Landauf, landab - Das Dorf und die Demo

Die Welle der Begeisterung über die erfolgreichen Bauerndemos hält den Pegel hoch. Jeder hat eine Geschichte vom Protest zu erzählen, viele sind nachhaltig beeindruckt von der Wirkungsmacht ihres Handelns. Unsere Kolumnistin beruhigt der ganze Aufruhr ungemein.

Illustration: Soeren Kunz
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Autoreninfo

Sophie von Maltzahn ist Schriftstellerin und lebt in Mecklenburg. In Cicero blickt sie als Kolumnistin monatlich vom Land aus auf die Welt. Foto: Carolin Saage / Kiepenheuer & Witsch

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Während sich die Natur vor meiner Tür in der Kälte von der Anstrengung des Wachsens und Austreibens ausruht, brodelt die Stimmung um uns herum weiter. Die Welle der Begeisterung über die erfolgreichen Bauerndemos hält den Pegel hoch. Jeder hat eine Geschichte vom Protest zu erzählen. Viele sind nachhaltig beeindruckt von der Wirkungsmacht ihres Handelns. Die Egos erlebten einen erfrischenden Aufwind, die Geister sind wach, gestaltungswillig und gestärkt für das, was als Nächstes kommt, als wäre dies nur ein Manöver gewesen.

Mich beruhigt der ganze Aufruhr ungemein. Die Traktorproteste brachten Gegensätze zusammen, die mir davor aus unterschiedlichen Welten zu stammen schienen. Demos, Transpis, Blockaden – alles Begriffe, deren Realexistenz ich erst in meinen Zwanzigern in der linksanarchistischen Szene Berlins kennenlernte. Mein Ausscheren führte damals naturgemäß zu schweren inneren und äußeren Kämpfen. 

Widerständig, aber vernünftig

In meiner aristokratischen Herkunftswelt hat die Teilhabe an Protesten keine Tradition wie sonst alles, was man gerne tut. Man wendet sich nicht gegen das Establishment, man ist das Estab­lishment; so war es über Jahrhunderte hinweg. Jetzt hat sich hier etwas verändert. Bei diesen Demonstrationen machten durch die Bank weg alle mit. Auch die, bei denen der Siegelring fest am Finger sitzt und die Stammbäume sich an diversen Stellen überkreuzen. Durch die tatsächliche Verbindung der Akteure mit Grund und Boden fühlt sich der Protest auch als Demonstration eines deutschen „Das sind wir!“ an: durchschlagskräftig, aber verlässlich. Wütend, aber verhandlungssicher. Widerständig, aber vernünftig. 
 

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Die Sorge, dass AfD et al. die Proteste für sich vereinnahmen, war zu Recht vorab und währenddessen groß. In den mobilmachenden Whatsapp-Gruppen wurden systemfeindliche Gesinnungen unverhohlen hinausposaunt. Ein Freund von mir hätte sich deshalb fast dagegen entschieden mitzumachen. Es schienen ihm zu viele „Jungs fürs Grobe“ dabei zu sein, und womit seine Mitarbeiter sympathisieren, weiß er genau. Er tat es dann doch und erstaunte damit vor allem seine eigenen Leute. Der ist wohl doch nicht so dröge und angepasst, wie sie angenommen haben.

Es gab eine klare Ansage: Kein Trecker verlässt den Hof mit Galgen, Gewalt- oder Umsturzfantasien drauf. Das wurde akzeptiert, und so fuhren sie gut gelaunt in den Kampf. Diese Begebenheit legt die Vermutung nahe, dass so eine Aktion auch den Systemgegnern das Wasser abgräbt. Es ist noch nicht zu spät, ackern wir weiter.

 

 

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