Gründung der Klima Union - „Starke Grüne sind schlecht für das Klima“

Heute gründet sich in Hamburg die sogenannte Klima Union – ein Zusammenschluss von klimabewegten CDU-Mitgliedern, die ihrer Partei ökologische Impulse mitgeben und dem Wähler Alternativen zu den Grünen bieten wollen. Kann das gelingen?

2007 war sie noch die Klimakanzlerin: Angela Merkel in Grönland / dpa
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Autoreninfo

Ralf Hanselle ist stellvertretender Chefredakteur von Cicero. Im Verlag zu Klampen erschien von ihm zuletzt das Buch „Homo digitalis. Obdachlose im Cyberspace“.

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Für die Jahrhundertaufgabe Klimawandel brauchen wir die Partei der Mitte, so steht es in einem Aufruf der heute gegründeten Klima Union. Zu Ihren Initiatoren gehören unter anderem Wiebke Winter, Mitglied im CDU-Bundesvorstand, Philipp Schröder, Gründer und einstiger Deutschlandchef des Autobauers Tesla und Frank Anton, Executive Vice President von eAircraft. Mit Cicero sprachen sie über die Verbindung von Klima und Ökonomie, über die Ziele ihres neuen Vereins sowie über die Rolle der Klimapolitik in der Union.

Frau Winter, Sie sind mit 25 Jahren das jüngste Mitglied im CDU-Bundesvorstand und wollen im September in den Deutschen Bundestag. Was treibt Sie als junge Politikerin eigentlich an?

Wiebke Winter: Ich wünsche mir eine mutigere Politik. Ich bin seit neun Jahren in der Partei und seitdem in vielen Gremien engagiert. Ich habe viele Anträge geschrieben und war auf allen möglichen Parteitagen. Ich bin also aktiv, und dennoch habe ich das Gefühl, dass sich in der Politik zu wenig verändert. Manchmal fehlt der Mut, die Dinge wirklich anzugehen. Das gilt insbesondere für das Thema Klima. 

Ist das auch der Grund dafür, dass Sie heute zusammen mit Gleichgesinnten wie Philipp Schröder, Frank Anton oder Heinrich Stößenreuther die sogenannte Klima Union innerhalb der CDU/CSU gründen wollen? 

Winter: Ja, wir wollen Zukunft gestalten, damit auch die junge Generation in einigen Jahrzehnten noch gut leben kann. 

Bei einem solchen Schwerpunkt würde man Sie ja eigentlich eher bei den Grünen vermuten. Sie, Herr Schröder, waren bis im letzten Jahr sogar noch Mitglied bei Bündnis 90/Die Grünen. Was hat Sie letztlich aus der Öko-Partei vertrieben?

Philipp Schröder: Ich habe das Gefühl gehabt, man ist innerhalb der grünen Blase ein wenig „verstolpert“. Wenn wir wirklich etwas verändern wollen, dann müssen wir uns in der Mitte zusammenraufen und in der Mitte Politik für die Klimawende machen. Wir müssen eine Mitte kreieren, die diesen radikalen Wandel auch aushalten kann. Wir müssen kommunizieren, dass die Klimawende ökologisch, ökonomisch und sozial richtig ist. Es hilft doch der Sache nicht, dass man in einer elitären grünen Bubble um die Herausforderungen der Zukunft weiß. Wir brauchen Unterstützung im bürgerlichen Lager. Entweder die Demokraten bekommen es gemeinsam hin, jetzt die Arschbacken zusammenzukneifen, oder wir können zugucken, wie der Karren gegen die Wand fährt.

Aber sind nicht auch die Grünen und Fridays for Future längst Teil dieser von Ihnen beschworenen Mitte?

Schröder: Ich persönlich hatte nicht das Gefühl, dass die Grünen in der Lage sind, mit dem Thema Klimaschutz eine Plattform zu eröffnen, die ein Großteil der Bürger gerne betreten würde. Man muss doch am Ende alle mitnehmen – den Landwirt und den Vorstandsvorsitzenden von BASF, auch die, die das Wort Umwelt vielleicht eher mit Heimat assoziieren. Es geht nicht um die hippe Sprache. Da steckt man bei den Grünen zu sehr in einer Filterblase fest. Mich jedenfalls hat das am Ende sehr unzufrieden gemacht. Deshalb bin ich bei den Grünen ausgestiegen und im September letzten Jahres Mitglied bei der CDU geworden.

