Nord Stream 2 und die „Klimaschutzstiftung“ in Mecklenburg-Vorpommern - Muss Schwesigs Stiftung 10 Millionen Schenkungssteuer zahlen?

Bisher hat sich die Stiftung Klima- und Umweltschutz MV hinter einer Mauer der Intransparenz versteckt. Ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss soll nun Aufklärung über die Russland-Verbindungen und die Investitionen der von der Nord Stream 2 AG finanzierten Stiftung bringen. Interessant dürfte in diesem Rahmen auch die Frage der Steuerpflicht sein: Muss die Stiftung nicht 50 Prozent Schenkungssteuer für die Gazprom-Millionen zahlen?

Manuela Schwesig (SPD) besichtigt 2021 mit dem russischen Botschafter in Berlin die Gasanlandestation von Nord Stream 2 / dpa
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Ulrich Thiele ist Politik-Redakteur bei Business Insider Deutschland. Auf Twitter ist er als @ul_thi zu finden. Threema-ID: 82PEBDW9

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Noch versteckt sich die Stiftung Klima- und Umweltschutz MV wohl hinter einer Mauertaktik, doch bald könnte ihrer Transparenzverweigerung ein Ende gesetzt werden. Die sogenannte Jamaika-Opposition in Mecklenburg-Vorpommern hat nun einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss angekündigt. Im Mai soll es losgehen, ranghohe SPD-Politiker könnten als Zeugen zitiert werden: Manuela Schwesig, Ex-Ministerpräsident und Stiftungsvorstand Erwin Sellering, möglicherweise sogar Ex-Kanzler Gerhard Schröder. Mit dem PUA solle das „Geflecht zwischen SPD und Strukturen in Russland“ offengelegt werden, so CDU-Landeschef Eckhardt Rehberg.

„Fake-Stiftung“

Zur Erinnerung: Im Januar 2021 rief die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern um Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) mit Hilfe des russischen Gaskonzerns Gazprom die umstrittene Klimaschutzstiftung ins Leben. Das Land Mecklenburg-Vorpommern stellte 200.000 Euro Kapital, Nord Stream 20 Millionen Euro. Seit ihrer Gründung haftet an der Stiftung der Vorwurf, eine „Fake-Stiftung“ zu sein. Vordergründig sollten mit den Gewinnen aus den russischen Gas-Geschäften Umweltprojekte gefördert werden. Das politische Hauptziel der Stiftung war jedoch offenbar, die amerikanischen Sanktionen zu umgehen und so die Gaspipeline Nord Stream 2 in Betrieb zu setzen. Dafür hat sich die Stiftung in ihrer Satzung die Möglichkeit geschaffen, durch Tochterfirmen wirtschaftliche Geschäftsbetriebe ausüben zu können. Auf dieser Grundlage erfolgte sowohl die Beteiligung an einer Gesellschaft für maritime Dienstleistungen als auch der Betrieb des Schiffes „Blue Ship“. Das Ziel: Die Stiftung selbst wollte den Weiterbau der Pipeline voranbringen.

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Nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine fürchtete Ministerpräsidentin Schwesig offenbar um ihr Image und verkündete via Social Media einen Bruch mit ihrer bisherigen Russlandpolitik. In diesem Rahmen kündigte sie auch eine Auflösung der „Klimaschutzstiftung“ an, zudem sollten die von Gazprom-Tochter Nord Stream zur Verfügung gestellten Stiftungsgelder von 20 Millionen Euro für humanitäre Zwecke in der Ukraine eingesetzt werden. Allerdings ist die Auflösung der Stiftung rechtlich wohl nicht möglich oder setzt zumindest einen langwierigen Prozess voraus. Der Chef der Stiftung, Ex-Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD), beharrte nach Verkündung von Schwesigs Plan auf den engen rechtlichen Rahmen und lehnte eine rechtswidrige Auflösung der Stiftung ab, inzwischen hat er verkündet, einer Auflösung nicht mehr im Weg stehen zu wollen, sollte die rechtliche Lage dies ermöglichen.

Was ist eigentlich mit der Steuerpflicht?

Zahlreiche Fragen über die Finanzierung und die Aktivitäten der Stiftung sind noch im Unklaren. Was genau wurde mit den Nord-Stream-2-Millionen finanziert? Beteiligte sich die Stiftung mit Schiffen direkt an den Arbeiten? Wie viele Klimaschutzprojekte wurden überhaupt gefördert?

