Mecklenburg-Vorpommerns „Klimaschutzstiftung“ - Hoppla, die Steuerpflicht vergessen?

Manuela Schwesigs „Klimaschutzstiftung“ entpuppt sich immer mehr als ein von der Nord Stream 2 AG diktierter Vorposten des Kremls. Doch auch der ist nicht vor Dilettantismus gefeit. „Cicero“-Recherchen legen nahe, dass den Stiftern schwerwiegende Patzer beim Erstellen der Satzung unterlaufen sein könnten. Haben die Verantwortlichen etwa vergessen, dass die Stiftung Steuern zahlen muss, wenn sie keine Gemeinnützigkeit anmeldet? Wenn dem so ist, könnte das teuer werden. Von der Jamaika-Opposition kommt bereits deutliche Kritik.

Ministerpräsidentin Manuela Schwesig sucht derzeit nach einem Sündenbock für ihre „Klimaschutzstiftung“. Schon droht der nächste Ärger / dpa
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Ulrich Thiele ist Politik-Redakteur bei Business Insider Deutschland. Auf Twitter ist er als @ul_thi zu finden. Threema-ID: 82PEBDW9

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Momentan hat Manuela Schwesig genug damit zu tun, einen Sündenbock für die enthüllte Russlandverstrickung ihrer Stiftung zu opfern. Zur Erinnerung: Das Land Mecklenburg-Vorpommern gründete die Stiftung Klima- und Umweltschutz MV Anfang 2021 offensichtlich, um unter dem Deckmantel des Klimaschutzes mit einem Geschäftsbetrieb die US-Sanktionen zu umgehen und den Bau der deutsch-russischen Nord-Stream-2 Pipeline voranzutreiben. Nord Stream 2 spendierte der Stiftung auch eine Zustiftung von 20 Millionen Euro.

Wie jüngst durch Enthüllungen der Welt am Sonntag herausgekommen ist, diktierte das Unternehmen maßgeblich die Gründung der Stiftung – bis hin zu Argumentationspapieren, mit denen die Politiker die Stiftung bei Presseanfragen rechtfertigen sollten. Obwohl Schwesig und ihre Staatskanzlei mit ihrem Chef Heiko Geue (SPD), dem heutigen Finanzminister Mecklenburg-Vorpommerns, eng mit der Stiftung der Nord Stream 2 AG im Austausch standen, schiebt sie die Verantwortung nun auf ihren jetzigen Innenminister Christian Pegel (SPD) ab: „Die Idee zur Gründung ist innerhalb der Landesregierung vom damaligen Energieminister Christian Pegel entwickelt worden“, erklärte Schwesig kürzlich. Als wäre diese Baustelle nicht schon groß genug, steht die Stiftung womöglich auch vor einem steuerrechtlichen Problem.

50 Prozent Schenkungssteuer vergessen?

Recherchen von Cicero haben Anfang April ergeben, dass die Stiftung wohl schenkungssteuerpflichtig ist. Schließlich ist sie nicht offiziell als gemeinnützig anerkannt und erhält somit nicht die Steuererleichterungen einer gemeinnützigen Stiftung – in ihrer Satzung schreibt sie sich lediglich gemeinwohlorientierte Ziele vor. Das könnte nun teure Folgen haben: Unter der Voraussetzung, dass es sich bei den 20 Mio. Euro von der Nord Stream 2 AG, wie öffentlich von der Stiftung selbst verkündet, um Zustiftungen handelt, fällt auch für diese Zuwendung Schenkungsteuer an.

Bei einer solchen Summe liegt die Steuer sogar in Höhe des Spitzensteuersatzes von 50 Prozent. In dem Fall stünden für Klimaschutzziele, anders als bisher behauptet, nicht 20 Millionen, sondern nur rund 10 Millionen Euro zur Verfügung. Auf Anfrage von Cicero bestätigte die Stiftung, nicht im Sinne des Steuerrechts gemeinnützig zu sein. Zur Frage nach der Schenkungssteuer teilte sie mit: „Es wurden Schenkungssteuererklärungen abgegeben. Wir bitten mit Hinweis auf das Steuergeheimnis um Verständnis, dass wir hierzu keine weitergehenden Aussagen treffen.“

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2 Millionen Strafe für abgelaufene Meldefrist

Mehrere Cicero-Nachfragen unter Verweis auf ein öffentliches Interesse – die unter anderem die Frage betreffen, ob und wann für die 20 Mio. Euro von Nord Stream 2 die Schenkungssteuererklärung abgeben wurde – wollte die Stiftung nicht beantworten: „Unsere Rechtsansichten zur Auskunftspflicht der Stiftung decken sich leider nicht. Wir erwarten demnächst eine Klärung durch das Oberlandesgericht (OLG) Rostock.“ Zum Hintergrund: Nach einer Klage der Transparenzplattform „Frag den Staat“ hatte das Landesgericht Schwerin kürzlich in einem Eilverfahren entschieden, dass die Stiftung laut Landespressgesetz auskunftspflichtig sei – und daher Fragen zum wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb und den Arbeiten an Nord Stream 2 zu beantworten habe. Die Stiftung hat daraufhin Berufung beim OLG Rostock eingereicht. Das Urteil des OLG steht noch aus.
 

