Kinder und Jugendliche in der Corona-Pandemie - Gut durchgekommen?

Oftmals heißt es von Regierungsseite, wir seien als Gesellschaft gut durch die Pandemie gekommen. Doch besonders Kinder und Jugendliche litten mehr unter den Maßnahmen als unter dem Virus. Die Folgen von Lockdowns und Schulschließungen sind verheerend.

Erster Schultag 2021 mit Maskenpflicht / dpa
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Autoreninfo

Andrea Knipp-Selke ist Ärztin, arbeitet seit 20 Jahren in der Kinderheilkunde und war zuvor jahrelang als Journalistin tätig, u.a. für den WDR, die Frankfurter Rundschau und Focus online. Sie ist Mitglied der Thesenpapiergruppe um Matthias Schrappe und widmet sich dort schwerpunktmäßig dem Thema Kinder und Jugendliche in der Pandemie.

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Kinder und Jugendliche waren neben den Bewohnern der Alten- und Pflegeheime eine der beiden Altersgruppen, die von den Pandemie-bedingten Maßnahmen am schwersten betroffen waren. Bei keiner anderen Altersgruppe stand das Ausmaß der Einschränkungen im Vergleich zum Nutzen in einem größeren Missverhältnis. Schul- und Universitätsschließungen, das Verbot von Schul- und Vereinssport, Kontaktsperren und dazu eine Maskenpflicht über eine tägliche Zeitspanne wie sie kaum eine andere (Berufs)Gruppe erbringen musste.

Im November 2022 musste schließlich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbauch bekennen, dass das Schließen von KiTas definitiv medizinisch nicht angemessen gewesen sei und „auch in dem Umfang, wie wir es damals gemacht haben, nach heutigem Wissen nicht nötig gewesen“ wäre. Im Januar 2023 bezeichnete er dann auch das Schließen der Schulen als Fehler.

Bereits im Sommer 2020 hatte die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin auf die negativen Folgen der Schließung der Gemeinschaftseinrichtungen für die Kinder und Jugendliche hingewiesen und die Notwendigkeit von deren Wiedereröffnung. Schon zu diesem Zeitpunkt war klar, dass eine SARS-CoV-2-Infektion für die allermeisten Kinder und Jugendlichen nur eine milde Erkrankung darstellt.

Die politisch induzierte soziale Spaltung machte auch vor den Bildungseinrichtungen keinen Halt. Dabei war es nicht das Virus, das aus den Schulen herausgetragen wurde, sondern soziale Konflikte, die von den Eltern in die ein oder andere Richtung verstärkt wieder in die Schulen hineingetragen wurden. Auf diese Weise wurden KiTas und Schulen zum Brennglas einer Politik, die ihre Maßnahmen auf eine Bevölkerungsgruppe fokussierte, die dem nichts entgegenzusetzen hatte.

 

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Wo waren sie, die Lehrer?

Die Kinder trafen in den Schulen auf Lehrer, die ihre pädagogische Verantwortung aus Sorge um das eigene Wohlergehen leider allzu oft nicht wahrgenommen haben, was ihre berufliche Aufgabe gewesen wäre. Auch ihrer Kernaufgabe, der gezielten und nach wissenschaftlichen Erkenntnissen gestalteten Vermittlung von Lerninhalten sowie ihrer individuellen Bewertung und systemischen Reflexion, kamen sie nur zu oft nicht nach.

Wo waren sie, die Mathematiklehrer, die ihren Schülern beigebracht haben, dass nur mit einer adäquaten Methodik und geeigneten Daten hochwertige Statistiken erstellt werden, dass sich Inzidenzen und R-Werte nicht allein anhand positiver PCR-Tests errechnen lassen, die ihnen den Unterschied zwischen absoluten und relativen Risiken erklärt hätten, wenn von NPI oder einer 95%igen Schutzwirkung der Impfstoffe die Rede war?

Wo waren sie, die Biologielehrer, als von einer Herdenimmunität durch eine nicht-sterile Impfung mit einem „quasi nebenwirkungsfreien“ Impfstoff gesprochen wurde? Wo waren die Philosophie-, Religions- und Ethik-Lehrer, als der Ausschluss aller Nicht-Geimpften von jeder sozialen Teilhabe (2G-Regeln) gefordert wurde, was nicht nur die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Alena Buyx, für eine vertretbare Maßnahme hielt?  

