Debatte um Christine Lambrecht - Endgültig verbrannt

Über ihre Eignung fürs Amt wird bei Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht immer wieder diskutiert: Auch, weil die SPD-Politikerin im Fettnapftreten besser ist als im Ministeriumführen. Eine Neujahrsbotschaft sorgt nun erneut für Ärger.

Immer wieder wird debattiert, ob Christine Lambrecht als Verteidigungsministerin überfordert ist / dpa
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Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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Israel hat einen neuen Verteidigungsminister. Joav Galant heißt er. Galant ist ein ehemaliger Armeekommandeur, leitete unter anderem die Gaza-Division des Staates, und war in den vergangenen Jahren als Politiker aktiv. Zuletzt als Bildungsminister im Kabinett Benjamin Netanjahu V. Künftig soll er im neuen Kabinett Netanjahus als Verteidigungsminister dem israelischen Volke dienen, wie vor wenigen Tagen bekannt wurde

Als ehemaliger hochdekorierter Militär, das darf man annehmen, kennt sich Galant aus mit dem Soldatenleben, mit militärischer Strategie und der Verteidigung eines Landes, das von Feinden umzingelt ist – auch, wenn es zuletzt historische Annäherungen zwischen Israel und Teilen der muslimischen Welt gegeben hat. Israel hat also den Ex-General Joav Galant als künftigen Verteidigungsminister. Und Deutschland, nunja: Wir haben seit einem guten Jahr die SPD-Politikerin Christine Lambrecht als Pendant.    

Kaum Natives im Amt

Dass Deutschland bei Kabinettsbildungen nicht unbedingt Fachpersonal in die wichtigsten Ministerien hievt, ist gleichwohl keine neue Erkenntnis. So tickt sie eben, die politische Elite der Bundesrepublik, in die man sich über Parteiarbeit hineinarbeiten kann. Und wenn noch erklärtes Ziel ist, eine neue Bundesregierung nahezu paritätisch zu besetzen, dann war Lambrecht eben auch zu richtigen Zeit am richtigen Ort. Als SPD-Mitglied mit zwei X-Chromosen während der Kabinettsbildung Olaf Scholz I. 

Ja, so läuft das hierzulande. Deshalb konnte beispielsweise eine Ursula von der Leyen (CDU) auch zuerst Familienministerin und dann Verteidigungsministerin werden und zuletzt zur EU-Kommissionspräsidentin strafbefördert werden, weil sie irgendwann einen Beraterskandal an den Hacken hatte, aber auch gute Kontakte und genügend Einflussreiche, die ihr dennoch gewogen waren. Und freilich ließe sich auch argumentieren, dass es in deutschen Ministerin ohnehin genügend Fachleute gibt, um die Fachfremdheit neuer Minister abzufedern. 

Die falsche Frau für den Job

Bei Lambrecht ist die Sache gleichwohl etwas komplizierter. Denn während zum Beispiel unsere ebenso fachfremde Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) mittlerweile sogar von Leuten gelobt wird, die definitv nicht im Verdacht stehen, die Grünen zu mögen, wird über SPD-Politikerin Lambrecht entweder gar nicht gesprochen, oder nur, wenn sie mal wieder in irgendeinen Fettnapf helikoptert

Was selbst SPD-Genossen hinter vorgehaltener Hand zugeben, ist dies: Lambrecht ist die falsche Frau für den Job, weil ihre Amtsführung zu dilettantisch ist und sie sich zudem zu ignorant gegenüber jenen Stimmen innerhalb ihres Ministeriums verhält, die sie nicht selbst eingesetzt hat, die also keine Genossen oder zumindest SPD-nah sind. Der Autor dieser Zeilen fragte daher schon im Mai 2022: Ist Christine Lambrecht (noch) die richtige Frau für den Job? Zitat: 

„Nachdem der 21-jährige Sohn der deutschen Verteidigungsministerin ein Bild von sich in einem Regierungshubschrauber gepostet hat, ist die Aufregung groß. Dabei steht dieses eine Foto nicht für sich allein, sondern als weiteres Puzzlestück für ein Gesamtbild von Christine Lambrecht. Sie stand schließlich von Anfang an im Verdacht, nicht qualifiziert zu sein für ihr Amt.“

