Landkreis führt ersten digitalen Impfausweis ein - „Die Rettung des deutschen Sommerurlaubs kommt aus Altötting“

Im Landkreis Altötting wurde bereits im Januar der digitale Impfausweis eingeführt. Im Interview erklärt der Landrat Erwin Schneider, wie es zu der Idee gekommen ist und warum er darüber schmunzeln muss, dass ausgerechnet sein Landkreis zum Vorbild für ganz Europa geworden ist.

Der erste digitale Impfausweis kommt aus Altötting / dpa
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Autoreninfo

Sina Schiffer studiert an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn Politik und Gesellschaft und English Studies. Derzeit hospitiert sie bei Cicero. 

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Erwin Schneider ist seit über 20 Jahren Landrat im Landkreis Altötting. 

Herr Schneider, Ihr Landkreis hat als erster den digitalen Impfausweis eingeführt. Haben Sie ihn auch erfunden? 

Ja, wir haben diesen erfunden und gemeinsam mit UBIRCH entwickelt – das ist unser Modellprojekt für Deutschland. UBIRCH ist ein Blockchain-Startup aus Köln. 

Wie funktioniert der digitale Impfausweis? 

Den Bürgern wird nach der zweiten Impfung und ab dieser Woche auch nach einer Genesung und einer einmaligen Impfung das digitale Format des Impfausweises zur Verfügung gestellt. Auf der Vorderseite befinden sich die analogen Daten wie Name, Wohnort, Informationen zu der Impfung und zum Impfstoff, und auf der Rückseite werden die Daten in Form eines QR-Codes abgespeichert – dafür verwenden wir die Technologie von UBIRCH. Den digitalen Teil haben wir von UBIRCH eingekauft und verwenden ihn nun für die Umsetzung des digitalen Impfausweises. 

Wird der digitale Impfausweis zukünftig deutschlandweit eingeführt werden?  

Ja, bis jetzt nutzt nur ein weiterer Landkreis, der Zollernalbkreis in Baden-Württemberg, das Angebot eines digitalen Impfausweises. Eine wichtige Etappe auf dem Weg hin zu einem deutschlandweiten digitalen Impfausweis ist aber somit geschaffen. Neben der Chip-Karte soll in Zukunft auch eine Impfpass-App entwickelt und den Menschen zur Verfügung gestellt werden. 

Wie ist die Idee entstanden? 

Eigentlich diente der digitale Impfausweis zu Beginn lediglich als Werbeaktion. Ich wollte den Bürgern neben dem gelben Lappen etwas anderes mitgeben, um zu dokumentieren, dass sie geimpft sind. Zu Beginn war der digitale Impfausweis also als Werbung für eine Impfung gegen das Corona-Virus gedacht, da im letzten Jahr noch nicht klar war, ob die Bereitschaft der Bürger gegenüber einer Impfung so hoch sein würde.

Was passiert mit dem gelben analogen Impfausweis?

Den kann man parallel nutzen. Der gelbe Impfausweis wird nach wie vor ein gewisser Standard bleiben. 

Wie fälschungssicher ist der digitale Impfausweis? 

Der Vorteil eines digitalen Impfausweises besteht darin, dass er fälschungssicher ist und somit auch verifiziert – Fälschungsversuche können lediglich bei der Eingabe vorgenommen werden. Mir war von Anfang an klar, dass ein digitaler Impfausweis einer gewissen Fälschungssicherheit bedarf, insbesondere für Flugreisen und die Ein- und Ausreise. Hohe Fälschungssicherheit ist hier der Mehrwert. 

Erwin Schneider 
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Sehen Sie sich als Vorbild für ganz Europa? 

Ja, das hat sich so entwickelt. Zu Beginn war das nicht meine Absicht. Es ist dann aber ein Selbstläufer geworden, und selbstverständlich möchte ich sagen, dass es mich freut und zugleich auch ein wenig amüsiert. Aus dem kleinen Landkreis Altötting kommt die Rettung des deutschen und europäischen Sommerurlaubs. 

Wie wurde das Angebot eines digitalen Impfausweises in ihrem Kreis angenommen?

Es besteht eine sehr große Nachfrage. Jeder, der die zweite Impfung hat, lässt sich auch den Ausweis ausstellen. Es wird also grandios angenommen. 

Ist der digitale Impfausweis ein Angebot für jede Generation? 

Ja, die Bürger freuen sich alle darüber. Beim Friseur zeigt man nur noch die weiße Chipkarte vor – das ist eine richtige Erleichterung für die Menschen. Rund 10.000 Bürger besitzen bis jetzt den digitalen Impfausweis, und dabei gab es auch keine Probleme. 

Entsteht damit nicht eine Zweiklassengesellschaft?

Nein, das nicht. Man hat die Wahl, entweder vollständig geimpft oder getestet zu sein – diese Möglichkeiten wird es immer geben. Unser Rechtssystem gibt ja schon vor, dass Gleiches immer gleichbehandelt werden muss – Ungleiches braucht nicht gleich behandelt zu werden. Man kann den vollständig Geimpften nicht ihre Freiheitsrechte vorenthalten. Diese Differenzierung muss unsere Gesellschaft aushalten, würden wir das nicht tun, wären wir eine Neidgesellschaft.  

Wie hat die Umsetzung des digitalen Impfpass-Systems unterm Strich funktioniert? 

Gut  – es war eine „einfache Nummer“. Sobald die Idee geboren war, haben wir sie umgesetzt, und es hat funktioniert. Ideen gibt es hunderttausende, das Entscheidende ist, dass man sie umsetzt. 

Raten Sie das auch anderen Städten und Gemeinden? 

Jeder packt auf seine Art an. Viele Dinge sind in der Corona-Pandemie von unten gekommen. Nicht nur wir, sondern auch andere packen an. Zwischen einer Idee, der Diskussion und der Umsetzung liegt in der Politik oft das weite Meer. Eine Katastrophe kann man so nicht bewältigen. Deshalb haben wir das anders und vor allem vorausschauend gemacht. 

Die Fragen stellte Sina Schiffer

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