Migrationskrise - Wie die NGO-Förderung in den Bundeshaushalt kam

Die Förderung der Migrations-NGOs im Mittelmeer durch deutsches Steuergeld war Teil eines Deals innerhalb der Ampel. Doch auch die Unionsfraktion hat zugestimmt. Die FDP-Politikerin Linda Teuteberg kritisiert eine „Nebenaußenpolitik durch NGOs“ und falsche Anreize für Migranten.

Die „Sea-Eye 4“ im Hafen von Salerno / picture alliance
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Autoreninfo

Ferdinand Knauß ist Cicero-Redakteur. Sein Buch „Merkel am Ende. Warum die Methode Angela Merkels nicht mehr in unsere Zeit passt“ ist 2018 im FinanzBuch Verlag erschienen.

 

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Selten wohl hatte ein derart kleiner Posten im Bundeshaushalt eine derart große außenpolitische Wirkung. Ob Außenministerin Annalena Baerbock diesen Hebel-Effekt bezweckte, als sie und ihre Parteifreunde die Förderung einiger NGOs mit jährlich rund zwei Millionen Euro im Haushalt dieses und der kommenden drei Jahre verankerten, ist fraglich. Eigentlich hätte man sich durchaus denken können, dass eine italienische Regierung, ob nun von Giorgia Meloni geführt oder von jemand anderem, ganz und gar nicht begeistert ist, wenn deutsche Organisationen aus Seenot gerettete Migranten nach Italien bringen und dafür von der deutschen Regierung finanziert werden.

Die Empörung in Rom war gewaltig und äußerte sich in einem geharnischten Brief Melonis an Baerbocks Chef, Bundeskanzler Olaf Scholz. Als Baerbock in der vergangenen Woche mit ihrem italienischen Amtskollegen Antonio Tajani vor die Berliner Presse trat und mehrfach darauf angesprochen wurde, versuchte sie die Affäre lachend herunterzuspielen: Wenn „ein Brief wegen NGO-Finanzierung unser einziges Problem“ sei, dann könne es wohl nicht so schlimm sein.

Aber die Affäre ist mittlerweile auch in die Weltöffentlichkeit vorgedrungen. Nach mehreren italienischen Spitzenpolitikern und Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat X-(ehemals Twitter-)Besitzer Elon Musk höchst öffentlichkeitswirksam sein Befremden über die Aktivitäten der von deutschem Steuergeld finanzierten NGOs im Mittelmeer geäußert und gefragt, ob der deutschen Öffentlichkeit dies bekannt sei. Der von Musk weitergeleitete Tweet eines italienischen Mediums wünschte sich übrigens das Erstarken der AfD.

Woraufhin Musk eine schulmeisternde Antwort aus dem Auswärtigen Amt bekam: „Ja, und man nennt es Rettung von Leben.“ Die deutsche Regierung unterstellt Musk damit indirekt, er kritisiere das Retten von Menschen. Musk twitterte weiter (vor einem Millionenpublikum): „Sie sind also tatsächlich stolz darauf. Das ist interessant. Ehrlich gesagt bezweifle ich, dass die Mehrheit der deutschen Öffentlichkeit dies unterstützt. Haben Sie eine Umfrage durchgeführt? Ist es nicht eine Verletzung der Souveränität Italiens, wenn Deutschland eine große Zahl illegaler Einwanderer auf italienischen Boden bringt? Das hat etwas von Invasion …“

Peinlich ist die Affäre nicht nur, weil sie die Beziehungen zwischen Deutschland und dem drittgrößten EU-Mitgliedsland belastet. Peinlich sind auch die Umstände, unter denen diese finanziell zwar periphere aber außen- und symbolpolitisch höchst bedeutsame Ausstattung von höchst umstrittenen Organisationen mit Steuergeld zustande kam.

Ein Deal der Ampel-Haushaltspolitiker

Die Zahlung kommt aus dem Etat des Auswärtigen Amtes. Parlamentarisch behandelt wurde sie im Rahmen der Etatverhandlungen im vergangenen November. Die auf vier Jahre verteilten insgesamt acht Millionen Euro standen auf einem sogenannten „Deckblatt“ zum Etat des Auswärtigen Amtes – zusammen mit anderen Positionen, die inhaltlich nichts damit zu tun haben. Beschlossen wurde aber im Haushaltsausschuss das Deckblatt als Ganzes im Zuge der Bereinigungssitzung. So macht man das, wenn man eine Position möglichst unter dem Radar einer größeren parlamentarischen, geschweige denn presseöffentlichen Aufmerksamkeit durchbringen will. Denn wenn die haushaltspolitischen Spitzenleute der Regierungsfraktionen sich mal geeinigt haben, können die derart überrumpelten Abgeordneten nur noch über den gesamten Etat abstimmen. Den lehnt man natürlich, unter Fraktionszwang stehend, nicht ab wegen zwei Millionen.

In der FDP-Fraktion wurde dem Vernehmen nach über den Posten, dessen Empörungspotential nicht nur für Außenpolitiker durchaus auf der Hand lag, nicht diskutiert. Es sieht ganz nach einem Deal unter den haushaltspolitischen Spitzenpolitikern der Ampel aus. Für die FDP ist das Otto Fricke. Dafür, dass die Grünen die acht Millionen für ihre Migrations-NGOs bekamen, bekam die FDP eben vermutlich andere Wünsche erfüllt. Womöglich gehörten dazu die Zustimmung der Grünen zur Aktienrente oder zur Finanzierung des Walter-Eucken-Instituts.

Auch die Union stimmte zu

Peinlich ist die NGO-Förderung allerdings auch für die Unionsparteien. Das dürfte erklären, warum Kritik aus CDU und CSU nur von einzelnen Politikern wie Fraktionsvize Johann Wadephul kommt, die womöglich nicht mitbekommen haben: Auch die Unionsfraktion im Bundestag hat mitgemacht.