Wiebke Winter / Foto: Karlis Behrens

Winter: Was Fridays for Future angeht: Ich bin der Bewegung dankbar dafür, dass sie das Thema Klima mit viel Engagement auf die öffentliche Tagesordnung gesetzt hat. Ich distanziere mich allerdings ausdrücklich von der naiven Kapitalismuskritik, die dort immer wieder zu hören ist.

Schröder: Diese Zentrifugalkräfte an den Rändern bringen uns nicht weiter. 

Aber auch in der Mitte gibt es Zentrifugalkräfte. Jüngst etwa hat das prominente CDU-Mitglied Hans-Georg Maaßen darauf hingewiesen, dass die Debatte um den Klimawandel seiner Meinung nach von ideologischen Glaubenssätzen geprägt sei. Aus Ihrer Perspektive dürfte da also noch viel Grundlagenarbeit in Ihrer Partei nötig sein, oder? 

Winter: Es geht uns nicht um rechts und links oder um Flügelkämpfe. All diese Fragen haben keine Relevanz im Vergleich zu der wirklich entscheidenden Frage. Die lautet einzig und allein, ob wir in 50 oder 60 Jahren noch gut werden leben können auf diesem Planeten. Ich möchte hier niemandem zu nahe treten, aber ich bin vermutlich die einzige hier im Raum, die auch in 60 Jahren noch auf dieser Erde sein wird. Und ich mache mir wirklich große Sorgen um die Zukunft. Das sind die wirklichen Probleme, die uns umtreiben sollten, nicht die Frage, wo sich die Klima Union innerhalb der CDU positionieren wird.

Frank Anton: Ich würde sogar sagen, dass es keine bessere Umgebung als die Union für uns geben kann. Die CDU/CSU hat die soziale Marktwirtschaft erfunden. Jetzt steht sie vor der immensen Herausforderung, daraus auch eine klimasoziale-Marktwirtschaft zu kreieren. Es muss darum gehen, die Klimapolitik mit der Wirtschafts- und Innovationspolitik zu verknüpfen. Nur so kann Zukunft wirklich funktionieren.

Zur Absicherung dieser Zukunft tritt die Klima Union nicht nur für die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels ein, Sie sind auch ambitionierter als etwa der Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung. Ginge es nach Ihrer Satzung, dann soll Deutschland in zehn bis zwanzig Jahren klimaneutral sein. Ist das ein realistisches Ziel?

Winter: Es wird jedenfalls einen gewaltigen Unterschied machen, ob wir eine Erwärmung von 1,5 Grad oder von 2 Grad bekommen werden. Ich komme aus Norddeutschland, in dieser Region werde ich davon betroffen sein, wenn eines Tages die Deiche brechen und die Meeresspiegel steigen werden. Schon bei 1,5 Grad wird man davon ausgehen dürfen, dass 70 Prozent aller Korallenriffe sterben werden, bei 2 Grad werden es 90 Prozent sein. Das wird immense Folgen für die Fischindustrie haben. Die Korallenriffe sind quasi die Kinderstuben der Fische. Auch werden wir bei 1,5 Grad alle hundert Jahre gewaltige Sturmfluten erleben - Sturmfluten die wir bisher nur alle 500 Jahre über uns ergehen lassen mussten. Bei 2 Grad würden es sogar alle 33 Jahre sein. 

Anton: Als Physiker kann ich ganz klar sagen, dass das Klima kippt. Das ist keine Frage. Wenn wir jetzt nicht handeln, dann wird es sogar dramatisch kippen. Als Geschäftsmann sehe ich aber auch, dass in der Klimadiskussion riesige Marktpotentiale stecken. Die Technologien, um gegenzusteuern, sind ja im Prinzip verfügbar. Als ich vor etwa zehn Jahren prophezeit habe, dass es eines Tages Flugzeuge mit Elektroantrieb geben könne, die vollkommen emissionsfrei fliegen, hat man mich für bekloppt erklärt. Mittlerweile ist das etwas, an dem fast alle Unternehmen in der Luftfahrtindustrie arbeiten. Man muss nur die Umweltpolitik mit der Wirtschaftspolitik geschickt verbinden, dann kann daraus Großes erwachsen.

Ist das auch Ihr Appell an den ja immer noch sehr starken Wirtschaftsflügel innerhalb der Union?