Wo die Politik-Lehrer, als versucht wurde, jeglichen Diskurs über diese Politik im Keim zu ersticken und alle Kritiker der Maßnahmen zumindest als „Querdenker“, als „Rechte“, mitunter sogar als Faschisten, auf jeden Fall aber als schlechte Menschen dargestellt wurden?
Und wo waren die Rechtskunde-Lehrer, die mit ihren Schülern diskutiert haben über Einschränkungen der Grundrechte wie es sie in der Geschichte der Bundesrepublik nie zuvor gegeben hat, allesamt verordnet, ohne vorher das Parlament passiert zu haben, gesetzlich festgelegt von einem exekutiven Organ, das unsere Verfassung nicht vorsieht?

Eine Aufarbeitung dieses Versagens ist öffentlich nicht erkennbar, kritische Stimmen, wie die des Leipziger Gymnasiallehrers Alexander Wittenstein, eine rühmliche Ausnahme. In einem Beitrag zur Corona-Debatte der Berliner Zeitung stellte er sich und seinen Kollegen diese Fragen und zeigte sich ratlos, dass man nicht protestiert habe.

Restriktionen in den Schulen

Stattdessen erfuhren Kinder und Jugendliche in Schulen Restriktionen, wie sie vor der Pandemie noch undenkbar gewesen wären oder zumindest einen gesellschaftlichen Aufschrei hervorgerufen hätten. Da wurden medizinische Daten abgefragt, die allen Datenschutzbestimmungen zuwiderliefen, Persönlichkeitsrechte regelhaft verletzt, Grenzen wie selbstverständlich überschritten. Und das alles im Namen eines falsch verstandenen Solidaritätsgedankens, der seiner Grundvoraussetzung, der Freiwilligkeit, beraubt worden war.

Die Schüler waren dem Verhalten solcher Lehrer, die ihre Macht in diesem Ausmaß missbrauchten und Schüler bloßstellten, ohne dass daraus Konsequenzen erfolgten, schutzlos ausgeliefert, weil sich deren Verhalten jeder Kontrolle entzog. Schon Einzelfälle dieser Art sind geeignet, sich auf das ganze System auszuwirken. Eltern, Lehrer und Politiker nahmen Verstöße gegen die Grundrechte von Kindern und Jugendlichen viel zu häufig als selbstverständlich hin oder zumindest billigend in Kauf.

Lehrerverbände drängten auf dritten Schul-Lockdown

Trotz der damals bereits bekannten verheerenden Folgen der Schulschließungen drängten die Lehrerverbände Ende Dezember 2021 angesichts der bevorstehenden Omikronwelle auf ein erneutes Ende des Präsenzunterrichts. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands Heinz-Peter Meidinger stellte die Forderung auf, bei einem neuen Lockdown die Schulen nicht zu vergessen. Man musste den Eindruck gewinnen, dass es den Lehrerfunktionären mehr um die eigene Gesundheit ging als um das Wohlergehen der Kinder.
Bereits im August 2021 hatte Meidinger vor einer „Durchseuchung der Schulen“ gewarnt und prognostiziert, dass „zwischen 30.000 und 180.000 Schülern in Krankenhäusern behandelt werden müssten, von eventuellen Long-Covid-Folgen mal völlig abgesehen“.

Zum Zeitpunkt von Meidingers Modellrechnung waren bei der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI), die im März 2020 ein Register eröffnet hatte, an das bundesweit etwa ein Drittel aller Kinderkliniken ihre SARS-CoV-2-Fälle gemeldet haben, insgesamt 1.708 Kinder und Jugendliche gemeldet worden, die mit (nicht wegen) einer SARS-CoV-2-Infektion stationär aufgenommen werden mussten – und das seit Beginn der Pandemie.  Als das Register geschlossen wurde, waren dort vom 1. Januar 2020 bis einschließlich 30.11.2022 insgesamt 7.375 Fälle gemeldet worden, wovon bei etwa 75% SARS-CoV-2 der Aufnahmegrund war und bei den Übrigen wegen anderer Diagnosen eine stationäre Behandlung erforderlich wurde und der positive Test nur im Rahmen des Screenings bei Klinikaufnahme aufgefallen war.