Darauf machte die grüne Bundestagsabgeordnete und Haushaltspolitikerin Jamila Schäfer nicht ohne Häme aufmerksam, als der CSU-Verteidigungspolitiker Florian Hahn einen Zeitungsausschnitt auf X über die NGO-Förderung veröffentlichte. Für Schäfer ist es ein „Funfact“, eine lustige Tatsache: „im Haushaltsausschuss hat die CDU/CSU-Fraktion diese Förderung zurecht (sic) mitgetragen“.

Auf Cicero-Anfrage bestätigt eine Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion: „Im Rahmen der Haushaltsberatungen zum Haushalt 2023 wurde über ein Deckblatt zum Einzelplan des Auswärtigen Amtes abgestimmt. Darin waren viele Einzelposten enthalten, u.a. auch Mittel für die Seenotrettung. Diesem Deckblatt hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion zugestimmt.“

 

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Auch die Union war also wahrscheinlich am Deal im Haushaltsausschuss beteiligt. Womöglich hat da im Hintergrund auch die kirchliche Lobby innerhalb der Union ihren Einfluss geltend gemacht. Denn ursprünglich, so war Ende November 2022 in Presseberichten zu lesen, sollten die zwei Millionen jährlich vor allem oder ausschließlich dem der evangelischen Kirche nahestehenden NGO-Bündnis „United4rescue“ zugutekommen. Das wird von dem evangelischen Kirchenfunktionär Thies Gundlach organisiert, dem Lebensgefährten der Grünen-Abgeordneten Katrin Göring-Eckardt.

Der Affront war absehbar

Offenkundig war das manch einem Ampel-Politiker dann doch etwas peinlich. So wurde im Juli dieses Jahres dann aus einer Pressemitteilung des Bündnisses bekannt, dass dieses doch nicht in den Genuss des Steuergeldes kommt. Nachdem das Auswärtige Amt United4Rescue „monatelang hingehalten habe“, gab es bekannt, dass humanitäre Organisationen stattdessen Gelder direkt beim Auswärtigen Amt beantragen sollen. Das Geld sei nicht mehr ausschließlich für die zivile Seenotrettung vorgesehen, sondern solle auch an humanitäre Projekte an Land fließen. Gefördert werden nun, wie Jamila Schäfer per Tweet klarstellte, die Organisationen Sant’Egidio, Sea Eye, SOS Humanity und SOS Mediterranee Germany.

Ohne Steuergeld auskommen zu müssen, machte United4-Rescue-Vorstandsmitglied Liza Pflaum zwar „fassungslos“. Aber an der außenpolitischen, genauer gesagt anti-italienischen Sprengwirkung der Fördermaßnahme des Auswärtigen Amtes änderte das überhaupt nichts. Und das hätte in Berliner Regierungskreisen klar gewesen sein müssen. Die Geschichte der Konflikte deutscher seefahrender Flüchtlingshelfer mit italiensichen Behörden ist schließlich lang. Anfang Juni 2023 erst war ein Schiff von Sea Eye von italienischen Behörden im Hafen Ortona für 20 Tage festgesetzt worden, nachdem sie Bootsflüchtlinge dahin gebracht hatten. Grund: Das Schiff hätte nach der Rettung der ersten 17 Menschen sofort einen Hafen anlaufen müssen, suchte aber noch weitere Migranten in Seenot und brachte sie dann zusammen nach Ortona. Sea Eye hatte daraufhin gegen den italienischen Staat geklagt und die Bundesregierung um Hilfe gebeten. Wiederholt gab es auch Meldungen über eine bewusste Kooperation der NGO-Schiffe mit kriminellen Schlepperbanden.

FDP-Politikerin Teuteberg kritisiert

Aus Teilen der FDP dagegen kommt jetzt, da das Zerwürfnis mit Italien auf dem Altar der NGO-Finanzierung angerichtet ist, deutliche Kritik. Die Bundestagsabgeordnete Linda Teuteberg, Bundesvorstandsmitglied und Innenpolitikerin, hält die Förderung der NGOs „für ein falsches Signal, das von den betroffenen Mittelmeeranrainern verständlicherweise als Affront aufgefasst wird“. Das sei ganz unabhängig von der Frage, wer in Rom regiere, da es „um ein legitimes Interesse souveräner Staaten jenseits von Parteien- und Koalitionskonstellationen“ gehe.

„Kontrollverlust ist nicht progressiv, und unkontrollierte Migration ist eine existenzielle Gefährdung für liberale Demokratien“, sagt Teuteberg. Dabei sei selbstverständlich, dass man Menschen nicht ertrinken lasse. Allerdings sei die Frage der Rettung von der Frage der Einreise und des Aufenthaltes zu unterscheiden: „Es gibt kein unbedingtes Recht auf Einreise.“ Nötig seien „sichere Fluchtwege für Schutzberechtigte“. Aber Deutschlands Migrationspolitik solle keine falschen Anreize setzen und dadurch „Teil des Kalküls von Schleppern und Menschenhändlern“ sein. „Sie muss ethischen Ansprüchen nicht nur der Absicht nach, sondern auch im Ergebnis gerecht werden.“

Teuteberg kritisiert eine „Nebenaußenpolitik durch NGOs“, die der Suche nach tragfähigen Lösungen schade: „Die Position von NGOs, die nicht anerkennen, dass Staaten das Recht haben, Migration rechtsstaatlich zu ordnen und zu begrenzen, und die Förderung von Schlepper- und Schleuserkriminalität mindestens billigend in Kauf nehmen, mit öffentlichen Geldern zu fördern, verschärft die Spannungen in Europa.“

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