Nächtliche Ausgangssperre - „Der Frust entlädt sich oft an Polizisten“

Lassen sich die verschärften Corona-Regeln im Alltag überhaupt durchsetzen? Der Berliner Polizeigewerkschafter Benjamin Jendro registriert eine wachsende Aggressivität bei einem Teil der Bevölkerung. Er warnt vor zunehmender Gewalt gegen Einsatzkräfte.

Ab 22 Uhr dürfen Bürger nur noch mit triftigem Grund auf die Straße, die Polizei soll das kontrollieren. / dpa
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Daniel Gräber leitet das Ressort Kapital bei Cicero.

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Benjamin Jendro ist Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Berlin. 

Herr Jendro, die neuen bundesweiten Corona-Regeln sehen Ausgangssperren ab 22 Uhr und verschärfte Kontaktbeschränkungen vor. Kann das die Polizei überhaupt noch durchsetzen?

Ein Durchsetzungsproblem haben wir während der Corona-Pandemie von Anfang an. Berlin ist eine Vier-Millionen-Stadt, da ist es klar, dass wir die Einhaltung der Regeln nicht rund um die Uhr und flächendeckend kontrollieren können. Die Bundes-Ausgangssperre ändert daran nichts, sie erleichtert der Polizei eher die Arbeit.

Warum das?

Weil sie leichter durchzusetzen ist. Dann ist klar, dass man nachts ohne triftigen Grund nicht auf die Straße darf. Das können die Kollegen viel einfacher kontrollieren als die Einhaltung der bislang weitgehend geltenden Kontaktbeschränkungen, bei denen sie auch nachweisen müssen, dass die Leute aus mehreren Haushalten kommen. Die Kollegen müssen also erstmal die Personalien feststellen, eventuell dann die Meldedaten abfragen. Bei einer größeren Personengruppe kann das eine Weile dauern.

Aber das kann doch kein Maßstab sein. Damit es die Polizei einfacher hat, sperren wir alle zuhause ein?

Natürlich nicht, und wir haben diese Regelung auch nicht gefordert. Ob die Maßnahmen sinnvoll und richtig sind, das müssen der Gesetzgeber entscheiden und Gerichte bewerten. Die Aufgabe unserer Kollegen besteht darin, die geltenden Regeln bestmöglich durchzusetzen.

Sinkt in der Bevölkerung die Akzeptanz für die Corona-Regeln?

Benjamin Jendro / CandyPottPictures

Die Mehrheit der Menschen nimmt seit mehr als einem Jahr massive Grundrechtseinschränkungen hin, das ist beachtlich und verdient Respekt. Der Protest auf der Straße gegen die Maßnahmen ist legitim und gehört zum demokratischen Rechtsstaat. Es sind wenige, die das für Gewalttaten missbrauchen, was anhand der omnipräsenten Bilder womöglich anders wirkt. Aber klar, es gibt wohl keinen, der sich nicht ein Ende der Pandemie herbeisehnt.

Mein Eindruck ist eher, dass Frust und Unverständnis in breiten Kreisen der Bevölkerung steigen. Das bekommen doch auch Ihre Kollegen im Alltag zu spüren, oder?

Ja, der Frust entlädt sich oft an Polizisten und Kollegen der Ordnungsämter, weil sie anders als Politiker greifbar sind. Gerade wenn auch noch Alkohol im Spiel ist, eskalieren alltägliche Situationen sehr schnell. Etwa wenn Kollegen eine Gruppe Feiernder im Park kontrollieren wollen. Dann werden sie mit Steinen und Flaschen begrüßt. Das hat im vergangenem Jahr leider stark zugenommen. Die wachsende Gewalt gegen Einsatzkräfte ist ein großes Problem, nicht erst seit der Corona-Pandemie. Aber das hat die Situation noch einmal verschärft.

Auch bei Demonstrationen müssen die Polizisten im wahrsten Sinne des Wortes als Prügelknaben der Politik herhalten.

Extremisten und Straftätern gelingt es immer wieder, legitime Demonstrationen für Angriffe gegen unsere Kollegen zu nutzen. Es wird vergessen, dass da Menschen in der Uniform stecken. Das haben wir vergangene Woche zum Beispiel bei den Protesten im Berliner Tiergarten erlebt und die Woche davor bei der Demonstration gegen das Mietendeckel-Aus. Ich bin stolz darauf, in einem Land zu leben, in dem jeder für seine politischen Ziele auf die Straße gehen darf. Aber die Versammlungsfreiheit darf nicht für Gewalttaten missbraucht werden. Es gibt keinerlei Legitimation für Stein- und Flaschenwürfe auf Menschen.

Die Fragen stellte Daniel Gräber
 

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