Meidinger sprach sich auch grundsätzlich für eine allgemeine Impfpflicht aus, lehnte eine solche aber für Lehrer ab und verwies dabei auf die hohe Impfquote von 95 % unter den Kollegen. Monate zuvor war es ihm und seinen Kollegen gelungen, in der Impfverordnung eine Höherstufung zur erstreiten. Ursprünglich eingeteilt in die gleichen Prioritätsstufe wie Personen, die in besonders relevanter Position in staatlichen und anderen Einrichtungen der Kritischen Infrastruktur tätig waren, kletterte das Lehrpersonal eine Stufe höher und konkurrierte dann mit Ärzten, Pflegepersonal und über 70-Jährigen um die damals noch heiß begehrten und knappen Impfdosen.

Besondere Hygienemaßnahmen ohne Evidenz

Auch von vielen Kinderärzten hätte man sich klarere Stellungnahmen gewünscht. Einige von ihnen hatten schon früh und wiederholt auf die negativen Folgen der KiTa- und Schulschließungen hingewiesen. Zahlreiche niedergelassene Kinderärzte jedoch weigerten sich, Corona-infizierte Kinder zu behandeln, erließen 3G-Regeln für ihre Praxen oder verweigerten nicht geimpften Eltern, mitunter sogar nicht geimpften Kindern und Jugendlichen, gleich ganz den Zutritt.

Auch die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde hielt lange an den besonderen Hygienemaßnahmen in Kindergärten und Schulen (Reihen-/Pooltestungen, Quarantäne, Maskenpflicht der Schüler) fest, obwohl diese der wissenschaftlichen Evidenz entbehrten und hinsichtlich der Risiko-, Aufwand- und Nutzenbewertung weder geeignet noch verhältnismäßig waren. Um der Politik entgegenzukommen wurden von medizinischer Seite proaktiv Kompromisse vorgeschlagen, die keinen gesundheitlichen Nutzen für die Kinder darstellten, sondern ihnen eher zum Nachteil gerieten. Mitunter musste man den Eindruck gewinnen, dass die beschlossenen Maßnahmen eher dem gesellschaftlichen Druck folgten als einer evidenzbasierten wissenschaftlichen Sachgrundlage. Es steht zu befürchten, dass diese Dynamik die Gesellschaft noch lange begleiten wird.

Immenses Bildungsdefizit

Inzwischen ist allgemein anerkannt, dass die Kollateralschäden durch die während der Pandemie verhängten Maßnahmen die Risiken einer Corona-Infektion bei Kindern und Jugendlichen um ein Mehrfaches übersteigen. Insbesondere das Bildungsdefizit der Kinder und Jugendlichen ist immens. Aktuellen Studien zufolge beträgt der durch die Corona-Pandemie bedingte Lernrückstand bei allen Klassenstufen mehrere Monate – oder 35% eines Schuljahrs. Am größten sind die Lücken bei einkommensschwachen Familien und in Mathe. Die Folgen dessen sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht absehbar, könnten die Gesellschaft aber durchaus mehr kosten als alle Corona-Maßnahmen zusammengenommen.

Fehlende Sozialkontakte zu Gleichaltrigen, Fehlernährung, Bewegungsmangel und erhöhter Medienkonsum waren für die Heranwachsenden zudem mit einem erheblichen gesundheitlichen Risiko verbunden. So ist etwa die Beratungshäufigkeit von Hilfetelefonen, wie bspw. der „Nummer gegen Kummer“ 2020 im Vergleich zu 2019 um 7% gestiegen und hat 2021 noch weiter zugenommen. Insgesamt wurden 7.148 Beratungen am Kinder- und Jugendtelefon im direkten Zusammenhang mit der aktuellen Corona- Pandemie geführt, dies sind 8% aller Beratungen in 2021 (+1,7% im Vergleich zu 2020). Dabei beschäftigte diese besondere Situation Mädchen und Jungen gleichermaßen. Die drei häufigsten Anrufanlässe waren dabei: Einsamkeit, Langeweile und die Sorge um die eigene psychische Stabilität.

Gesundheitliche Auswirkungen auch bei den Kleinsten

Die im November veröffentlichte Corona-KiTa-Studie, die von Mitte 2020 bis Ende 2022 gemeinsam vom Deutschen Jugendinstitut (DJI) und dem Robert Koch-Institut (RKI) durchgeführt und vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gefördert wurde, gibt einen Überblick über die Auswirkungen der Corona-Pandemie für Kinder und ihre Familien in Deutschland. Darin halten die Autoren fest, dass bereits Kinder im Vorschulalter unter den Schließungen der Betreuungseinrichtungen litten, weil ihnen die Interaktionen im sozialen Umfeld fehlten.