Knallende Böller und pfeifende Raketen

Der Silvesterkater wirkt noch nach, draußen auf der Straße sind noch nicht alle Böllerreste weggeräumt, da wird mal wieder über Lambrecht berichtet. Und wie das bei ihr üblich ist, geht es auch dieses Mal nicht ums Militärische, sondern ums Grundsätzliche; um die Frage nach ihrer Eignung fürs Amt nämlich.

Lambrecht hat eine Neujahrsbotschaft veröffentlicht. Sie steht irgendwo in Berlin, das Kameraobjektiv eines Smartphones ist auf sie gerichtet. Sie will ein bisschen was sagen zum verrückten Jahr 2022. Dieses sei „herausfordernd“ gewesen, sagt die Ministerin, und „Mitten in Europa tobt ein Krieg“. Immer wieder übertönen knallende Böller und pfeifende Raketen ihre Worte. Nach 55 Sekunden ist der Spuk vorbei. 

Rücktrittsforderungen werden laut

Um diese Neujahrsansprache gibt es nun reichlich Aufregung. Die Adjektive lauten „irritierend“, „peinlich“ und „bizarr“. Paul Schäfer, Pressesprecher der CDU Sachsen, schrieb auf Twitter: „Mit Verlaub: Dieser Frau fehlt jegliches Gespür und Würde für ihr Amt. Mit dem Donnern der Silvesterraketen im Hintergrund erzählt sie etwas von Krieg in Europa und tollen Begegnungen, die sie 2022 hatte.“ 
 

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Rücktrittsforderungen sind ebenfalls zu vernehmen. Zum Beispiel von CDU-Politikerin Serap Güler: „Jede weitere Minute, in der der Bundeskanzler an dieser Ministerin noch festhält und damit das Ansehen unseres Landes weiter beschädigt, geht auf sein Konto.“ Auch Ex-Unionskanzlerkandidat Armin Laschet stimmt in den Chor der Rücktrittsforderer ein: „Ist dem Bundeskanzler eigentlich die Wirkung Deutschlands in Europa und der Welt völlig egal?“

Die Union reitet die Empörungswelle

Die heftigen Reaktionen zeigen zweierlei: Erstens, dass man auch in den Reihen der Union längst verstanden hat, wie sich dumpfe Empörungswellen bestmöglich reiten lassen, um daraus wirkliches oder vermeintliches politisches Kapital zu schlagen. Zweitens aber auch, dass Lambrecht als Bundesverteidigungsministerin bereits derart verbrannt ist, dass selbst kleinste Fehltritte schon große Reaktionen auslösen.

Lambrechts Neujahrsbotschaft mag zwar dilettantisch daherkommen. Ihr daraus aber direkt einen Strick zu drehen, dass in diesem Moment zwei Realitäten etwas zynisch aufeinanderprallen – dass in der Ukraine gekämpft und in Berlin (trotzdem) gerne geböllert wird –, ist auch nur wirklich machbar, weil Lambrecht immer wieder negativ aufgefallen ist. Auf den Punkt bringt es der CDU-Bundestagsabgeordnete Matthias Hauer, wenn er twittert: „Noch schlimmer als die Ansprache ist allerdings die Performance der Ministerin in 2022.“ 

Ja, man kann dieses Video irritierend, peinlich, bizarr, geschmacklos oder was auch immer nennen. Der eigentlich Grund für die große Empörung ist es aber nicht. Nein, der eigentliche Grund für die große Empörung ist Lambrecht selbst. Und die Frage drängt sich sehr wohl auf, ob sich Bundeskanzler Olaf Scholz diese Frau noch leisten kann. Lambrecht scheint endgültig verbrannt im Amt. Es ist wohl an der Zeit, die SPD-Politikerin endlich vor sich selbst zu schützen. Und die Würde des Amtes gleich mit. 

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