Kanzler und Minister reisen nach Spanien - Energiekrise: Rückendeckung von Pedro

Bei ihrer Reise nach A Coruña können Olaf Scholz, Christian Lindner und Robert Habeck ihre Berliner Konflikte kaum vergessen machen. Aber bei den deutsch-spanischen Regierungskonsultationen an der Atlantikküste gibt es immerhin Unterstützung für Gaspreisbremse und neue Energie-Lieferwege vom spanischen Regierungschef Pedro Sánchez. „Ein deutsch-spanisches Jahr“, ruft da gar der Kanzler aus. 

Pedro Sánchez (r), Ministerpräsident von Spanien, empfängt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) / dpa
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Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

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So einen Klassenausflug gab es bei der Ampel noch nie. Erstmals flogen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und seine wichtigen Minister gemeinsam in einem nagelneuen Truppentransporter an die spanische Atlantikküste. Doch es sollte keine Lustreise werden. Die ersten deutsch-spanischen Regierungskonsultationen seit neun Jahren standen ganz unter dem Eindruck des Ukraine-Kriegs und der Energiekrise in Europa. Mehr noch: Die Turbulenzen in der Bundesregierung nahmen die acht (!) rot-grün-gelben Kabinettskollegen gleich mit in die Luft. 

Kurz vor Abflug hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) noch verkündet, dass nicht die drei noch laufenden, sondern darüber hinaus zwei bereits stillgelegte Atomkraftwerke zur Überwindung der Stromknappheit bis 2024 am Netz sein sollten. Der Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte bisher im Wege sozusagen der Streck-Entscheidung nach und nach den Fortbetrieb von lediglich zwei Anlagen und dies nur bis April 2023 in Aussicht gestellt. Eine Einigung gibt es nicht. Für Gesprächsstoff auf dem Airbus 340 war also gesorgt. Immerhin gab es Streuselkuchen mit reichlich Sahne.

Vorne im Flieger war es gemütlicher als in normalen Maschinen. Man konnte sich gegenübersitzen. Am Tisch von Scholz saß Habeck und in der Nähe auch Außenministerin Annalena Baerbock und Finanzminister Christian Lindner. Es war sowas wie eine inoffizielle Kabinettsklausur über den Wolken. Die Ergebnisse sind noch unbekannt. Und auch, wer vom Kuchen gekostet hat.

Streit um Midcat-Pipeline

Angenehmer als der Streit untereinander sind dann doch Konflikte mit anderen, bei denen man geschlossen auftreten kann. Zum Beispiel mit dem französischen Präsident Emmanuel Macron. Mit ihm gibt es Zoff wegen einer Gaspipeline von Spanien über die Pyrenäen nach Norden. Zusammen mit Madrid treibt Berlin das Projekt voran, um mit spanischem Gas die Knappheit in Deutschland zu bekämpfen. 2025 soll die Leitung fertig sein, allein die Franzosen wollen nicht: unnötig, zu aufwändig, dauert zu lange, heißt es aus Paris. 
 

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Aber die Einigkeit zwischen Scholz und dem spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez beflügelte das Treffen im galicischen Hafenort A Coruña. Seit 2018 regiert der Vorsitzende der spanischen Sozialisten; und auch wenn der hochgewachsene Spanier eine Art Gegentyp zum hanseatischen Bundeskanzler darstellt, scheinen die beiden doch auf ähnlicher Welle zu funken.

Bei der gemeinsamen Pressekonferenz konnte die Nähe dem Augenschein nach zumindest kaum größer sein. Scholz sprach gar von einem „deutsch-spanischem Jahr“, weil im Kalender so viele iberische Termine stehen. Sánchez war auch schon zu Gast bei der Kabinettsklausur in Meseberg und im Oktober kommt sogar der spanische König nach Deutschland.

Doppelwumms an Unterstützung

Scholz bekam von Pedro, seinem spanischen Freund, gleich einen „Doppelwumms“ an Unterstützung. Zum einen fand Sánchez deutliche Worte in Richtung Paris. Frankreich habe die Verpflichtung, am Ausbau europaweiter „Konnektoren“ mitzuwirken. Es stabilisiere den Binnenmarkt, wenn Infrastruktur zur Verteilung von Gütern ausgebaut werde. Gemeint war auch die Midcat-Pipeline, die eben Spanien mit Deutschland verbinden soll. Frankreich sperrt sich, will wohl Deutschland lieber eigenes Gas liefern. Spanien hingegen plant, zentraler „Energielieferant Europas“ zu werden, zunächst mit Gas, bald aber schon mit grünem Wasserstoff, wie der spanische Regierungschef erklärte.

Für Scholz noch wichtiger war die zweite Rückendeckung. Sánchez nahm Scholz vor dem Vorwurf in Schutz, dass deutsche Rettungspaket richte sich gewissermaßen gegen schwächere europäische Länder, die sich etwa eine teure Gaspreisbremse nicht leisten könnten. Würde Deutschland mit seinem 200-Milliarden-Paket eine Wettbewerbsverzerrung bewirken, unter der viele zu leiden hätten? Scholz' spanischer Freund widersprach. Zum einen sei Deutschland deutlich stärker von der gegenwärtigen Krise betroffen, weil es sich in die hohe Abhängigkeit von russischem Gas begeben hatte. Zum anderen sei Deutschland nun mal die stärkste Volkswirtschaft Europas. Deswegen hätten alle in Europa etwas davon, wenn es Deutschland gut gehe.

Da strahlte der deutsche Bundeskanzler und machte den regen-verhangenen Tag in A Coruña für seine Reisegruppe zum Erfolg. Die Ministerinnen und Minister aus Deutschland mussten bei der Pressekonferenz des Kanzlers in der ersten Reihe sitzen, ungewohnte Rolle für die Ressortchefs, die sonst gewohnt sind, selbst im Mittelpunkt zu stehen. Deswegen wundert es nicht, dass Lindner und Habeck in der ersten Reihe die Kopfhörer abnahmen und herumtuschelten, während der Bundeskanzler vor die Weltpresse trat. Doch der Chef griff nicht ein. Vielleicht hilft es in der Sache. Klassenfahrten sollen ja auch dem Teambuilding dienen. 

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