Ein kleiner, aber substanzieller Anteil an Familien berichtete von auffälligen Verhaltensweisen, psycho-sozialen Problemen oder psychosomatischen Symptomen bei ihren Kindern. Von den KiTa-Ausfällen betroffene Eltern waren insbesondere dann gestresst, wenn sie alleinerziehend oder beide Elternteile berufstätig waren. Viele Einrichtungen gaben einen relevanten Anteil an Kindern an, die in verschiedenen Entwicklungsdomänen einen deutlich höheren Förderbedarf hätten als vor der Pandemie, was sich zB beim Spracherwerb zeigte,  der sich etwa zwischen dem dritten und siebten Lebensjahr vollzieht. Erfahrungen, die in diesem Lebensalter nicht gemacht werden, lassen sich nur sehr schwer oder überhaupt nicht mehr kompensieren, was insbesondere für Kinder aus bildungsfernen Haushalten oder mit Migrations- oder Fluchtgeschichte von entscheidender Bedeutung ist.

Zunahme der gemeldeten Fälle institutioneller Gewalt

Während der Pandemie ist auch die Zahl der Gewaltmeldungen in Kindertagesstätten gestiegen. Das zeigen die Statistiken einiger Landesjugendämter. Dazu beigetragen haben wird, dass den Eltern jedes Betreten der Einrichtungen untersagt war.
Das Thema ist ein Tabu und dazu veröffentlichte Zahlen stellen allenfalls die „Spitze des Eisbergs“, dar, so die Vorsitzende des Kinderschutzbundes NRW, Gaby Flösser, in einem Artikel der Neuen Westfälischen aus Bielefeld, denn nach wie vor gelte es in den Einrichtungen als Nestbeschmutzung und Verrat, wenn man solche Vorfälle meldet.  Die Tageszeitung hatte darüber berichtet, dass von den Landesjugendämtern NRW veröffentlichten Meldezahlen seit 2018 sprunghaft angestiegen seien, was vor allem im Rheinland auffiel. Das dort zuständige Landesjugendamt habe 2018 noch 34 Fälle von pädagogischem Fehlverhalten erfasst, 2020 seien es schon 120 gewesen. Diese Zahl habe sich im Folgejahr auf 222 Fälle nahezu verdoppelt. Auch bei körperlicher Gewalt sei ein starker Anstieg verzeichnet worden. Von 42 Fällen im Jahr 2018 seien die Meldezahlen in der Pandemie stetig nach oben gestiegen, 2021 waren es mehr als doppelt so viele. Bei sexuellen Übergriffen habe sich die Zahl der gemeldeten Vorfälle von 38 im Jahr 2018 auf 76 in den Jahren 2020 und 2021 erhöht.

Deutliche Zunahme psychischer Erkrankungen bei Jugendlichen

Anfang Februar 2023 stellte die Bundesregierung den „Abschlussbericht einer interministeriellen Arbeitsgruppe (IMA) zu gesundheitlichen Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche durch Corona“ vor, in die die Untersuchungen

  •   „Kindergesundheit in Deutschland aktuell“ (KIDA) des Robert Koch-Instituts (RKI),
  •  die Corona-KiTa-Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJI) und des RKI,
  •  die Studie „Corona und Psyche“ (COPSY) der Universität Hamburg-Eppendorf,
  •  die Studie „Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten“ (AID:A) des DJI,
  •  der DAK-Kinder- und Jugendreport und der von ihr geförderte Präventionsradar für das Schuljahr 2021/22, sowie
  •  das Verbundprojekt „Sozialpädiatrische Versorgung und bio-psychosoziale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen während der Corona-Pandemie“ des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein

eingeflossen sind. Dem Bericht zufolge dauern die Folgen der Pandemie für Kinder und Jugendliche bis heute an, immer noch seien 73 Prozent der Kinder und Jugendlichen psychisch belastet, heißt es darin. So gaben in der 4. Befragung der COPSY-Studie vom Februar 2022 etwa 81 Prozent der 7-17-Jährigen an, „ziemlich“ bzw. „äußerst“ psychisch belastet zu sein, was im Vergleich zum Beginn der Pandemie einen Anstieg um 10% darstellt. Laut KIDA-Studie hat sich nach Angaben der Eltern in der Altersgruppe der 3-15-Jährigen die psychische Gesundheit im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie sogar bei 21 Prozent verschlechtert. Ein ähnliches Bild zeigte sich bei der allgemeinen Gesundheit der Kinder: KIDA zufolge hat diese sich bei 15 Prozent der 3-15-Jährigen verschlechtert. Laut dem aktuellen Präventionsradar erlebt die Hälfte der Schüler der Sekundarstufe I ein vermindertes psychisches Wohlbefinden.

