Landtagswahl in Hessen - Die FDP muss ausgerechnet auf starke Grüne hoffen

Bei der Landtagswahl in Hessen müssen die Freien Demokraten nicht um ihren Einzug in das Landesparlament bangen. Doch eine Koalitionsaussage vermeiden sie peinlichst. Denn ob Ampel oder Jamaika – ohne die von ihnen heftig kritisierten Grünen können sie nicht mitregieren.

Stefan Naas, FDP-Spitzenkandidat für die Landtagswahlen in Hessen / picture alliance
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Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Die Freien Demokraten rechnen sich an, in der Berliner Ampel-Koalition vieles erreicht zu haben. Das stimmt. Die FDP hat Habecks „Heizungshammer“ entschärft, die „kalte Progression“ im Steuerrecht reduziert, in der Klimapolitik teilweise Technologieoffenheit durchgesetzt und Steuererhöhungen verhindert. Doch gedankt haben die Wähler ihr das bisher nicht.

Bei sechs Landtagswahlen seit Bildung der Ampel-Koalition im Bund ist die FDP drei Mal an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert (Niedersachsen, Berlin, Saarland), zwei Mal aus der Regierung geflogen (Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein) und hat es in Bremen trotz deutlicher Verluste gerade noch ins Parlament geschafft. Ein Wahlerfolg täte da mal wieder gut.

Am 8. Oktober stehen zwei wichtige Landtagswahlen an: in Bayern und in Hessen. Im Freistaat sieht es nicht gut aus für die Liberalen. Dort liegen sie in den meisten Umfragen bei 4 Prozent. Besser steht es in Hessen: Dort geben die Demoskopen der FDP zwischen 6 und 7 Prozent. Damit liegt die Partei nicht viel schlechter als bei der Landtagswahl 2018, als sie 7,5 Prozent erreichte.

 

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In Bayern war die FDP immer schwach. In den vergangenen 40 Jahren schaffte sie es nur drei Mal in den Landtag: 1990, 2008 und 2018 mit gerade 5,1 Prozent. In Hessen hingegen blieb die FDP seit 1949 nur einmal unter fünf Prozent: 1982. Da wurde sie Opfer der SPD-Kampagne „Verrat in Bonn“, nachdem sie Helmut Kohl (CDU) per konstruktivem Misstrauensvotum zum Kanzler gewählt hatte.

Folglich wäre ein gutes FDP-Ergebnis in Hessen für Christian Lindner und die Bundespartei von besonderer Bedeutung. Allerdings tut sich die Partei im Wahlkampf schwer. Ihr Spitzenkandidat Stefan Naas (43), promovierter Jurist, erfahrener Steuerexperte und einst erfolgreicher Bürgermeister in der Taunusgemeinde Steinbach, gehört dem Landtag erst seit 2019 an. Und dort steht er im Schatten des Fraktionschefs René Rock, was seinem Bekanntheitsgrad nicht förderlich ist.

Keine Aussicht auf „volle Kanne Liberalismus“

Naas und die Hessen-FDP stecken in einem strategischen Dilemma. Sie versprechen eine „volle Kanne Liberalismus“, kritisieren den „Heizungshammer“ des grünen Wirtschaftsministers Robert Habeck, beklagen staatliche Bevormundung und den Kampf der Grünen gegen das Auto. Doch zugleich müssen die Freien Demokraten potentiellen Wählern erklären, es sei  gut und richtig, im Bund mit diesen schrecklichen Grünen zu koalieren.

Natürlich würde die FDP in Wiesbaden wieder gerne am Kabinettstisch sitzen wie zwischen 2009 und 2013 mit Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU). Doch sie propagieren weder eine Ampel nach Berliner Vorbild noch ein Jamaika-Bündnis. Denn in beiden Fällen wären die Grünen mit an Bord. Mit denen ließe sich wohl nicht einmal eine „halbe Kanne Liberalismus“ verwirklichen.

Naas hätte, anders als Rock vor fünf Jahren, kein Problem mit einer schwarz-gelben Koalition. Doch dafür ist die CDU, die in den Umfragen knapp unter 30 Prozent rangiert, zu schwach. Auch eine in FDP-Kreisen durchaus positiv bewertete Deutschlandkoalition mit CDU, SPD und FDP ist keine realistische Option. Denn CDU und SPD bringen es in den aktuellen Umfragen zusammen auf mehr als 50 Prozent; sie brauchten also keinen dritten Partner.

Heimliches Hoffen auf die Grünen?

Selbst wenn es grotesk klingt: Eine Chance zum Mitregieren könnten der FDP allenfalls die hessischen Grünen anbieten. Beim gegenwärtigen Stand der Umfragen – CDU 29 bis 30 Prozent, SPD und Grüne jeweils um die 20 Prozent – könnten Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) und Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) das relativ geräuschlose schwarz-grüne Bündnis fortsetzen. Sollten die Grünen allerdings besser als die SPD mit ihrer Spitzenkandidatin Nancy Faeser abschneiden, könnte Al-Wazir sich seinen Traum vom Ministerpräsidenten erfüllen – aber nur mit Hilfe der FDP in einer „grünen Ampel“.

Rechnerisch könnte auch eine „rote Ampel“ in Frage kommen, falls die SPD den Kampf um Platz zwei gegen die Grünen gewinnt. Es erscheint allerdings nicht sehr wahrscheinlich, dass die Grünen die Position der Nummer zwei in einem eingespielten Bündnis mit der CDU eintauschen gegen die Position der Nummer zwei in einem Dreierbündnis mit SPD und FDP. Denn eine Dreierkonstellation bedeutet – siehe Berlin – weniger Einfluss, mehr Kompromisse und viel mehr Ärger.

Die FDP verspricht vollmundig: „Nach zehn Jahren der Regierung des Mittelmaßes müssen wir Hessen endlich zurück auf die Erfolgsspur führen.“ Klingt gut. Doch die FDP kann beim Zurückschieben nur mithelfen, wenn die Grünen entweder den Ministerpräsidenten stellen oder Faeser eine Ampel zustande bringt. Gut möglich also, dass mancher FDP-Kämpe heimlich hofft, die Grünen würden die SPD überflügeln. Laut sagen darf das aber keiner. Das würde nämlich die ohnehin überschaubare Schar potentieller FDP-Wähler stark verunsichern.

 

 

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