Die Lage der Parteien - Festgefahren

Die CDU ist auf 30 Prozent festgenagelt, die SPD steckt bei der Hälfte fest, und auch bei den anderen Parteien gibt es in den Umfragen kaum Bewegung. Woran liegt das? Ist die Politik zu langweilig, oder herrscht eine trügerische Ruhe vor dem Sturm?

In Süddeutschland kommt man derzeit nur mit dem Schlitten voran. Auch den Parteien fehlt derzeit die Dynamik / picture alliance
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Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Aufbruch sieht sicher anders aus. Auf ganze 29 Prozent kommt die CDU im aktuellen Politbarometer der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen. Das ist ein Prozent weniger als vor Weihnachten. Für eine Partei, die sich mit neuer Vorsitzenden, neuem Generalsekretär und erneuertem Selbstbewusstsein angeblich im Aufwärtstrend befindet, ist das ein ernüchterndes Ergebnis.

CDU auf 30 Prozent festgenagelt

Nicht einmal einen Schulz-Hype hat AKK also bisher erlebt. Und das, obwohl ihr dafür der mediale Rahmen durchaus bereitet wurde. Davon auszugehen, dass es noch zu einer Art Spätzündung kommt, ist ziemlich tollkühn. Fast sieht es so aus, als ob die CDU mit Angela Merkel im Kanzleramt auf dem 30 Prozent-Niveau festgenagelt bleibt. Ob es mit AKK im Kanzleramt besser aussähe, ist anzunehmen.

Aber selbst in einer Mediendemokratie wählen die Menschen nicht ausschließlich Personen und Images, sondern mitunter auch Ideen und Programme. Und bisher ist es der neuen Parteiführung noch nicht gelungen, zu kommunizieren, wie sie auf die alten und die absehbaren Krisen zu reagieren gedenkt. Das ist nach einem Monat im Amt inklusive Weihnachtspause auch nicht zu erwarten, doch beschleicht einen das Gefühl, dass sich das in den nächsten Wochen auch nicht ändern wird.

Hier zeigt sich, was nicht Wenige prognostiziert haben: Die Aufspaltung von Parteivorsitz und Kanzlerschaft kann den notwendigen Aufbruch in der Union im Keim ersticken. Denn AKK kann nicht in Opposition zur eigenen Regierungschefin gehen, einfach weiterwurschteln geht aber auch nicht. Dilemma vorprogrammiert.

Da tröstet es die Union wahrscheinlich nicht wirklich, dass die ehemalige Konkurrenz von der Sozialdemokratie sich dauerhaft im 15 Prozent-Bereich bewegt, Tendenz darunter.

Die SPD strampelt und zappelt

Man hat den Eindruck, die SPD ist langsam auf den harten Kern ihrer unbeirrbaren Stammwähler zusammengeschrumpft. Das kann die Sozialdemokraten einerseits beruhigen, weil das eine gewisse Haltelinie verspricht. Andererseits ist kaum vorstellbar, wie die Genossen aus diesem demoskopischen Bereich je wieder rauskommen wollen. Die Fünfzehnprozentmarke scheint klebrig wie ein Spinnennetz. Und je mehr die SPD strampelt und zappelt, desto sicherer bleibt sie dort haften.

Denn Wähler zieht man nicht nur mit Programmen und Ideen an, sondern mit Fantasien und mit diffusen Versprechen auf die Zukunft. Die SPD müsste das eigentlich wissen. Anfang der siebziger Jahre ist ihr das hervorragend gelungen. Doch das ist eine politische Ewigkeit her. Aktuell sind es die Grünen, die solche politischen Wohlfühlprojektionen auszulösen vermögen und so im Politbarometer mit 21 Prozent auf Platz zwei hinter der Union landen. Die ehemalige Programmpartei hat unter den beiden Realos Anna-Lena Baerbock und Robert Habeck die hohe Kunst entwickelt, mediale Dauerpräsenz mit möglichst vagen, aber irgendwie kuschelig klingenden Worten zu kombinieren. So macht man das.

Zunehmend gereizt auf den Erfolg der Grünen reagiert die FDP. Also hechelt man, wie jüngst beim Dreikönigstreffen, dem Zeitgeist hinterher, sei’s in Sachen Reproduktionsmedizin, Ökologie, lebenslangem Bafög oder Europa. Mit klassischem Liberalismus hat das wenig zutun, umso mehr aber grünen Gesellschaftsentwürfen. Ob’s den Liberalen nützen wird, darf man bezweifeln.

AfD erstaunlich konstant

Erstaunlich konstant zeigt sich die AfD. Dafür, dass die Partei unter medialem Dauerfeuer und erheblichem gesellschaftlichen Druck steht, sind 14 Prozent ein stabiler Wert. Um sich dauerhaft als nationalkonservative demokratische Kraft zu etablieren, muss sich die Alternative jedoch glaubwürdig von Irrlichtern aller Art distanzieren. Der Austritt von André Poggenburg ist da ein wichtiger, aber eben auch nur symbolischer Schritt.

Fazit: Vier Monate vor der Europawahl und angesichts dunkler Wolken am wirtschaftlichen Horizont sind die aktuellen Umfragewerte, auch die von infratest dimap vom vergangenen Donnerstag, Ausdruck der Ruhe vor dem Sturm. Ob die derzeitige Regierungskoalition entsprechende Stürme überleben würde, darf man bezweifeln. Doch durch das Ende von Schwarz-Rot würde auch wieder Dynamik in die zurzeit öde politische Landschaft kommen. Zumindest so viel ist sicher.

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