Petra Leister - Die Clan-Jägerin

In Bremen wurde ein führendes Mitglied des Miri-Clans abgeschoben. In Berlin gilt derweil die Berliner Oberstaatsanwältin Petra Leister als strengste Anklägerin krimineller Mitglieder arabischer Clans. Doch ihre Methoden sind riskant – auch für sie selbst

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Petra Leister gilt als tough, hartnäckig, geradlinig und teamfähig / picture alliance
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Autoreninfo

Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Die Szene war filmreif. Da hatte das Berliner Amtsgericht Deutschlands bekanntesten Clan-Chef, Arafat Abou-Chaker, zu acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt, weil er einem Hausmeister ohne Vorwarnung die Nase gebrochen hatte. Der Ex-Manager des Rappers Bushido wollte den Gerichtssaal gerade verlassen, da betrat Petra Leister die Bühne. Zierlich, feuerrote Haare, eine strenge Brille auf der Nase und eine Mappe mit einem Haftbefehl unterm Arm. Der Oberstaatsanwältin gelang etwas, was noch keinem Kollegen vor ihr gelungen war. Sie ließ Abou-Chaker verhaften

„Die traut sich was“, raunten Kollegen. Doch der Showdown hatte ein Nachspiel. Zwei Wochen später war Abou-­Chaker wieder auf freiem Fuß. Der Verdacht, er habe versucht, die Kinder und die Frau von Bushido entführen zu lassen, ließ sich nicht erhärten. Das Verfahren wurde eingestellt. Die Verhaftung sei „eine reine Show-Veranstaltung“ gewesen, kritisiert sein Anwalt, Burkhard Benecken. 

Die Nachricht von der Verhaftung Abou-Chakers schaffte es auf die Titelseite der Bild. Dagegen ging die Meldung von der Freilassung fast unter. Was blieb, war der Eindruck, der Rechtsstaat habe gesiegt – wenn auch nur symbolisch. Mehr als 30 Verfahren hatte die Staatsanwaltschaft gegen Abou-Chaker angestrengt. Körperverletzung, Drogenhandel, Prostitution, Schutzgeld. Nie wurde er verurteilt. Zeugen zogen ihre Aussage jedes Mal wieder zurück. Der Hausmeister, dem er die Nase gebrochen hatte, war der Erste, der standhaft blieb.

Der Workaholic

Tough, hartnäckig, geradlinig, teamfähig, das sind Attribute, die Kollegen Leister attestieren. 1964 geboren, Jurastudium in Köln, seit 2013 in Berlin, Leiterin der Abteilung für Organisierte Kriminalität. Die ist in der Hauptstadt vor allem mit arabischen Clans befasst. Jeder fünfte Tatverdächtige wird diesem Milieu zugerechnet.

Petra Leister gilt als Workaholic. Als jemand, der für seinen Job brennt. „Ich würde mir wünschen, es gäbe mehr von ihrer Sorte“, sagt Neuköllns stellvertretender Bezirksbürgermeister Falko Liecke (CDU). Weil die meisten Clan-Mitglieder in seinem Bezirk leben, hat Leister dort ein zweites Büro – einmal die Woche kommt sie mit der U-Bahn.

Sie müsse doch wissen, wo und wie ihre Pappenheimer leben, hat sie einmal gesagt. Sich zu vernetzen, ist Teil ihrer neuen Strategie. Nicht mehr bis zum Tag X ermitteln, bis die Beweise reichten, um ein ganzes Netzwerk aufzuheben. Lieber intensiver gegen einzelne Tatverdächtige ermitteln und kleinere Verfahren sammeln, die für eine schnellere Verurteilung reichten.

Man hätte sie gerne gefragt, was ihr durch den Kopf ging, als sie Abou-Cha­ker im Januar verhaften ließ. Der Hinweis auf die angeblichen Pläne für eine Entführung war von der Ex-Frau seines Bruders gekommen. Sie hatte noch eine Rechnung mit der Familie offen.

Sorge um ihre Sicherheit

Doch Interviewanfragen sagt Leister ab. Die Chefanklägerin steht dieser Tage unter gewaltigem Druck. Im Juli 2018 hatte sie 77 Immobilien des Remmo-Clans beschlagnahmt. Die Häuser sollen mit dem Geld aus Raubüberfällen finanziert worden sein. Doch das muss sie nachweisen, die Beweislast liegt beim Staat. Die Ermittlungen sind zeit- und personalintensiv. Die Politik hingegen braucht schnelle Erfolge. Was passiert, wenn sie die Beweise nicht liefern kann, beschreibt ein Experte so: „Das wäre eine Katastrophe für den Rechtsstaat.“ 

Dazu kommt die Sorge um ihre Sicherheit. Eine Chefanklägerin ist in den Augen arabischer Männer eine doppelte Provokation. Leister bekommt keinen Polizeischutz, sie gilt aber als gefährdet. Ihr Name wird nicht in der Meldebehörde geführt. Ihr Autokennzeichen kann nicht abgefragt werden. Die PR-wirksame Verhaftung seines Mandanten habe nicht dazu geführt, dass kriminelle Araber den Rechtsstaat mehr respektieren, sagt Abou-Chakers Anwalt Benecken. „Im Gegenteil: Sie reagieren mit Abwehr.“ 

Nicht genug Unterstützung von der Politik

„Sind Justiz und Polizei im Kampf gegen die Clans machtlos?“ Dieser Frage hatte sich Leister im November in der ARD-Talkshow „Hart, aber fair“ gestellt. Schlagfertig, aber besonnen hatte sie da auf die Fragen von Moderator Frank Plasberg gekontert. 

Auch die, ob in ihrem Büro schon die Digitalisierung eingezogen sei. Ein Bild wurde dazu eingeblendet: Das Zimmer war vollgerumpelt mit Akten und damit ein Sinnbild für das Dilemma der Berliner Staatsanwaltschaft. Die, daraus machte Leister keinen Hehl, fühle sich von der Politik nicht ausreichend unterstützt. Die personelle Ausstattung sei viel schlechter als in anderen Bundesländern. Über ihr Büro könne sie da wirklich nicht meckern, sagte Leister ungerührt. „Es ist relativ groß und sieht manierlich aus. Wir haben sogar zwei Bildschirme.“ 

 

Dieser Text erschien in der Juli-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

 

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