Neuwahl in Berlin - Die CDU gewinnt die Wahl, aber reicht es zum Regieren?

Die CDU verzeichnet bei der Neuwahl des Berliner Abgeordnetenhauses deutliche Zugewinne. Noch ist allerdings unklar, ob es auch für einen Regierungswechsel im Roten Rathaus reicht. Es herrscht viel Dynamik.

Der Berliner CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner (m.) bei der Wahlparty seiner Partei / dpa
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Noch ist es zu früh, um eine auch nur halbwegs solide Analyse dieser Wiederholungswahl in der Bundeshauptstadt zu treffen. Denn die Lage scheint äußerst wackelig zu sein. Vor Schließung der Wahllokale kursierten erste Zahlen der Meinungsforschungsinstitute, die jedenfalls ein sehr unterschiedliches Bild abgaben. Die SPD schwankte demnach im Bereich zwischen 16 und 21 Prozent, ebenso wie die Grünen. Es sah am Sonntagnachmittag zunächst sogar nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den beiden Parteien aus, offenbar haben aber die Sozialdemokraten doch die Nase vorn. Das kann sich im Laufe des Abends freilich noch ändern.

Auch für die CDU war vor 18 Uhr die Situation weitgehend unklar (und bleibt es immer noch). Sicher ist, dass sie als stärkste Kraft aus dieser Abstimmung hervorgeht, allerdings reichen die prognostizierten Zahlen von 23 bis knapp unter 30 Prozent. Das Wording der Christdemokraten nach Schließung der Wahllokale: „Wir werden mit allen reden.“ Vieles scheint also möglich zu sein, selten war auf den letzten Metern mehr Dynamik bei einer Wahl zu erwarten. Was natürlich insbesondere daran liegt, dass etliche Berlinerinnen und Berliner bis zuletzt unentschieden waren, wem sie ihre Stimme geben sollten.

Erste Prognosen

Womöglich hat es aber gereicht, um Rot-Rot-Grün fortsetzen zu können. Wenn die ersten Prognosen einigermaßen zuverlässig sein sollten, kann die von der SPD angeführte Koalition in Berlin weitermachen – gerade so, als wäre nichts gewesen. Die CDU mit ihrem Spitzenkandidaten Kai Wegner wird demnach mit mindestens 23 bis 25 Prozent zwar stärkste Partei und gewinnt bei dieser Neuwahl im Vergleich zum Urnengang von vor knapp anderthalb Jahren wenigstens um die fünf Punkte hinzu.


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Doch selbst das würde noch nicht ausreichen, um in der Hauptstadt regieren zu können. Denn die Sozialdemokraten mit Franziska Giffey kommen (je nach Erhebung) auf etwa 20 Prozent und verlieren nur wenig an Zustimmung. Gemeinsam mit den Grünen (laut Prognosen um die 18 Prozent) und der Linkspartei (um die 12 Prozent) dürfte es dann für ein Weitermachen ausreichen. Die von den Christdemokraten beschworene Wechselstimmung hätte sich demnach zumindest mit Blick auf ihre Machtoptionen als Wunschbild erwiesen. Nichts wäre neu nach dieser Neuwahl. Aber noch weiß man eben nichts Genaues.

Strich durch die grüne Rechnung

Die bisherige Regierende Bürgermeisterin bliebe demnach weiter im Amt, mag sie auch noch so sehr mit ihren bisherigen Koalitionspartnern hadern. Spannend wäre es allenfalls noch (ganz auszuschließen ist es bisher jedenfalls nicht), würden die Grünen mehr Stimmen holen als die SPD – und damit den Anspruch erheben, mit Bettina Jarasch die künftige Regierungschefin zu stellen. Dann könnte sich womöglich im Giffey-Lager noch eine Wechselstimmung ergeben, um den Grünen da einen Strich durch die Rechnung zu machen.

Wobei auch hier kaum zu erwarten wäre, dass sich die eher linken Berliner Sozialdemokraten auf die Rolle des Juniorpartners ausgerechnet der CDU einlassen. Aber diese Frage stellt sich vorerst nicht. Denn Rot-Rot-Grün scheint seine Mehrheit behauptet zu haben und wird dies als Signal für ein „Weiter so“ verstehen. Auch, wenn der Unions-Anführer Wegner natürlich treuherzig behaupten wird, die Berlinerinnen und Berliner hätten mehrheitlich gezeigt, dass sie sich ihn als Bürgermeister wünschen.

Die Linke verliert

Giffey hatte nämlich bisher von allen Kandidaten die höchsten persönlichen Zustimmungswerte – insofern wäre es auch nur konsequent, dass sie ihren Posten behält. Die Grünen verlieren trotz ihrer wenig überzeugenden Spitzenfrau Jarasch den ersten Prognosen zufolge nur knapp einen Prozentpunkt verglichen mit der Wahl vom 26. September des vorvergangenen Jahres (manche Institute sehen die Partei sogar im leichten Plus).

Sicherer Wahlverlierer ist nach derzeitigem Stand Die Linke, aber auch für die Partei von Kultursenator Klaus Lederer geht es offenbar gerade mal um zwei Punkte nach unten. Man wird kein Drama daraus machen – Hauptsache, die Linken bleiben in Berlin an der Regierung. Denn sie wären es, die bei einer anders gearteten Koalition auf jeden Fall aus dem Spiel sind. Der weitere Verlauf des Abends wird zeigen, ob es so kommt. Vielleicht braucht es am Ende aber sogar noch einiges länger.

Enttäuschung bei der FDP

Ein ziemlich verheerendes Signal geht vom (prognostizierten) Ergebnis dieser Wahl für die FDP aus: Offenbar hat sie es nur knapp überhaupt wieder ins Abgeordnetenhaus geschafft, bei der zurückliegenden Wahl kamen die Liberalen immerhin noch auf knapp über 7 Prozent. Am Spitzenkandidaten Sebastian Czaja kann es kaum gelegen haben, der 39-Jährige hat einen soliden Wahlkampf absolviert und müsste eigentlich von der schwachen Performance der rot-rot-grünen Regierung profitieren.

Dass daraus nichts wurde, dürfte der Enttäuschung vieler FDP-Anhänger über das Wirken der Bundes-Partei in der Ampel-Koalition geschuldet sein. Im Hans-Dietrich-Genscher-Haus an der Reinhardtstraße ist spätestens seit heute Alarmstimmung angesagt – nach den verheerenden Ergebnissen der FDP bei den zurückliegenden Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein.

Die AfD dürfte nach Auszählung der Stimmzettel auf jeden Fall Zuwächse zu vermelden haben, aber auch hier ist noch weitgehend unklar, in welcher Höhe. Die Prognosen reichen von 9 bis 12 Prozent, was gemessen am Ergebnis vom September 2021 (8 Prozent) einem Plus von einem Punkt bis hin zu vier Punkten entspräche. Nicht zuletzt die Ausschreitungen der jüngsten Silvesternacht könnte bei diesem Resultat entsprechende Spuren hinterlassen haben.

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