Eine interessante Frage dürfte auch die nach der Steuerpflicht der Stiftung sein. Bisher war stets von 20 Millionen Euro Nord-Stream-2-Geldern die Rede. Allerdings ist die Stiftung nicht offiziell als gemeinnützig anerkannt, in ihrer Satzung schreibt sie sich lediglich gemeinwohlorientierte Ziele vor. Folglich müsste für Zustiftungen wie die von Nord Stream 2 die Schenkungssteuer anfallen. Bei dieser hohen Summe läge die Steuer sogar in Höhe des Spitzensteuersatzes von 50 Prozent. In dem Fall stünden für Klimaschutzziele, anders als behauptet, nicht 20 Millionen, sondern nur rund 10 Millionen Euro zur Verfügung.

Nachfragen wurden nicht beantwortet

Auf Anfrage von Cicero, ob die Stiftung offiziell mit einem Bescheid vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt ist, bestätigt sie: „nein, im Sinne des Steuerrechts“. Zur Frage nach der Schenkungssteuer teilt sie mit: „Es wurden Schenkungssteuererklärungen abgegeben. Wir bitten mit Hinweis auf das Steuergeheimnis um Verständnis, dass wir hierzu keine weitergehenden Aussagen treffen.“ Unter Verweis auf ein öffentliches Interesse stellte Cicero vier Nachfragen, die die Stiftung bisher unbeantwortet ließ.

In der heutigen Befragung der Landesregierung befragte der Grünen-Landtagsabgeordnete Hannes Damm Finanzminister Heiko Geue (SPD) zum Thema Schenkungssteuern der Stiftung. Geue reagierte etwas empört, er habe sich auf das von Damm angekündigte Thema „Einnahmen der öffentlichen Kassen durch Schenkungs- und Erbschaftssteuern“ vorbereitet. Er könne sagen, dass keine Schenkungssteuer von der Stiftung geflossen ist. Nachfrage von Damm, da die Stiftung demnach keine Schenkungssteuer gezahlt hat: Ob die Stiftung, da sie nicht gemeinnützig ist, eine Schenkungssteuerschuld von 50 Prozent gegenüber dem Land hat. Darauf habe er sich nicht vorbereiten können, so Geue, der eine schriftliche Beantwortung der Frage ankündigte.

Einschätzung eines Stiftungsrechtlers

Cicero bat den Stiftungsrechtler Jörg Seifart um Einschätzung der Lage. Seifart:

Unter der Voraussetzung, dass es sich bei den Geldern der Nord Stream 2 AG, wie öffentlich verkündet, um Zustiftungen und Spenden handelt, fällt auch für diese Zuwendung Schenkungsteuer an. Der Freibetrag beträgt 20.000 Euro und der Schenkungssteuersatz liegt bei einer Summe von 20 Mio. Euro bei 50 Prozent. Das Vermögen der Stiftung setzt sich laut Angaben aus 200.000 Euro vom Land Mecklenburg-Vorpommern und der Zustiftung von Nord Stream 2 von 20 Mio. Euro zusammen, es beträgt also 20,2 Mio. Euro. Die Berechnung der Schenkungssteuer auf die 20 Mio. Zustiftung von Nord Stream 2 ist dann recht einfach. Von der Summe müssen Sie den Freibetrag abziehen und das Ergebnis durch zwei teilen, das heißt, die Schenkungssteuer für die 20 Mio. Euro liegt bei 9,99 Mio. Euro.

Dadurch, dass die Stiftung wohl die Schenkungssteuer wird bezahlen müssen, ist dieses Geld nicht mehr für den Klima- und Umweltschutz da, sondern beim Finanzamt. Wobei man fairer Weise dazu sagen muss, dass die Stiftung dieses Geld hätte anlegen müssen und nur die Erträge für den Klima- und Umweltschutzprojekte hätten verwendet werden dürfen. Allerdings, wenn Sie eine nicht unrealistische Ausschüttungsrendite von mindestens 2 Prozent unterstellen, hat man so wenigstens 200.000 Euro jährlich für Klima- und Umweltschutzprojekte nicht zur Verfügung.

Anmerkung, 08.04.2022: In einer früheren Version haben wir die 200.000 Euro Zustiftung vom Land Mecklenburg-Vorpommern und die 20. Mio Euro von Nord Stream 2 zusammengerechnet und darauf nach Abzug des Freibetrags von 20.000 Euro 50 Prozent Schenkungssteuer berechnet. Tatsächlich müssten wohl beide Zustiftungen getrennt voneinander besteuert werden. Für die 200.000 Euro vom Land gilt dann nicht der Höchstsatz von 50 Prozent, sondern 30 Prozent nach Abzug des Freibetrags. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

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