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Was die Steuerabgaben der Stiftung betrifft, ist die Frage nach dem Zeitpunkt deswegen relevant, weil jede Schenkung innerhalb von drei Monaten dem Finanzamt schriftlich zu melden wäre. Wird die Schenkung nicht oder zu spät gemeldet, kann es zu einer Strafverfolgung wegen Steuerhinterziehung kommen. Diese könnte dann allerdings auch vermieden werden, wenn der Vorstand einen Betrag von 20 Prozent auf die hinterzogene Steuer zugunsten der Staatskasse zahlen würde. Hätte die Stiftung die mutmaßliche Schenkungssteuerpflicht in Höhe von knapp 10 Mio. Euro für die Zustiftung von Nord Stream 2 nicht rechtzeitig gemeldet, läge diese Zusatzzahlung bei 2 Millionen Euro. Es gibt begründeten Verdacht, dass dies der Fall ist.

Finanzminister Geues Versprecher

In einer Befragung der Landesregierung am 7. April, sprach der Grünen-Landtagsabgeordnete Hannes Damm Finanzminister Heiko Geue (SPD) auf das Thema an. Geue reagierte überrumpelt, drehte sich fragend zu Ministerpräsidentin Schwesig um. Damm hatte offenbar etwas anderes angekündigt – nämlich eine Frage zum Thema „Einnahmen der öffentlichen Kassen durch Schenkungs- und Erbschaftssteuern“. Auf das Thema habe er sich nicht vorbereitet, so Geue. Er könne aber sagen, dass keine Schenkungssteuer von der Stiftung geflossen sei.

Auf eine Nachfrage von Damm, ob die Stiftung – da sie nicht gemeinnützig sei – eine Schenkungssteuerschuld von 50 Prozent gegenüber dem Land Mecklenburg-Vorpommern habe, wollte sich Geue zunächst nicht äußern. Darauf habe er sich nicht vorbereiten können, so Geue, der eine schriftliche Beantwortung der Frage ankündigte. Inzwischen hat er diese Antwort nachgereicht: „Die in der Befragung der Landesregierung getroffene Aussage, es sei bisher keine Schenkungssteuer von der Stiftung geflossen, war verkürzt und ist so zu verstehen, dass die Prüfungen, ob und in welchem Umfang die Zuwendungen an die Stiftung einen Tatbestand des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes erfüllen, noch nicht abgeschlossen sind.“ Weitere Auskünfte verweigert er unter Verweis auf das Steuergeheimnis.

Rechtfertigung der Intransparenz ist unschlüssig

Allerdings widerspricht eine lange Passage zum Steuergeheimnis, die Geue seiner Antwort voranstellt, seiner Rechtfertigung der Intransparenz. In der Passage heißt es: „Ein zwingendes öffentliches Interesse kann demnach angenommen werden, wenn im Falle des Unterbleibens der Auskunft die Gefahr besteht, dass schwere Nachteile für das allgemeine Wohl des Bundes, eines Landes oder einer anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaft eintreten.“ Weiter wird als Beispiel die „Offenbarung zur Richtigstellung in der Öffentlichkeit verbreiteter unwahrer Tatsachen, die geeignet sind, das Vertrauen in die Verwaltung erheblich zu erschüttern“ angeführt.

Hannes Damm findet es deswegen „völlig inakzeptabel, dass hier weiter durch die Landesregierung gemauert wird und die versprochene Transparenz ausbleibt“, so der Grünen-Politiker gegenüber Cicero. Und weiter:

Es ist völlig unklar, wie man zu der Auffassung gelangen kann, dass das durch Nord Stream 2 gesteuerte Verhalten der Landesregierung und die Verflechtungen des russischen Staates in die Vorgänge um die Klimastiftung und die Pipeline das Vertrauen in die Landesregierung nicht erschüttert haben soll. Das Fazit des heutigen Finanzministers Geue, der als damaliger Chef der Staatkanzlei selbst tief in die Stiftungsgründung verstrickt war, zeigt, dass sich die Regierung um Manuela Schwesig inzwischen völlig von der Realität losgesagt hat.

