Die Altkanzlerin und die CDU - Auch mit der Adenauer-Stiftung will Merkel nichts mehr zu tun haben

Angela Merkel ist nüchtern genug, um zu wissen, dass sie ohne die CDU niemals Kanzlerin geworden wäre. Dankbarkeit empfindet sie gegenüber der Partei dennoch nicht. Nun kehrt sie auch der parteinahen Konrad-Adenauer-Stiftung den Rücken.

CDU-Wahlwerbung im September 2021 mit Konrad Adenauer (l.) und Angela Merkel / dpa
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Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Außerhalb der Berliner Blase wird das nur wenige interessieren: Angela Merkel kandidiert nicht noch einmal für den Vorstand der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS). Aber es ist doch ein Signal: Die Altkanzlerin kappt die letzte Verbindung zu „ihrer“ CDU – von ihrer Mitgliedschaft einmal abgesehen. 

Die Formulierung „ihre“ CDU will in Bezug auf die Frau, die diese Partei 18 Jahre lang (2000 – 2018) als Vorsitzende geführt hatte, nicht so recht passen. Die ostdeutsche Quereinsteigerin hatte stets ein eher distanziertes Verhältnis zum eigenen parteipolitischen Betrieb.

Der Ausstieg bei der Stiftung ist unter diesem Aspekt keine große Überraschung. Der Stiftungsvorstand tagt drei Mal im Jahr; viel Arbeit ist damit nicht verbunden. Zudem hatte Merkel als Parteivorsitzende dafür gesorgt, dass dieses Gremium von Vertrauten Helmut Kohls gesäubert und mit „Merkelianern“ besetzt wurde. Doch auch mit denen will Merkel offenbar nichts mehr zu tun haben.

Wie der Spiegel berichtet, soll Norbert Lammert, Ex-Bundestagspräsident und seit 2018 KAS-Vorsitzender, die Altkanzlerin um ihre weitere Mitarbeit gebeten haben. Doch soll sie bekundet haben, kein Interesse mehr an einer Mitgliedschaft zu haben. Auch Lammerts Angebot, ihr den Status „Freundin der KAS“ zu verleihen, habe sie ausgeschlagen.

Aus größtmöglicher Distanz

Merkel und die CDU, das war schon immer ein besonderes Verhältnis. In der westdeutschen, von Männern dominierten CDU der 1990er-Jahre war „Kohls Mädchen“ von Anfang an auf Skepsis gestoßen. Die Art und Weise, wie sie später Helmut Kohl als Ehrenvorsitzenden abservierte und Friedrich Merz den Fraktionsvorsitz entriss, brachte ihr in weiten Kreisen der Partei keine Sympathien ein. Selbst als Kanzlerin stieß sie in der Partei stets auf Vorbehalte.

Wie distanziert das Verhältnis Merkels zu „ihrer“ Partei war, zeigte sich im Bundestagswahlkampf 2021. Da dachte sie nicht daran, sich für den glücklosen Kanzlerkandidaten Armin Laschet ins Zeug zu legen. Erst als Olaf Scholz (SPD) sich immer mehr als „männlichen Merkel“ zu inszenieren versuchte, wurde selbst ihr das schließlich zu viel. Sie freue sich, dass der Vizekanzler anerkenne, „was wir in der Großen Koalition geleistet haben“, spottete sie. Ansonsten beobachtete sie den Wahlkampf „ihrer“ Partei aus größtmöglicher Distanz.

Als sie in der Bundespressekonferenz  vor der Bundestagswahl 2021 gefragt wurde, wo sie denn den Wahlabend am 26. September verbringen werde, geriet sie verbal ins Schleudern. „Ich werd‘ schon Verbindung zu der Partei haben, die – ähm – mir nahe …, deren Mitglied ich bin“, brachte sie unter Gelächter im Saal heraus. Dann präzisierte sie: „Also, sie steht mir nahe und ich bin ihr Mitglied. Also ein doppeltes Bekenntnis.“

Nie als Familie verstanden

Merkels Geschwurbel war verräterisch. Auf die Idee, zu sagen „bei meiner Partei“, kam sie erst gar nicht. Merkel hat die Union nie als Familie verstanden, wie Kohl, oder als einen Zusammenschluss von Gleichgesinnten, die mehr verbindet als das gemeinsame Parteibuch. So war es auch keine Überraschung, dass sie 2022 ablehnte, Ehrenvorsitzende zu werden. Denn mit der aktiven Politik war für Merkel auch das Kapitel CDU abgeschlossen. 

