Letzte Bundestagssitzung vor der Wahl - Merkel muss sich verteidigen

In der voraussichtlich letzten Bundestagssitzung in dieser Legislaturperiode hat Bundeskanzlerin Merkel die bevorstehende Bundestagswahl als Richtungsentscheidung bezeichnet, für Laschet geworben und vor einem Bündnis mit der Linken gewarnt. Merkels Rede führte zu zahlreichen Zwischenrufen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geht, um ihre Rede im Plenum im Deutschen Bundestag zu halten / dpa
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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die bevorstehende Bundestagswahl als Richtungsentscheidung bezeichnet und eindringlich für den Unions-Kanzlerkandidaten Armin Laschet geworben. Gleichzeitig warnte sie heute in der voraussichtlich letzten Bundestagssitzung vor der Wahl am 26. September vor einem Bündnis von SPD und Grünen mit der Linken. „Es ist nicht egal, wer dieses Land regiert“, sagte sie.

Es sei eine besondere Wahl, „weil es in schwierigsten Zeiten eine Richtungsentscheidung für unser Land ist“, betonte Merkel. Die Bürgerinnen und Bürger hätten die Wahl zwischen zwei Optionen: Einer Regierung von SPD und Grünen, „die die Unterstützung der Linkspartei in Kauf nimmt, zumindest sie nicht ausschließt“ oder einer von CDU und CSU geführte Regierung mit Laschet an der Spitze. „Der beste Weg für unser Land ist eine CDU/CSU-geführte Bundesregierung mit Armin Laschet als Bundeskanzler“, sagte Merkel. Eine solche Regierung werde für Stabilität, Verlässlichkeit, Maß und Mitte sorgen. „Das ist genau das, was Deutschland braucht.“

„Meine Güte, was für eine Aufregung“

Die Äußerungen führten zu zahlreichen Zwischenrufen aus dem Plenarsaal. Die Kanzlerin verteidigte die ungewöhnlich klaren Wahlkampfäußerungen: „Meine Güte, was für eine Aufregung, ich bin seit 30 Jahren, über 30 Jahren Mitglied dieses Deutschen Bundestages und ich weiß nicht, wo, wenn nicht hier, solche Fragen diskutiert werden müssen, das ist die Herzkammer der Demokratie und hier wird genau das diskutiert.“

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner hat der Koalition aus Union und SPD vorgeworfen, wichtige Weichenstellungen für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Modernisierung unterlassen zu haben. „Am Ende Ihrer Kanzlerschaft ist unser Land nicht in der Verfassung, die unseren Ansprüchen genügen sollten“, sagte Lindner an die Adresse von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). „Vor vier Jahren hieß es, ein Deutschland in dem wir gut und gerne leben. Heute wäre Kontinuität das größte Risiko für unser Land, denn so wie es ist, darf es nicht bleiben.“

Deutliche Defizite

Lindner sagte, drei Krisen – Corona, die Flutkatastrophe und der chaotische Abzug aus Afghanistan – hätten die Defizite deutlich gemacht. Für die Modernisierung Deutschlands müsse es eine funktionierende und digitalisierte Verwaltung geben und zugleich eine Entfesselung privater Initiative und privaten Kapitals. „Wir stehen vor Richtungsentscheidungen in diesem Land. Unsere Botschaft ist klar: Freiheit vor Staat, Erwirtschaften vor Verteilen und mehr Freude am Erfinden als am Verbieten“, sagte Lindner.

Er wandte sich auch an den SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz. „Herr Kanzlerkandidat, eine gewisse Siegesgewissheit kann man Ihnen nicht absprechen. Allerdings geht es nicht darum, Umfragen zu gewinnen sondern Wahlen“, warnte Lindner. „Und 1976 hat Helmut Kohl sogar die Erfahrung machen müssen, dass man Wahlen gewinnen kann und danach trotzdem keine Koalition hat.“

Warnung vor Wohlstandsverlust

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat knapp drei Wochen vor der Bundestagswahl vor einem Wohlstandsverlust durch eine unionsgeführte Regierung gewarnt und eine bessere Zukunft versprochen. „Die nächsten zehn Jahre werden entscheidend sein für die Zukunft unseres Landes“, sagte Scholz in der Sitzung. Die Weichen dürften nicht falsch gestellt werden. „Wenn wir es falsch machen, kann uns das Wohlstand und Arbeitsplätze kosten, wenn wir es richtig machen, werden wir eine bessere Zukunft haben.“