„Undenkbares“ Szenario

Hinzu kommt, dass es unwahrscheinlich ist, dass der Tatbestand der Schenkungssteuerpflicht immer noch geprüft wird, wenn die Schenkung rechtzeitig gemeldet wurde. Cicero liegen Informationen vor, dass die 20 Millionen Euro von Nord Stream 2 im Jahr 2021 in zwei Raten an die Stiftung gezahlt wurden: 10 Millionen Euro im Februar, weitere 10 Millionen im Juli. Auf Nachfrage bestätigen zwei Experten unabhängig voneinander, es sei „undenkbar“ oder zumindest sehr unwahrscheinlich, dass die Schenkungssteuerpflicht immer noch geprüft werde, wenn die Schenkung letztes Jahr rechtzeitig innerhalb von drei Monaten gemeldet wurde. Ein weiterer Experte, der Stiftungsrechtler und Geschäftsführende Gesellschafter der Gesellschaft für das Stiftungswesen in Düsseldorf, Jörg Seifart, bestätigt diese Einschätzung gegenüber Cicero:

Das ist in der Praxis nahezu ausgeschlossen. Als Stiftungsvorstand wäre ich der Finanzverwaltung massiv auf das Dach gestiegen. Schließlich muss die Stiftung die 10 Millionen in Cash vorhalten, um die Steuern dann schnell bezahlen zu können. Was es an Verwahrentgeld kostet, diesen Betrag bald ein Jahr auf den Konten liegen zu lassen, will ich gar nicht erst wissen. Da wäre es stiftungsrechtlich schon fast geboten, das Geld abzuheben und in einem Safe zu deponieren.

Seifart kommt zu folgendem Schluss:

Da steht leider zu befürchten, dass der Stiftungsvorstand die Schenkungssteuererklärung verspätet abgeben hat. Hier kann man nur wünschen, dass die Stiftung jetzt ein besseres Händchen bei der Beraterauswahl hat. Am Ende des Tages steht in so einem Fall auch eine Strafbarkeit und eventuell eine strafbefreiende Mehrzahlung des Stiftungsvorstands von 20 Prozent der hinterzogenen Summe im Raum.

Jamaika-Opposition sieht begründeten Verdacht

Hannes Damm von den Grünen bestätigt den Eindruck. Zur nachgereichten Antwort des Finanzministers Geue teilt er auf Cicero-Anfrage mit:

Die von Minister Geue gegenüber dem Landtag getroffene Aussage, es sei ‚bisher keine Schenkungssteuer von der Stiftung geflossen‘, soll nun relativiert werden. Die Zuwendungen von Nord Stream 2 für den gemeinwohlorientierten Teil der Stiftung erfolgten im Februar 2021 und im Juli 2021 in zwei Raten zu je 10 Millionen Euro. Die Anzeige der Schenkungen muss laut Gesetz innerhalb von drei Monaten erfolgen. Selbst für die Zuwendung im Juli 2021 ist diese Frist seit einem halben Jahr verstrichen. Dass die Prüfung bei einer eigens durch das Land errichteten Stiftung mit bekannter Rechtsform immer noch ausstehen sollte, ist nicht glaubwürdig. Üblich sind für solche Prüfungen Zeiträume von vier bis acht Wochen.

Damm geht davon aus, dass Geue durch die Nachfrage „überhaupt erst bemerkt“ habe, „dass die Stiftung dem Land gut 10 Millionen Euro Schenkungssteuer schuldig ist“. Und weiter:

Die bisher nicht öffentlich gemachten und vermutlich ganz erheblichen Geldflüsse an die Stiftung für den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb sind hierbei noch gar nicht eingerechnet. Fraglich ist, ob die fristgerechte Anmeldung der Schenkung durch den Stiftungsvorstand um Herrn Sellering ‚vergessen‘ wurde oder ob mehr als fahrlässiges Handeln dahinter steckt. Sollte sich der Verdacht bestätigen, dass gegen die gesetzlichen Fristen verstoßen wurde, drohen der Stiftung beziehungsweise dem Vorstand erhebliche Strafen von mehreren Millionen Euro zusätzlich zur bestehenden Steuerschuld.

Auch die FDP Mecklenburg-Vorpommern übt deutliche Kritik. „Offenbar hat man sich über die steuerliche Behandlung der Stiftungskonstruktion zu wenig bis keine Gedanken gemacht“, sagt der Fraktionsvorsitzende der Liberalen, René Domke, der lange Zeit den Steuerstrafrechtsbereich in MV leitete, gegenüber Cicero. Domke führt aus:

Sollte es tatsächlich so sein, dass der durch die vermeintliche, aus Russland stammende Zustiftung von 20 Mio. Euro ausgelöste Schenkungstatbestand nicht fristgerecht beim Finanzamt angezeigt wurde, hat man die Dimension der Stiftung völlig unterschätzt. Dafür spricht auch, dass von den 20 Mio. Euro nach der Schenkungsteuer nur noch 10 Mio. Euro übrigbleiben. Das kann nie im Sinne des Zuwendenden gewesen sein. Es stehen erhebliche Konstruktions- oder Beratungsfehler im Raum.

Theoretisch gibt es Wege, die Steuer nicht zahlen zu müssen. Die Steuer erlischt zum Beispiel rückwirkend, wenn es ein vertragliches Rückforderungsrecht gibt. Diese Möglichkeit hat Finanzminister Geue allerdings selbst ausgeschlossen, weil er in seiner Antwort explizit bestätigt hat, dass es sich um eine Zuwendung handelt. Und eine Zuwendung schließt ein vertragliches Rückforderungsrecht ausdrücklich aus.

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