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Angela Merkel - Vertrauen in ein Phantom

Angela Merkel wird großes Vertrauen entgegengebracht. Aber woran liegt das?

Nils Heisterhagen

Autoreninfo

Nils Heisterhagen ist Sozialdemokrat und Publizist. Zuletzt sind von ihm im Dietz-Verlag erschienen: „Das Streben nach Freiheit“ und  „Die liberale Illusion“.

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Es war das Ereignis, um das sich das ganze Wahljahr drehte. Am 17. Dezember 2013. Morgens früh im deutschen Bundestag. Das Parlament hat Angela Merkel gerade mit einer Mehrheit zur Bundeskanzlerin gemacht. Bundestagspräsident Norbert Lammert fragt, wie es das Protokoll verlangt, Angela Merkel, ob sie die Wahl zur Bundeskanzlerin annehmen will. „Herr Präsident“, sagt sie, „ich nehme die Wahl an und bedanke mich für das Vertrauen.“

Vertrauen – es ist das Stichwort ihres Wahlkampfes. Schon im TV-Duell gegen Peer Steinbrück sagte sie: „Sie kennen mich.“ Sagen wollte sie: „Ich bin vertrauenswürdig, wählt mich. Ich habe es doch ganz gut gemacht bisher.“

Ihre dritte Kanzlerschaft verdankt Merkel sich quasi selbst. Denn der Wahlkampf der CDU war allein auf sie zugeschnitten. Sie hat sich als die Kümmerin inszeniert. Und die Wähler vertrauten ihr und bescherten der CDU den größten Stimmenzuwachs in ihrer Geschichte. Politik in der liberalen Demokratie hat in der Tat viel mit Vertrauen in Personen zu tun. Merkel ist der Beweis.

Aber was ist Vertrauen eigentlich?

Vertrauen reduziert Komplexität. Es schafft Handlungsfähigkeit in einer Welt vieler Möglichkeiten, wie der Soziologe Niklas Luhmann einmal sagte. Er sprach aber auch davon, dass Vertrauen nur noch in engen persönlichen Beziehungen möglich sei, da man nur da beurteilen könne, ob jemand auch vertrauenswürdig ist. Vertrauen muss also wachsen und man muss es sich verdienen. Das Risiko beim Vertrauen sei aber auch, dass der andere es ausnutzen könnte. So prüfe man beim Wagnis des Vertrauens, ob „der Schaden beim Vertrauensbruch größer sein kann als der Vorteil, der aus dem Vertrauenserweis gezogen wird.“ Luhmann hat das Vertrauen daher eine „riskante Vorleistung“ genannt. Wenn Vertrauen jedoch gewachsen ist, ist die rationale Überlegung nicht mehr ständig nötig, weil die positiven Erfahrungen den möglichen Vertrauensbruch unwahrscheinlich erscheinen lassen.

Vertrauen zwischen Personen, die sich nicht persönlich kennen, scheint nach Luhmann jedoch ausgeschlossen.

Doch Angela Merkel hat sich Vertrauen erworben. Ob sie es auch verdient hat, ist eine andere Frage. In der Finanzkrise und Eurokrise, die sich seit 2008 vollzieht, hat Deutschland eine gute Performance abgelegt. Und das wurde vor allem Angela Merkel gut geschrieben. Die erste Große Koalition unter ihrer Führung verhinderte den Abstieg Deutschlands und in der Folge wurde Merkel gar zur mächtigsten Frau dieser Welt.

Die Frage ist nun: Warum vertrauen viele Leute Angela Merkel, obgleich sie sie persönlich nicht kennen oder warum vertraut man eigentlich generell anderen unbekannten Personen, die man noch nicht lange kennt? Warum können unbekannte Personen wie Politiker überhaupt Vertrauen anderer Menschen erringen?

Die Antwort ist wohl: Weil die Bürger ihnen eine Chance geben, solange sich keine schlechten Erfahrungen einstellen. Man muss bei Personen, die man nicht gut kennt, jedoch viel stärker rational agieren, weil dem Vertrauen die persönliche Nähe der gegenseitigen Vergewisserung fehlt. Die gute persönliche Erfahrung, die man bei Freunden hat, und ihnen deshalb vertraut, muss also ein Politiker durch gute Ergebnisse und redliche Erscheinung ausgleichen. Doch auch wenn man stärker rationale Kategorien in Betracht ziehen muss, wenn man einem unbekannte Personen bewertet, so muss man auch konstatieren, dass Vertrauen auch in die Personen, die einem weniger bekannt sind, wachsen kann.