Die Industrie in Deutschland habe einen klaren Plan für klimaneutrales Wirtschaften. „Die Industrie weiß, wie der Weg geht. Aber sie sagen: Was wir dazu brauchen, ist Strom“, sagte Scholz. CDU und CSU hätten in den vergangenen Jahren regelmäßig den Ausbau der Stromkapazitäten abgelehnt, zuletzt im Juni. „Das ist eine Bedrohung für den Wirtschaftsstandort Deutschland“, warnte Scholz. „Eine weitere von der CSU/CSU geführte Bundesregierung würde Deutschland Wohlstand und Arbeitsplätze kosten.“ Steuersenkungsversprechen der Union seien unfinanzierbar und „völlig aus der Zeit gefallen“.

„Ein Land im Krisenzustand“

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach 16 Jahren im Kanzleramt ein schlechtes Zeugnis ausgestellt: „Sie hinterlassen ein Land im Krisenzustand“, sagte er im Bundestag. Das Land sei sozial, kulturell und politisch tiefer gespalten als zu Beginn von Merkels Kanzlerschaft, sagte Bartsch. Auch bei den Kosten der Corona-Pandemie werde der Normalbürger zur Kasse gebeten, während die Regierung die „fetten Konten“ verschone.

Vor diesem Hintergrund warb er erneut ausdrücklich für ein Links-Bündnis. Angesichts der Alternative, mit der FDP von Christian Lindner zu regieren, müssten sich SPD und Grüne fragen, ob sie ihr Wahlprogramm tatsächlich umsetzen wollen. In Anspielung auf ein früheres Lindner-Zitat sagte Bartsch: „Es ist besser, gut mit der Linken zu regieren, als falsch mit Lindner zu regieren.“ Vor vier Jahren hatte der FDP-Chef den Ausstieg aus der „Jamaika“-Sondierung mit den Worten begründet: „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren.“

Vernichtendes Zeugnis

Die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hat der Bundesregierung zum Ende ihrer Amtszeit ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt. In entscheidenden Bereichen wie dem Klimaschutz oder der Digitalisierung habe sich viel zu wenig im Land bewegt, sagte Baerbock. Auch den Kanzlerkandidaten von Union und SPD, Armin Laschet und Olaf Scholz, warf Baerbock bei der Klimaschutzpolitik Untätigkeit vor.

Die Bundestagswahl sei eine „Richtungswahl“, die Klimapolitik solle für die kommende Bundesregierung, anders als das bislang der Fall gewesen sei, im Mittelpunkt stehen, forderte Baerbock. Die Klimapolitik der Bundesregierung habe „in eine Sackgasse“ geführt. Union und SPD warf Baerbock vor, weiter am Kohleausstieg bis 2038 festhalten zu wollen und die Auswirkungen des Klimawandels dadurch zu verschärfen. Die Bundesregierung habe es „vermasselt“, den Weg der Klimaneutralität einzuschlagen.

Mit China und Russland reden

Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet sieht Deutschland vor großen Herausforderungen und setzt im Kampf gegen Klimawandel auf internationale Kooperationen. „Wir stehen an einer Epochenwende“, sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident im Bundestag. Laschet warnte vor „kleinteiligen Maßnahmen“ beim Klimaschutz. „Wir werden diese große Aufgabe nur bewältigen als globale Aufgabe.“ Der CDU-Politiker sprach von einer „Klima-Außenpolitik“. Man werde auch mit Ländern wie China und Russland reden müssen.

Laschet dankte außerdem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für ihre Arbeit als Regierungschefin. „Sie hat dieses Land gut durch viele Krisen geführt.“ Er sagte weiter: „Das waren 16 gute Jahre für Deutschland, die wir erlebt haben.“ Foto: Armin Laschet (CDU), Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, CDU-Bundesvorsitzender und Unions-Kanzlerkandidat spricht im Plenum im Deutschen Bundestag.

dpa

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