Der Kinder- und Jugendreport der DAK weist bei einigen psychischen Störungen anhand der eigenen Versorgungsdaten in bestimmten Alters- und Geschlechtsgruppen teilweise deutliche Anstiege ärztlicher Diagnosen auf: So lag der Anteil an Mädchen zwischen 15 und 17 Jahren mit einer Essstörung im Jahr 2021 um 54 Prozent höher als noch 2019. Bei der Diagnose Depression betrug der Anstieg in der Gruppe der 10- bis 14-jährigen Mädchen im selben Zeitraum 23 Prozent, bei den 15- bis 17-jährigen Mädchen waren es 18 Prozent und bei Angststörungen 24 Prozent. Die DAK-Daten geben auch Auskunft zur Entwicklung der Häufigkeit von diagnostizierter Adipositas. Hier fielen im Jahr 2021 teilweise deutliche Zunahmen der Neuerkrankungen gegenüber dem Vorpandemiezeitraum auf. Beispielsweise zeigte sich bei Jungen zwischen 15 und 17 Jahren im Jahr 2021 um 15 Prozent häufiger eine Adipositas als noch 2019.

Zunahme von häuslicher Gewalt, Kindesmissbrauch und Missbrauchsabbildungen

Vermutet wird zudem eine durch die Pandemiemaßnahmen begünstigte Zunahme häuslicher Gewalt, mit Angst als zusätzlichem Auslöser und dem Wegfall einer möglichen Entdeckungs- und Kontrollfunktion durch die Kindergärten und Schulen. Dafür spricht die im November 2022 vom Bundeskriminalamt veröffentlichte kriminalstatistische Auswertung für das Jahr 2021. Darin wurden 221.831 Opfer häuslicher Gewalt erfasst. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Anzahl der Opfer zwar damit um 1,8 % gesunken (2020: 225.884 Opfer), bezogen auf das Vor-Coronajahr 2019 findet sich jedoch ein Anstieg um 3,4 %.  

Der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) 2021 zufolge sind 145 Kinder im Jahr 2021 gewaltsam zu Tode gekommen, was einen leichten Rückgang (- 7 Fälle) gegenüber dem Vorjahr darstellt. 118 von ihnen waren zum Zeitpunkt des Todes jünger als sechs Jahre alt. In 83 Fällen erfolgte ein Tötungsversuch.

Besonders drastisch sind der PKS zufolge die im Jahr 2021 erneut um 6,3% gestiegenen Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch auf über 15.500 Fälle (Vorjahr: 14.500) und die um 108,8 % auf über 39.000 Fälle angestiegenen Missbrauchsdarstellungen. Die jährlichen PKS-Zahlen geben dabei lediglich die der Polizei bekannt gewordenen und durch sie ausermittelten Delikte an. Das Dunkelfeld und auch der Anteil an Straftaten, von denen die Polizei keine Kenntnis erhält, ist um ein Vielfaches größer. Schätzungen gehen davon aus, dass in Deutschland pro Schulklasse 1-2 Schüler von sexueller Gewalt in unterschiedlichsten Lebensbereichen betroffen sind. Laut PKS hat sich die Zahl der unter 18-Jährigen, die in Deutschland insbesondere in den sozialen Medien Missbrauchsabbildungen weiterverbreiteten, erwarben, besaßen oder herstellten, von 1.373 Tatverdächtigen im Jahr 2018 auf 14.528 im vergangenen Jahr mehr als verzehnfacht.

Fazit:

Angesichts dieser Fakten verkommt die politisch allgegenwärtig vorgebrachte Behauptung, wir seien gut durch die Pandemie gekommen, zur hohlen Phrase. Was eigentlich sind die Kriterien für ein solches Urteil? Gemessen an den Folgen für die Kinder und Jugendlichen ist das Gegenteil der Fall.

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