicht.“ Ist die aktuelle Krise also weniger ein Ampel-, denn ein Personalproblem? Es sei nicht möglich, so Hofreiter, die Führung des Kanzlers durch den Vizekanzler oder den Finanzminister zu ersetzen. Dies zu versuchen, würde sich als „Irrtum“ erweisen. 

Habeck als besserer Kanzler? 

Es mag dies ein Seitenhieb gegen Robert Habeck gewesen sein. Wofür, das ist unklar. Der grüne Vizekanzler gefällt sich seit geraumer Zeit nämlich darin, zu Regierungspolitik und allgemeinen Haltungsfragen in kumpelhaften Kurzvideos Stellung zu nehmen. Freunde seiner Botschaften sehen deshalb den besseren Kanzler in ihm; einen, der die Führungsaufgabe der klaren Kommunikation übernimmt. Und womöglich sieht auch Habeck den Habeck als besseren Kanzler; weshalb eine Absage Hofreiters von wegen Kanzlerwechsel noch zu internen Diskussionen führen könnte. Spätestens in zwei Jahren. Vorausgesetzt, die Umfragen für die Ampel erholen sich bis dahin wieder, wonach es derzeit kein bisschen aussieht. 

Hofreiter jedenfalls vermied zwar Habecks freudschen Versprecher, nach dem man „von der Wirklichkeit umzingelt“ sei. Inhaltlich aber schlugen seine Einlassungen in dieselbe Kerbe. „Wir Grünen sind halt diejenigen, die die wissenschaftliche Erkenntnis, die die Wissenschaft fast einhellig vorträgt, versuchen, in politische Veränderungen umzusetzen.“ Ein „brutaler Veränderungsdruck“ zwinge quasi dazu, Maßnahmen aus grünen Wahlprogrammen umzusetzen. „Es sind ja nicht wir, die den Veränderungsdruck ausüben, sondern es ist die Wirklichkeit.“ 

Das Regierungsgefüge bleibt fragil

Quo vadis, Ampel? Diese Frage mag sich so mancher Zuschauer gestellt haben. Gerade erst hat die Koalition die Klippe der FDP-Mitgliederbefragung zum Verbleib in der Regierung umschifft. Es wäre nun eine Überinterpretation, aus Hofreiters Aussagen eine neuerliche Anstiftung zum Koalitionsbruch herauszulesen; auch wenn es dazu scheinbar nur eines Wechsels in der Personalie des Oppositionsführers bedürfte. 

Eines jedenfalls zeigte sich in Lanz´ Sendung erneut: Das Regierungsgefüge bleibt fragil. Allerdings nicht nur, weil es an Kommunikation und vorausschauender Planung mangelt. Sondern weil sich ein Regierungspartner, der Kommunismus lässt grüßen, für den Erfüllungsgehilfen historischer Notwendigkeiten hält. Wie mit dieser Variante von Kompromissfähigkeit irgendwann eine effektivere Regierung – zumal schwarz-grün –  zustande kommen soll, bleibt einstweilen Hofreiters Geheimnis.
 

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