Vertrauen muss man sich erwerben
 

Blickt man auf das Jahr 2005 zurück, war die Kanzlerkandidatin Merkel noch sehr unbeliebt. Gerhard Schröder war der, der die Sympathien hatte, und obgleich seine Basis ihm wegen der Hartz-Reformen große Probleme machte, holte er nach großem Rückstand noch fast den Wahlsieg. Merkel hatte es zu Anfang ihrer Kanzlerschaft alles andere als leicht. Sie war weit entfernt von ihrem heutigen Status. Doch durch die stabile Arbeit der ersten Großen Koalition unter ihr, in der Deutschland durch viele Maßnahmen – wie das Kurzarbeitergeld oder die Konjunkturprogramme – besser durch die Finanzkrise kam als andere europäische Länder, ist Vertrauen gewachsen.

Merkel wird vertraut, weil sie als Stabilitätsgarant gilt. Sie hat Vertrauen vor allem durch die stabile wirtschaftliche Lage erworben, – auch wenn die wirtschaftliche Lage nie allein auf das Handeln eines Politikers zurückzuführen ist, dazu hat die Wirtschaft ihre eigene Dynamik.

Doch es fragt sich, warum die Lorbeeren für die gute Performance Deutschlands in der Krise vor allem ihr zugeschrieben wurden und nicht den an der deutschen Stabilität genauso beteiligten SPD-Ministern oder auch der FDP als dem neuen Mitakteur nach 2009. Merkel regierte sie alle klein. Die Lorbeeren erntete allein sie – und auch nicht die CDU als Partei.

Woran mag das liegen?

Das mag an manchen Eigenschaften von Angela Merkel liegen, die ihr zugeschrieben werden wie Geduld und Bescheidenheit und die sie besonnen erscheinen lassen. Es mag vielleicht auch daran liegen, dass sie einen präsidialen Regierungsstil pflegt. Sie schickt ihren Generalsekretär, Fraktionsvorsitzenden und ihre CDU-Minister vor, damit diese sich in den öffentlichen Streitereien mit den politischen Gegnern aufreiben. Dann entscheidet sie nach langem Schweigen, was sie tut. Sie bekennt sich nicht, und kreiert so das Image der Regierungspräsidentin, die über allem steht und ausgewogene Entscheidungen trifft.

Die Mediendemokratie ist personenfixiert
 

Das hohe Vertrauen in Angela Merkel kann aber auch an der personenfixierten Mediendemokratie liegen, die vor allem hierarchisch denkt. Wer die Krone hat, dem gilt die Aufmerksamkeit. Der Rest gehört nur zum Hofstaat. Diese monarchische Tendenz der Demokratie drückt sich in der Mediendemokratie besonders stark aus. Und wenn Merkel sich das Lob für wirtschaftliche Erfolge zuschreibt – und es seit jeher gilt, dass eine prosperierende Wirtschaft die Regierenden stützt –, dann wird es oft von den Berichterstattern weitergetragen. Und wenn das Volk zufrieden ist – oder zumindest Furcht vor Wandel hat – dann begünstigt das die Person an der Spitze.

Erfolg wie Misserfolg möchten viele Bürger eben gerne bestimmten Personen zuordnen können. Es ist einfacher, eine Person verantwortlich zu machen.

Personen fungieren in einer liberalen Demokratie auch als Medium von inhaltlichen Wünschen. In einer personenfixierten Mediendemokratie wird das caesaristische Merkmal einer liberalen Demokratie sogar noch verstärkt.

Angela Merkels Regierungsstil passt zur liberalen Demokratie. Gemäß der Idee des Liberalismus wird für das Volk regiert. Eine plebiszitäre Führerdemokratie ist da nur das Extrem der liberalen Demokratieidee.

Solange in der Mediendemokratie Personen wichtiger sind als Inhalte, darf sich Angela Merkel weiter für das Vertrauen bedanken. „Danke liebes Volk!“

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