Michaela Kaniber - Die Anti-Özdemir

Michaela Kaniber ist Gastarbeiterkind und Söder-Fan. Die bayerische Landwirtschaftsministerin wird zum wichtigen weiblichen Gesicht der CSU – mit Ambitionen.

Michaela Kaniber versteht sich persönlich gut mit Cem Özdemir, politisch kommen sie nicht auf einen grünen Zweig / Nadine Keilhofer
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Autoreninfo

Der promovierte Politikwissenschaftler Ulrich Berls ist Fernsehjournalist und Autor. Von 2005 bis 2015 leitete er das ZDF-Studio München. Bei Knaur erschien sein Buch „Bayern weg, alles weg. Warum die CSU zum Regieren verdammt ist“.

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Neben dem Haupteingang des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gibt es einen Klimawandel-Garten. Über Fassadenbegrünung und Klimabäume wird informiert. Im schönsten Neubayerisch lautet das Motto für die grüne Stadt der Zukunft: „Keep green – feel cool“.

Fragt man die Hausherrin, ob die Deutschen nicht ein wenig besessen vom Thema Klimawandel seien, schüttelt sie den Kopf. Für eine christliche Partei gebe es nichts Wichtigeres als die Bewahrung der Schöpfung. Michaela Kaniber ist 45 Jahre alt und seit fünf Jahren die erste weibliche Agrarministerin in Bayern. Ein wichtiges Ressort im Freistaat, kein anderes Bundesland hat annähernd so viele landwirtschaftliche Betriebe. 

Wenn der EU-Agrarkommissar innerhalb von sechs Wochen dreimal Bayern besucht, dann zeige dies, sagt die CSU-Ministerin voller Stolz, Bayern könne ganz offensichtlich eine Blaupause für eine zeitgemäße Landwirtschaftspolitik sein. Zornig macht Kaniber, dass man dies in Brüssel eher begriffen habe als in Berlin. Dort werde zwar ständig gegen die industrialisierte Agrarwirtschaft gewettert, aber völlig übersehen, dass Bayern mit seinen vielen Kleinbetrieben und den knappen Flurstücken doch dem grünen Ideal nahekomme. 

Ärger über Özdemir

Was Kaniber auch nicht verstehen will, wie wenig die Corona- und die Ukrainekrise zum Umdenken führen. Angesichts von Rohstoffmangel und gestörten Lieferketten müsse um mehr Ernährungssouveränität gekämpft werden. Flächenstilllegungen seien neu zu verhandeln. Anstatt selber mehr zu produzieren, würden die reichen Länder den armen die Lebensmittel wegkaufen, was ethisch ein Skandal, ja geradezu dekadent sei.

Wenn sich Michaela Kaniber über Berlin ärgert, meint sie vor allem Cem Özdemir. Dem Bundesagrarminister tritt sie häufig alleine entgegen. Ihre CDU-Kollegen sind in Landeskoalitionen meist mit den Grünen gefangen und dürfen sich in Abstimmungen nur enthalten. Opposition kommt also nur aus Bayern. 
 

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Dabei hat der Antagonismus Kaniber – ­Özdemir etwas Pikantes, denn sie verkörpern Aufsteigergeschichten, beide sind „Gastarbeiterkinder“, Özdemir mit türkischen, sie mit jugoslawischen Wurzeln. Persönlich möge sie den freundlichen Kollegen, sagt sie, aber politisch sei er leider ein Ideologe ohne Herz für die Bauern. Grüne Bevormundungspolitik vergrößere die Kluft zwischen Erzeuger und Konsumenten, ihr Ziel sei das Gegenteil. Außerdem spüre sie, dass Özdemir lieber Außen- als Agrarminister geworden wäre.

Warum wollte sie nicht Generalsekretärin werden?

Nach der Mittleren Reife auf einer katholischen Schule in Bad Reichenhall absolvierte Michaela Kaniber eine Ausbildung zur Steuerfachgehilfin. Sie heiratete einen Polizisten, innerhalb von fünf Jahren kamen drei Töchter zur Welt. In die Politik rutschte sie, weil sie sich über die CSU geärgert hatte. Ihren Protest gegen ein Familiengesetz trug sie so vehement vor, dass die Partei fragte, ob sie nicht besser mitmachen als nur schimpfen wolle. Als sie 2013 ein Direktmandat in den Landtag errang, lautete ein Zeitungstitel: „Quotenabholde Dreifachmama“.

Frauenquoten brauchte sie keine, ihre Karriere in der mit weiblichen Mitgliedern notorisch unterbesetzten CSU war kometenhaft. Die CSU-Vorzeigefrau ist und bleibt einstweilen Ilse Aigner, Landtagspräsidentin, gut verankert in der Fraktion und Vorsitzende des mächtigsten aller Parteibezirke: Oberbayern. Dass Aigner 2018 gern Ministerpräsidentin geworden wäre, ist ein offenes Geheimnis. Sie unterlag intern gegen Markus Söder. Kaniber war von der allerersten Minute an auf seiner Seite. Oberste Söderianerin ist kein Schmäh-, sondern ein „Ehrentitel“ für sie. Kaniber bewundert dieses politische Kraftwerk. Die häufigen Positionswechsel ihres Chefs sind für sie kein Zeichen von Wankelmut, veränderte Problemlagen bräuchten flexible Antworten, sagt sie.

Warum nur ist sie dann nicht CSU-Generalsekretärin geworden, als Söder vor einem Jahr die telegene Frau gerne berufen hätte? Ob es wirklich die Liebe zu ihrem Amt war, die sie ablehnen ließ? Die Sorge, dass ihr Wechsel als falsches Signal an die Bauernschaft wirken könnte, eine Wählergruppe, die längst nicht mehr so treu CSU wählt, sondern bei den Freien Wählern ihr Kreuz macht? Nach ihrer Absage sei Markus Söder jedenfalls so verärgert gewesen, hört man, dass er eine Weile lang nicht mehr täglich, wie sonst üblich, bei ihr angerufen habe. 

Im Oktober wird gewählt in Bayern. Die CSU hat sich auf die Grünen eingeschossen als Hauptgegner. Michaela Kaniber ist nicht nur die Anti-Özdemir in Söders Team, sondern auch die prominenteste CSU-Vertreterin der Generation Baerbock. Die Chancen stehen nicht schlecht. Die von Söder – und die von Kaniber.

 

Dieser Text stammt aus der Juli-Ausgabe des Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

 

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