Markus Söder im Ego-Wahlkampf - Zuerst ich, dann die Partei

Kein Tag, an dem Markus Söder nicht auf sich aufmerksam macht – auf Kosten des gemeinsamen Kanzlerkandidaten. Das reicht vom Schlafwagen-Vergleich bis zur Forderung nach einem vorgezogenen Kohleausstieg. Dabei präsentiert sich Söder stets als Speerspitze des Fortschritts.

Armin Laschet und Markus Söder bei der Pressekonferenz zum Unions-Wahlprogramm / dpa
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Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Markus Söder steht am 26. September nicht zur Wahl. Gleichwohl geht es für den CSU-Vorsitzenden um sehr viel. Sollte die CDU/CSU nicht stark genug werden, um die Bildung einer Ampel mit Grünen, SPD und FDP zu verhindern, wäre das eine bittere Niederlage der gesamten Union.

Der Gau aus Söders Sicht aber wäre es, wenn die CSU in Bayern abermals ein historisch schlechtes Wahlergebnis erreichte wie schon bei der Landtagswahl 2018. Wenn sie also abermals deutlich unter 40 Prozent bliebe und obendrein viele Direktmandate an die Grünen verlöre. Das könnte durchaus so kommen. Denn die Ausgangslage der CSU wird zusätzlich dadurch erschwert, dass die Freien Wähler bei der Bundestagswahl vor allem in Bayern Jagd auf Unionswähler machen.

Söder first, CSU second, CDU third

Söder ginge dann in die Annalen ein als der erste CSU-Vorsitzende mit gleich zwei nach weiß-blauen Maßstäben völlig unzureichenden Wahlergebnissen. Dagegen kämpft er an – nach der bekannten Söder-Methode: Söder first, CSU second, CDU third. Von der nach den endlosen Streitereien zwischen Horst Seehofer und Angela Merkel neu beschworenen Unions-Harmonie ist nicht mehr viel zu merken. Söder spielt nach seinen eigenen Regeln und erwartet, dass die CDU und der Kanzlerkandidat Amin Laschet seinen Kurs endlich als den einzig richtigen erkennen und anerkennen. Nachdem die CDU nach Söders Ansicht schon die Chance vertan hat, mit ihm als Kanzlerkandidaten zur alten Stärke zurückzufinden, soll sie ihm wenigstens taktisch und inhaltlich folgen.

Nun steht die Laschet-CDU in der Tradition der Merkel-CDU und damit gewiss nicht im Verdacht, zu traditionell oder zu prinzipientreu zu sein. Im Gegenteil: Laschet liegt bei laut Umfragen für die Wähler so wichtigen Themen wie Klima und Zuwanderung auf der Merkel-Linie – beweglich genug für eine schwarz-grüne Koalition. 

Gleichwohl versäumt Söder keine Gelegenheit, mit spitzen Bemerkungen auf Laschets Defizite hinzuweisen. Dass man im Schlafwagen keine Wahl gewinne, hat Söder schon mehrfach in Richtung CDU und Laschet gestichelt. Jetzt hat er in einem Spiegel-Interview nachgelegt: Es werde „ganz wichtig“ sein, noch besser klarzumachen, wofür die Union stehe. Söders an die Adresse Laschets: „Wir müssen jetzt klare Kante zeigen, sonst besteht die Gefahr, dass wir den Erfolg am Ende verspielen.“ Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, zwischen den Vorsitzenden von CSU und CDU gibt es keinen direkten Draht. Wenn Söder meint, dem „eigenen“ Kanzlerkandidaten etwas sagen zu müssen, dann tut er das öffentlich.

Kohleausstieg bis 2030 soll Grünen-Sympathisanten ködern

Obwohl Laschet kein Friedrich Merz ist, umarmt er aus Söders Sicht noch nicht genügend Bäume und nicht innig genug. Deshalb pocht der Bayer auf einen Kohleausstieg bereits 2030. Das fällt ihm schon deshalb leicht, weil die bayerischen Braunkohlereviere längst Naturlandschaften geworden sind, kaum Kohlekraftwerke laufen und es nicht so viele alte Industrien wie in Nordrhein-Westfalen gibt, die auf erschwingliche Energiepreise angewiesen sind. Natürlich kennt Söder Laschets Dilemma, der auch die ostdeutschen Braunkohlereviere im Blick hat. Aber ihm scheint wichtiger zu sein, möglichst viele bayerische Grün-Sympathisanten zu überzeugen, dass die CSU die eigentliche Öko-Partei ist.