Nun muss man sehen, dass Merkel wegen ihrer ostdeutschen Herkunft nicht schon in jungen Jahren in der CDU sozialisiert werden konnte, wie das bei Kohl, Merz und den meisten führenden CDU-Politikern der Fall war. Merkel ist nämlich nicht bewusst in die CDU eingetreten, sondern geriet mehr durch Zufall in diese Partei.
 

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In der Wendezeit 1989/90 kam für Merkel, wie sie später erläuterte, die SED auf keinen Fall infrage, aber auch keine andere „bestehende Partei“, also auch nicht die Ost-CDU. Wobei Merkel durchaus einräumte, die Ost-CDU habe Christen in der DDR durchaus einen gewissen Schutz geboten. Wer sich dort engagierte, konnte beispielsweise seine Kinder konfirmieren oder firmen lassen, ohne deshalb Nachteile befürchten zu müssen. Aber für die Pfarrerstochter selbst kam die christlich-demokratische Blockpartei nicht infrage. 

So landete sie beim „Demokratischen Aufbruch (DA)“, wo sich – anders als bei den Sozialdemokraten – nicht alle duzten, und man auch keinen basisdemokratischen Idealen anhing wie etwa beim „Neuen Forum“. Beim DA avancierte Merkel schnell zur Pressesprecherin, doch ging es mit der Partei steil bergab, als der Vorsitzende Wolfgang Schnur als Stasi-IM enttarnt wurde. Bei der Volkskammerwahl im März 1990 landete die Partei bei 0,9 Prozent. 

Kanzlerin wäre sie wohl nicht geworden

Da zeigte sich Merkels Gespür für Macht. Noch am Abend der Wahlniederlage machte Merkel Thomas de Maizère, dem Vetter und Berater des designierten Ministerpräsidenten Lothar de Maizière, klar, dass der Wahlsieger Ost-CDU den Bündnispartner DA bei der Regierungsbildung nicht vergessen dürfe. Es sollte sich auszahlen: Merkel wurde stellvertretende Sprecherin der neuen DDR-Regierung. 

Das Schicksal des DA war dennoch besiegelt; er fusionierte im August 1990 mit der Ost-CDU. So wurde Merkel formal doch noch Mitglied der Ost-CDU. Sie selbst nannte einmal den 1. Oktober 1990, an dem sich West-CDU und Ost-CDU vereinigten, als Datum ihres Parteieintritts. Wie wohl Leben und Karriere Merkels verlaufen wären, wenn der DA mit der FDP fusioniert hätte? Kanzlerin wäre sie dann wohl nicht geworden.

Als Politik-Neuling hatte Merkel rasch gelernt, dass es ohne Parteien aber nicht geht. So wurde die CDU zwar für die „Physikerin der Macht“ ein notwendiges, unverzichtbares Instrument. Aber kein Zusammenschluss, zu dessen übrigen Mitgliedern sie ein besonders emotionales Verhältnis gehabt hätte oder hat. 

Lange 16 Jahre

Einen Politiker wie Merkel hat es in der Geschichte der Bundesrepublik nie gegeben: innerhalb eines guten Jahres von der Hilfskraft in der DA-Geschäftsstelle zur Bundestagsabgeordneten und Bundesministerin für Frauen und Jugend. Und 15 Jahre nach der Wiedervereinigung wurde sie die erste Kanzlerin und blieb das lange 16 Jahre.

Merkel ist nüchtern genug, um zu wissen, dass sie das ohne die CDU nicht erreicht hätte. Aber deshalb empfindet sie gegenüber der Partei keine Dankbarkeit. Wie Merkel denkt, zeigte eine Antwort auf die Frage, ob sie Kohl dankbar dafür sei, dass er sie gefördert habe. Ihre Antwort: „Ich habe Kohl viel zu verdanken, und dennoch finde ich das Wort Dankbarkeit in diesem Zusammenhang nicht passend. Denn ich habe etwas geleistet. Mir wurde nichts geschenkt.“

Dass Merkel Kohl „viel zu verdanken“ hatte, hat sie später nicht daran gehindert, ihn recht rüde abzukanzeln. Mit der CDU geht sie nicht anders um: Auch ihr hat sie viel zu verdanken. Das ist aber offensichtlich kein Grund, mit dieser Partei weiterhin eine engere Beziehung zu pflegen als die formale Mitgliedschaft. So gesehen ist ihr Abschied von der Konrad-Adenauer-Stiftung konsequent – sie braucht die Partei nicht mehr und die Stiftung erst recht nicht. 

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