Schröder: Seien wir realistisch: Selbst wenn es den Klimawandel nicht gäbe, wäre Deutschland jetzt gut beraten, mehr in die neuen Technologien zu investieren; das ist auch eine ganz klare Botschaft in Richtung AfD: Mobilität, neue Mobilität und neue Energie, das sind die einzigen Bereiche, in denen Deutschland weltweit noch punkten kann. Es ist doch längst offensichtlich: Die Digitalisierung haben wir verschlafen und in der Finanzwirtschaft sind wir auch nicht besonders gut aufgestellt. Hinzu kommt, dass sich auch der Kapitalmarkt derzeit neu sortiert. Blackrock etwa investiert nicht mehr in Unternehmen, die einen zu großen CO2-Fußabdruck haben. Man wird vom Kapitalmarkt abgestraft, wenn man seine CO2-Assets nicht aus der Bilanz herausnimmt. Wir müssen uns also verändern, und das möglichst schnell.

Welchen Beitrag kann da Ihr jetzt gegründeter Verein leisten?

Philipp Schröder /
Foto: Christoph Neumann

Schröder: Innerhalb der CDU/CSU wollen wir jenen Abgeordneten und Entscheidungsträgern den Rücken stärken, die dabei helfen, den eben skizzierten Wandel umzusetzen. Wir wollen aber auch dabei behilflich sein, den Straßenwahlkampf zu verbessern. Wir wollen den Politikern Argumente an die Hand geben, damit sie besser ins Gespräch kommen können. Wir verstehen uns weniger als Think-Tank denn als Verein, der Wege ebnet und Menschen zusammenbringt.

Das klingt aber noch sehr abstrakt.

Winter: Kommunikation ist aber wichtig. Wir müssen zum Beispiel verständlich machen, dass es bei der Klimawende nicht notgedrungen um Verzicht geht. Es geht nicht darum, dass wir jetzt alle vegan werden und nie wieder nach Mallorca fliegen. Vielmehr müssen wir den eben skizzierten wirtschaftlich-industriellen Ansatz nach vorne bringen. Lieber Wind vom Deich als Öl vom Scheich. Das muss das Motto sein. Ich glaube, damit werden wir in der CDU durchaus auf Begeisterung stoßen. Und wir freuen uns auch schon darauf, weitere Mitstreiter zu gewinnen. 

Sie sprachen gerade das große Unwort aus: „Verzicht“. Denken Sie wirklich, dass ein Klimawandel, der auch global gerecht sein will, ohne Verzicht über die Bühne gehen kann?

Anton: Ich glaube, dass es nicht ganz ohne Einschränkungen gehen wird. Ich denke, das bewegt sich in einem Verhältnis von einem Drittel Verzicht und zwei Drittel Technologieentwicklung. Denken Sie doch nur einmal an die Sonne: Die gibt zu jedem Zeitpunkt mehr als tausendmal so viel Energie auf die Erde, wie die Menschen verbrauchen können. Das einzige, was wir bis dato noch nicht hinbekommen haben: Wir haben uns dieses Tausendstel Energie noch nicht konsequent genug geholt. Und wo wir gerade von Verzicht sprachen: Ich glaube, man kann mittlerweile mit den meisten Menschen, die Verantwortung tragen, über dieses Thema sprechen – auch und gerade in der Industrie. Die meisten dort haben die großen Herausforderungen doch längst verinnerlicht.

Ist eine Klima Union zum jetzigen Zeitpunkt, wenige Monate vor der Bundestagswahl, auch ein Signal für künftige Koalitionen? Wollen Sie die CDU fit für Schwarz-Grün machen?

Winter: Zunächst einmal wollen wir selber fit und stark werden. Und dann schauen wir nach der Wahl, welche Parteien für Koalitionen zur Verfügung stehen. Da würde ich natürlich schon sagen, dass die Grünen nicht zu jenen gehören, die am weitesten von unseren eigenen Zielen entfernt stehen. Ein Kohleausstieg etwa wäre mit den Grünen einfacher umzusetzen als mit der SPD.

Schröder: Ich persönlich kann sagen, dass ich Angst vor zu starken Grünen habe. Denn am Ende geht es um wirkliche Kompetenz und um konkrete Handlungsschritte. Es geht jetzt nicht um einen neuen „Climate Change Hero“ oder um die große Geste. Es geht um das geschickte Verschmelzen von Ökonomie und Ökologie. Davon sehe ich im aktuellen Programm der Grünen nichts. Deshalb glaube ich, dass zu starke Grüne schlecht für den Klimaschutz sind. Und am allerschlechtesten für das Klima wäre Rot-Rot-Grün. Denn wenn man die Wirtschaft bestraft, sind Wohlstand und Klimawandel schlicht nicht mehr möglich.

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