Söder ist kein Teamplayer; er versucht erst gar nicht, einer zu sein. Das hat er kürzlich gezeigt, als die CSU das gemeinsame „Regierungsprogramm“ von CDU und CSU um ein „CSU-Programm” ergänzte: „Gut für Bayern, Gut für Deutschland.“ Darin geht es nicht, wie ursprünglich mit der CDU verabredet, um besondere bayerische Anliegen. Nein, die CSU will demonstrieren, dass sie eigentlich das noch bessere Konzept für das ganze Land hat. Sie verspricht fast allen mehr Geld, vor allem dem Mittelstand, den Familien und der Landwirtschaft – nicht zu vergessen die Aufstockung der Mütterrente für Eltern von vor 1992 geborenen Kindern. Laschet und die CDU halten das für nicht finanzierbar, was Söder nicht im geringsten stört. Schließlich, so hat er sich ausrechnen lassen, würden zehn Millionen Mütter davon profitieren – zehn Millionen Wählerinnen.

Söder handelt auch auf anderen Politikfeldern gern nach dem Motto „the trend is your friend“. Mit seiner Forderung nach einer durchgängigen Frauenquote ist er in der eigenen Partei nicht durchgedrungen. Dafür hat er in der GroKo die Tür für eine Frauenquote in den Vorständen börsennotierter und mitbestimmter Unternehmen so weit aufgemacht, dass der Koalitionspartner SPD die Chance nutzte und den Wirtschaftsflügel der CDU zum Nachgeben zwang. Wenn bei der Besetzung von Unternehmensvorständen das Geschlecht zum K.O.-Kriterium wird, dann haben das nicht die Grünen bewerkstelligt, sondern Söder.  

Bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie hat Söder von Anfang an Laschet das Leben schwer gemacht. Daran hat sich nichts geändert, obwohl der Kampf um die Kanzlerkandidatur längst entschieden ist. Söder ist unverändert der Spielmacher im „Team Vorsicht“ und weiß sich im Einklang mit der Mehrheit der Bevölkerung. Er fordert eine Verschärfung des Tempos beim Impfen ebenso wie eine Testpflicht für Reiserückkehrer und möchte den bereits Geimpften mehr Rechte einräumen als Nichtgeimpften. Laschet dagegen spielt eher auf Zeit, würde manche Entscheidung lieber auf die Zeit nach der Wahl verschieben.

Söders CSU soll die Speerspitze des Fortschritts sein

Wer auch immer an der Spitze von CDU und CSU stand: Spannungsfrei war das Verhältnis nie. Die kleine Schwester CSU musste zwangsläufig aufmüpfig sein, um ihrem eigenen Anspruch als eigenständiger regionaler Kraft von bundespolitischer Bedeutung gerecht zu werden. Gleichwohl gab es in der Ära Stoiber und ebenso unter Seehofer ein bewährtes Zusammenspiel zwischen den beiden Unions-Schwestern. Am „Modell Bayern“ konnten die Wähler nördlich des Mains studieren, wie erfolgreich die Union ist, wenn sie ohne Koalitionspartner regieren kann. Und „Nordlichter“, denen die Merkel-CDU zu „zeitgeistig“ erschien, konnten darauf vertrauen, dass die CSU im Bund schon darauf achtet, dass die CDU sich nicht zu weit vom konservativen Kurs entfernt.

Das ist in diesem Bundestagswahlkampf anders. Söder präsentiert die CSU nicht als letzte Hoffnung der anständigen Konservativen, sondern als Speerspitze des Fortschritts. Im Vergleich dazu lässt er die CDU als Club der Zögerer und Zauderer erscheinen. Nun hat schon Franz Josef Strauß vor 50 Jahren postuliert: „Wenn die Verflachung der Politik beginnt, dann wird aus den bayrischen Bergen die Rettung kommen.“ Das würde der Strauß-Fan Söder sicherlich unterschreiben.

Wobei offen bleibt, wen Söder in erster Linie retten will: das Land, die CDU oder sich.

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