„Maßnahmen zur Systemstabilisierung“ - Von der Bahn lernen!

Der Deutschen Bahn fallen immer kreativere Sätze ein, mit denen sie die wartenden Fahrgäste am Gleis über Verzögerungen informiert. Eine Durchsage inspirierte unseren Autor neulich gar dazu, über eine „Systemänderung zweiter Ordnung“ nachzudenken.

Das DB-Logo am Berliner Hauptbahnhof / picture alliance
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Autoreninfo

Prof. Dr. Michael Klein (Köln), Psychologischer Psychotherapeut, befasst sich seit 30 Jahren mit Geschlechter- beziehungen, Männerpsychologie und Gewaltprävention.  

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Die Deutsche Bahn muss tief in ihren Dienststellen wundersam geniale Philosophen beschäftigen, die immer neue Sätze für die Durchsagen auf den Bahnsteigen und in den Zügen ersinnen, mit denen die wartenden Fahrgäste über ihre desolate Lage informiert werden. 

Schon lange gefällt mir der Satz „Verzögerungen im Betriebsablauf“, weil der so schön nichtssagend ist. Wie vom Donner gerührt, hörte ich jüngst die ganz neue Durchsage „Zugausfall wegen Maßnahmen zur Systemstabilisierung“ auf einem Gleis im Kölner Hauptbahnhof. Kein Karneval, keine versteckte Kamera, kein Zustand nach Bundes-Cannabisgesetz vermochte diese Durchsage zu erklären. Einfach mal einen Zug ausfallen lassen, damit es dem System Bahn besser geht? Sind das „Maßnahmen zur Systemstabilisierung“? Der eiligst zu Rate gezogene Mitarbeiter am Info-Point konnte nicht weiterhelfen. Also musste das Wörterbuch der Systemwissenschaften her. 

Systemmaßnahmen erster und zweiter Ordnung

Dort sind Systemmaßnahmen erster und zweiter Ordnung zu finden. Erster Ordnung bedeutet so viel wie „mehr desselben“, also Maßnahmen auf der bisher praktizierten Handlungs- und Lösungsebene. Also etwa, wenn man im politischen Bereich Migrationsprobleme mit finanziellen Maßnahmen bekämpft, bestehen Maßnahmen erster Ordnung in noch mehr Geldsubventionen. Auch die mit Steuermitteln betriebene „Demokratieförderung“ nach den Ministerinnen Faeser und Paus ist eine solche Stabilisierungsaktion erster Ordnung, weil damit über die Subventionierung linksgrüner NGOs entsprechende linksgrüne Mehrheiten in der Zukunft erzielt werden sollen. Also ein „mehr desselben“ – und deshalb im Kern undemokratisch. 

Maßnahmen zweiter Ordnung sind solche, die die Zuschauer mit in die Lösungsstrategien einbauen und auf einer qualitativ anderen, höheren Ebene stattfinden. Die Methoden und Strategien ändern sich also qualitativ. Bei der Bahn wären das etwa Motivationskurse für Mitarbeiter und Serviceorientierung nach japanischem oder koreanischem Modell.

Weg des Landes geht nach unten

Erstaunlich ist, dass die Bahnphilosophen mit ihrer Idee der Systemstabilisierung einen Hinweis auf tiefer liegende Probleme von Staat und Gesellschaft geben. So wenig wie der Bahn immer mehr Geld bei der Lösung ihrer tiefgehenden Probleme helfen wird, können die grundlegenden Probleme von Staat und Gesellschaft mit den immergleichen Maßnahmen erster Ordnung gelöst werden. 

Das kontinuierliche Politikversagen in den Bereichen Migration, Energie, Verkehr, Demographie, Rente und Freiheit ganz allgemeinen wird mit immer mehr Hurra-Botschaften, sprich Propaganda, verkleistert. Und wenn dann das Desaster endlich offenkundig wird, sind die verantwortlichen Politiker längst nicht mehr im Amt und genießen ihre Pensionen. Es gibt im Politikbetrieb fatalerweise kein Verantwortungsübernahmeprinzip, und so etwas wie politisch-moralische Verantwortung ist in Zeiten der werteorientierten Politik erstaunlicherweise völlig auf der Strecke geblieben. 

 

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Was als Zukunftskoalition mit zahllosen Wendeankündigungen (Zeitenwende, Energiewende, Verkehrswende usw.) verkauft wurde, ist in Wirklichkeit alter Wein in grünen Schläuchen. Der Weg des Landes geht nach unten. Ihn mit blumigen Worten zu bepflastern, war schon immer in Zeiten des Niedergangs bevorzugte Propaganda der Herrschenden. Und wenn Brot und Spiele nicht mehr hinlangen, um die Massen zu beruhigen, dann darf es auch ruhig Propaganda und Spaltung der Gesellschaft sein. 

Mehr Anarchie im guten Sinne wagen!

Was also wollen uns die Bahnphilosophen mit dem Hinweis auf die Systemstabilisierung im Verborgenen sagen? Dass es eine Systemdestabilisierung geben muss, damit Lösungen der zweiten Ordnung praktiziert werden? Diese müssten dann den Beobachter des Bahn-, sprich Politikversagens, in echte Mitverantwortung bringen. Der Souverän zweiter Ordnung wäre ein Bürger, der echte Mitsprache aufweist und die politischen Entscheidungen seiner Repräsentanten tatsächlich mit beeinflusst. Eine Demokratie zweiter Ordnung würde also endlich Schluss machen mit Kandidaten von Parteilisten, die sich dem Volk nicht verantwortlich fühlen. Schluss mit minderqualifiziertem Politikpersonal, das durch seltsame Sekundärqualitäten wie Tanzvideos, Body-Positivity und Gendersprache auffällt. 

Überhaupt könnte eine Systemänderung zweiter Ordnung über systemdestabilisierende Maßnahmen eine große Chance für die Demokratie sein. Mehr Demokratie wagen heißt auch mehr Anarchie im guten Sinne wagen! Die Bürger sind dann Akteure und nicht länger passive Empfänger von Verordnungen und Botschaften. Endlich auf die Bürger hören wäre eine Lösung zweiter Ordnung! Politik für das Volk und nicht gegen das Volk machen, echte Bürgerbeteiligung und keine Alibi-Bürgerräte, die über sekundäre Themen debattieren dürfen. Die Angst der Herrschenden vor einem „anders als bisher“ ist ja jetzt schon spürbar, wenn Gesetze gegen die freie Meinungsäußerung der Bürger geschmiedet werden müssen, um den Machterhalt zu sichern. 

Die Philosophen bei der Deutschen Bahn meinen es gut mit der Demokratie, könnte man in einem Anflug positiven Denkens meinen. Ich bin gespannt, was als Nächstes aus ihren weisen Zirkeln in die Lautsprecher auf den Bahnsteigen gelangt. 

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