Christiane Benner im Porträt - Auf der „hellen Seite der Macht“

Christiane Benner ist die erste Frau an der Spitze der IG Metall, unterscheidet sich aber nicht nur durch ihr Geschlecht von ihren Vorgängern. Ihr Weg zur Gewerkschaftschefin war durchaus umstritten. Der Kampf gegen die AfD hat für sie höchste Priorität.

Christiane Benner / dpa
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Autoreninfo

Ferdinand Knauß ist Cicero-Redakteur. Sein Buch „Merkel am Ende. Warum die Methode Angela Merkels nicht mehr in unsere Zeit passt“ ist 2018 im FinanzBuch Verlag erschienen.

 

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Allzu viele Männerdomänen dürften nun nicht mehr übrig sein. Jedenfalls keine, die für ehrgeizige Frauen attraktiv wären. Der Vorsitz der größten deutschen Einzelgewerkschaft IG Metall mit ihren rund 2,2 Millionen Mitgliedern, rund 80 Prozent davon Männer, war ein solcher, bis ihn im Oktober 2023 Christiane Benner übernahm.

Sie unterscheidet sich allerdings nicht nur durch ihr Geschlecht von der langen Reihe ihrer Vorgänger, die seit der Gründung 1949 die Geschicke der Arbeiterschaft und der deutschen Leitindustrien Auto, Maschinenbau und Stahl maßgeblich mitbestimmt haben. Männer wie Otto Brenner oder Franz Steinkühler gehören zu den großen Gestalten der Nachkriegsgeschichte – und sie waren in jungen Jahren tatsächlich Arbeiter gewesen.

Benner, geboren 1968, hat nie in einer Werkhalle gearbeitet. Aber darauf angesprochen, betont Benner, dass sie immer noch „Vorzüge und Funktion von Schenck-Auswuchtmaschinen erläutern“ könne. Als Fremdsprachenkorrespondentin begann sie 1987 im Vertrieb des Maschinenbau-Unternehmens Carl Schenck, bevor sie Soziologie studierte und ein Jahr in den USA lebte. Schon vor dem Diplom-Abschluss engagiert sie sich ab 1997 in der IG Metall, von 2000 an in der Zentrale in Frankfurt, wo sie schnell aufsteigt. 2008 wird sie Bereichsleiterin und 2011 Geschäftsführendes Vorstandsmitglied. 

Bisher keinen großen Tarifvertrag verhandelt

Detlef Wetzel, IG-Metall-Chef von 2013 bis 2015, gilt als Benners Förderer. Als sie 2015 zur zweiten Vorsitzenden neben Jörg Hofmann gewählt wird, ist damit eigentlich der Weg ganz an die Spitze vorbestimmt. Denn traditionellerweise ist bei Gewerkschaften der zweite der designierte Nachfolger des ersten Vorsitzenden. Aber viele IG-Metaller wollten Benner nicht ganz an der Spitze haben. Der Grund dafür war dem Vernehmen nach: Benner hat bisher keinen großen Tarifvertrag verhandelt. Ihr fehlt nicht nur Werkhallen-, sondern auch Arbeitskampferfahrung. 
 

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Hofmann hatte deswegen vor, Benner auf den eher repräsentativen Posten als Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds abzuschieben. Doch sie machte nicht mit und ließ Yasmin Fahimi 2022 den Vortritt. Auch eine Initiative Hofmanns, die Positionen des ersten und zweiten Vorsitzenden anzugleichen, wodurch Benners Macht zugunsten des Tarifexperten Roman Zitzelsberger beschränkt worden wäre, scheiterte. Zitzelsberger zog sich schließlich zurück. 

Die DGB-Gewerkschaften haben sich, obwohl sie allen Arbeitnehmern offenstehen, „unabhängig von politischer Einstellung“, wie es auf der Website der IG Metall heißt, schon immer auch als linke Kraft über die reine Interessenvertretung hinaus verstanden. Sie demonstrierten in den 1950ern gegen die Wiederbewaffnung und in den frühen 1980er Jahren gegen den Nato-Doppelbeschluss. Der langfristige Mitgliederschwund der Gewerkschaften könnte auch damit zu tun haben, dass nicht alle Arbeitnehmer deren politische Vorstellungen mittragen wollen. Unter Benner wird die IG Metall diese Ambitionen aber nicht zurückstellen, eher im Gegenteil. 

Klare Kante gegen Populismus

In Interviews fordert sie nicht nur die Vier-Tage-Woche und einen staatlich subventionierten Industriestrompreis, sondern kündigt auch einen Kampf gegen die AfD an. Sie wolle sich „allen Themen widmen, die für gute Arbeit und gutes Leben wichtig sind“. Dazu gehört für sie auch „klare Kante gegen Populismus, der unsere Gesellschaft spaltet und damit unseren Mitgliedern schadet“. Dabei wird sie auch schon mal moralisierend und pathetisch, wenn sie in der Augsburger Allgemeinen IG-Metall-Aktive lobt, die auf der „hellen Seite der Macht“ stünden, denn die „engagieren sich für Geflüchtete und zeigen Haltung gegen rechts“. 

Auch auf diesem Feld zeigt sich Benner machtbewusst. Denn als Mittel gegen die AfD fordert sie „mehr Demokratie-Zeit in den Firmen und mehr Mitbestimmung bei strategischen Unternehmensentscheidungen“ – also mehr Macht für die Gewerkschaften. „Durch die Umbrüche in der Industrie hin zu Klimaneutralität und Digitalisierung sind die Menschen verunsichert“, sagt sie. Das müsse man durch sichere berufliche Perspektiven verhindern. 

Die Bundesregierung hat vom SPD-Mitglied Benner keine scharfe Kritik zu befürchten. Begriffe wie „Energiewende“ oder „Transformation“ gehen ihr oft über die Lippen. Die im Herbst skizzierte „industriepolitische Strategie von Habeck plus Brückenstrompreis“ hält sie für „einen guten Ansatz“. Für die „schleichende Deindustrialisierung“ sei nicht allein die Ampel verantwortlich. Um die Attraktivität des Standorts zu verbessern, seien „erhebliche Investitionen“ nötig, und dafür sei „das Einhalten der Schuldenbremse“ falsch. „Sie ist eine Zukunftsbremse für die deutsche Industrie und Wirtschaft“, behauptet Benner. Das werden viele Parteifreunde gerne hören.
 

 

 

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