Quarantäne-Regelung - Karl Lauterbach macht einen Rückzieher

Gesundheitsminister Karl Lauterbach wollte in Absprache mit den Gesundheitsministern der Länder die Quarantänepflicht für Corona-Infizierte eigentlich abschaffen. Jetzt will er sie auf einmal doch beibehalten. Opposition, Länderminister, Gesundheitsämter und Krankenhäuser sind fassungslos über den Wankelmut des Bundesgesundheitsministers.

Wieder dort gelandet, wo er herkommt: Gesundheitsminister Karl Lauterbach / dpa
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Mathias Brodkorb ist Cicero-Autor und war Kultus- und Finanzminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Er gehört der SPD an.

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Nur wenige Tage nach dem Debakel um die Novellierung des Infektionsschutzgesetzes sieht es für Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erneut nicht allzu gut aus. Noch am Montag hatte er angekündigt, ab 1. Mai werde die von den Gesundheitsämtern angeordnete und zu überprüfende Quarantänepflicht abgeschafft. Nur einen Tag später kündigte er an: „Ich werde das wieder einkassieren.“

Die ursprünglich geplante Regelung tatsächlich durchzusetzen, wäre nach Lauterbach am Ende ein „verheerendes Signal“ gewesen: „Die Nachricht, die da mitläuft, ist: Lauterbach hält das jetzt für harmlos.“ Corona bleibe aber für viele Menschen immer noch gefährlich. Daher müsse ein Minister auch die Kraft haben, seine Fehler zu korrigieren. CDU-Chef Friedrich Merz kritisierte Lauterbachs Vorgehen als „kurzatmig“.

Dabei war Lauterbach, der als eigensinniger politischer Einzelgänger gilt, diesmal ein Fehler nicht unterlaufen: sich mit seinen politischen Partnern nicht abzustimmen. Erst am Montag hatte er sich für seine Pläne die Rückendeckung aller Gesundheitsminister der Länder geholt. Deren Vorsitzende, Ministerin Petra Grimm-Benne (SPD) ließ die Öffentlichkeit nach einer Konferenz daher auch wissen: „Den geplanten Strategiewechsel der Quarantäne- und Isolationsregelungen hin zu mehr Eigenverantwortung halten wir für vertretbar.“

Überforderte Gesundheitsämter

Grund für die Einmütigkeit unter Deutschlands Gesundheitsministern: Die Gesundheitsämter sind aufgrund der enormen Infektionszahlen schon heute völlig überfordert, die Anordnungen zeitnah auszusprechen. Häufig treffen die Schreiben erst kurz vor dem Auslaufen der Quarantäne bei den Betroffenen ein, in manchen Fällen erst danach. Und von einer Überprüfung ihrer Einhaltung kann schon überhaupt nicht die Rede sein. „Die Gesundheitsämter sind schlicht und ergreifend komplett überlastet“, begründet Lauterbach seine ursprünglichen Pläne.

Aber nicht nur die Gesundheitsämter brauchen Hilfe. Ganz genauso geht es den Krankenhäusern. Die leiden aber gar nicht, wie noch zu Anfang der Pandemie, unter einer zu großen Zahl schwer erkrankter Corona-Patienten, sondern an zu wenig Personal. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) beklagt an 75 Prozent aller Krankenhäuser massive Personalausfälle mit entsprechender Einschränkung von Behandlungsmöglichkeiten.

Quarantäne nur für Infizierte

Und das ist keine Überraschung: Mit der Lockerung der Regelungen nach dem Infektionsschutzgesetz verbleiben die Infektionszahlen auf hohem Niveau. Ohne Anpassung der bisher strengen Quarantäneregeln funktionieren die dann wie ein Staubsauger, der Kontaktpersonen wie Infizierte gleichermaßen von ihren Arbeitsplätzen wegsaugt.

Lauterbachs Rückzieher von seiner ursprünglichen Ankündigung betrifft aus diesem Grunde nicht alle, die bisher von Quarantäne oder Isolation betroffen sind. Nur tatsächlich Infizierte sollen künftig weiterhin zwangsweise zu Hause bleiben müssen. Kontaktpersonen sind davon ab 1. Mai ausgenommen. Zudem wird die Quarantänezeit von sieben auf fünf Tage verkürzt.

In Kompromissen verdribbelt

Warum nur einen Tag zuvor allen deutschen Gesundheitsministern dieser „Fehler“ überhaupt unterlaufen war, darüber schwieg sich Lauterbach vor laufenden Kameras aus. Nur einer Andeutung konnte man den Hinweis entnehmen, dass diese Entscheidung wohl zu einem größeren Kompromiss zur stufenweisen Einführung der Impfpflicht gehört, die am Donnerstag dieser Woche den Bundestag passieren soll. Die Regelung, für die sich Lauterbach einsetzt, sieht dabei eine sofortige Impfpflicht für über 60-Jährige und eine Impfpflicht ab 18 Jahren ab Herbst vor, falls dies erforderlich sein sollte.

Während Lauterbach in der Vergangenheit mitunter vorgeworfen wurde, sich mit seinen politischen Partnern nicht ausreichend abzustimmen und Alleingänge zu riskieren, ist es nun im Grunde genau umgekehrt: Das zuvor einmütig Vereinbarte wird nicht in die Tat umgesetzt. Seine Reputation im politischen Betrieb wird das nicht unbedingt erhöhen. Der Gesundheitsminister droht auf Dauer seinen politischen Rückhalt durch allzu raffinierte politische Kompromisse zu verspielen.

Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) aus Schleswig-Holstein jedenfalls ist not amused und macht seinem Unmut auch öffentlich Luft. Lauterbachs Entscheidung sei ein „chaotisches wie unprofessionelles Hin und Her“, das das Vertrauen in die Politik zerstöre. Und Garg macht eine Ankündigung: „Änderungen bei der Absonderung zum Monat Mai bleiben richtig und konsequent – es sei denn, die fachlichen Voraussetzungen haben sich hier in den letzten 48 Stunden grundlegend geändert. Das sehe ich im Moment nicht. Herr Lauterbach muss viel erklären – und das nicht erst zur nächsten Gesundheitsministerkonferenz kommenden Montag.“ Nach einem kurzen Ausflug in die Welt der kooperativen Politik ist Lauterbach in Blitzgeschwindigkeit wieder dort gelandet, wo er herkommt: in der Welt eines Eigenbrötlers.

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