Heizungs-Streit bei Anne Will - In der Montagehalle

Das von Robert Habeck geplante Verbot des Einbaus von Gas- und Öl-Heizungen stößt auf Widerspruch und löst Empörung aus. Auch bei Anne Will wurde darüber diskutiert. Der Grünen-Vorsitzende zeigte sich sogar überraschend kleinlaut. Bemerkenswert war aber ein anderer Punkt.

Die Talkrunde bei Anne Will am Sonntagabend / ARD
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Man kennt das inzwischen, gewöhnt haben sich viele Menschen in diesem Land aber noch immer nicht daran: Die Grünen machen irgendwelche unausgereiften Gesetzesvorschläge, und hinterher muss die ganze Sache wieder abgeräumt werden – derweil der Bundeskanzler dazu schweigt. Der Weg dieser selbsternannten Fortschrittskoalition ließe sich freundlich als „iterativer Prozess“ beschreiben oder weniger freundlich eben auch als Irrlichtern.

Professionell und harmonisch wirkt es jedenfalls nicht, wenn wie am Sonntagabend in der Talkshow von Anne Will der jüngste Habeck-Vorstoß praktisch unisono in die „Montagehalle“ zurückverwiesen wird. Übrigens sogar vom Grünen-Ko-Vorsitzenden Omid Nouripour persönlich. Natürlich ganz nonchalant. Sie können es nicht und sind auch noch stolz darauf.

Nouripour bläst zum Rückmarsch

Es geht natürlich um das Verbot des Einbaus von Öl- und Gasheizungen, das nach dem Willen des grünen Bundeswirtschaftsministers und seiner aktivistischen Entourage schon vom 1. Januar nächsten Jahres an gelten soll. Dass eine ganz überwiegende Mehrheit der Bundesbürger diesen Plan ablehnt, ficht zwar normalerweise keinen Grünen an, denn in dieser Partei hat man die vergangenen Jahrzehnte über gelernt, die eigene Agenda auch gegen verbreitete Meinungen durchzusetzen.

Aber diesmal ging der Schuss dann doch überraschend nach hinten los, weil selbst die meisten Medien in ihrer Rolle als Wegbereiter grüner Ideologie versagten. Also musste auch Nouripour zum Rückmarsch blasen und sprach beschwichtigend davon, bei der Heizungssache befinde man sich ja erst „am Anfang der Beratungen“. Man müsse, gestand er sogar ein, „über das schlechte Echo“ des Habeck-Vorschlags reden. Offenbar sah der Parteichef Anlass dazu, den Bewohnern dieses Landes zu versichern, dass sie weiterhin „in ihren vier Wänden heizen“ könnten. Deutschland im Jahr 2023.

Das ist ja nur Politik

Der FDP-Bundestagsfraktionsvorsitzende Christian Dürr, Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, die CDU-Mittelstandspolitikerin Gitta Connemann und die Hauptstadtkorrespondentin der Süddeutschen Zeitung, Henrike Roßbach: Das gesamte Talk-Plenum war sich mehr oder weniger deutlich darin einig, den Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Habeck mit seinen Heizungsplänen in die schon erwähnte „Montagehalle“ zurückzuschicken, wo man sich offenbar auf das Ausarbeiten von fehleranfälligen Plänen bestens versteht.

Würde in der Industrie, die ja von solchen Leuten „transformiert“ werden soll, derart schlampig gearbeitet, gäbe es bald mangels Grundlage auch keinen Transformationsbedarf mehr. Aber egal, das ist ja nur Politik, da kann man offenbar einfach mal so drauflos stümpern. Diesen Eindruck vermittelt die Ampel inzwischen beinahe täglich, als Hilfsmittel zur Regulierung des politischen Verkehrs taugt sie erkennbar wenig.

„Nicht mit der Brechstange“

Koalitionspartner Dürr zu Habecks Vorstoß: Wird so nicht kommen. Roßbach: Man sollte die Sache nicht mit der Brechstange durchsetzen. Weil: Gut, dass nun immerhin eine Diskussion über Heizkörper in Gang gekommen ist. Connemann: Klimaschutz funktioniert nur mit den Menschen, nicht gegen sie.

Selbst Anne Will als erprobte Grünen-Apologetin schien nicht ganz überzeugt zu sein vom jüngsten Bockschuss aus dem Habeck-Ministerium; auf dessen praktische Probleme die Unionsabgeordnete Connemann mit dem Hinweis auf einen akuten Mangel an Wärmepumpen und Installateuren aufmerksam machte. Ebenso wie darauf, dass diese Technik bis zu zweieinhalb mal teurer sei als die konventionellen Anlagen. Was die Grünen natürlich durch neue Förderprogramme in Milliardenhöhe ausgleichen wollen, weil das Geld vom Staat – anders als regenerative Energiequellen – ja ganz offensichtlich nie versiegt.
 

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Womit man bei Will auch schon beim Thema Finanzen angelangt war. Das ist in der Ampelkoalition ebenfalls ein Fall für die Montagehalle, wie sich gerade beim ampelkoalitionären Haushaltsstreit zeigt, der den Bundesfinanzminister Christian Lindner dazu veranlasst hat, den Eckwerte-Beschluss für den nächsten Haushalt zu verschieben. Dass die Bündnisparteien SPD, FDP und Grüne sehr unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der Rolle des Staates hätten, ließ die SZ-Journalistin schon gleich zu Beginn der Sendung fallen – und nahm dieses Motiv später noch einmal auf: FDP anreizorientiert, SPD und Grüne hingegen auf Verbote und Subventionen setzend.

Womit auch der eigentliche Grund genannt wurde, warum es in dieser Regierungs-Montagehalle nicht zur Ruhe kommt: Die Gesetzesmonteure haben völlig unterschiedliche Bauanleitungen. Dass der Staat nach den Corona- und Ukrainekrieg-bedingten Ausgabenorgien der vergangenen Jahre nun irgendwie wieder zu einem „normalen Wirtschaftsgebaren“ zurückfinden müsse, wie Roßbach anmahnte, fand denn auch nur beim Liberalen Dürr zustimmenden Widerhall.

Der verengte Blick

Ansonsten bemühten sich der grüne Parteichef und der gelbe Fraktionsvorsitzende sichtlich darum, weltanschauliche Differenzen durch Harmonie und freundliches Miteinander zu überbrücken – zumindest in der Außenwirkung. So freute sich Omid Nouripour also darüber, dass der Ampel-Streit doch eigentlich ganz produktiv wäre, während Dürr die Handlungsfähigkeit der Koalition am schnellen Bau von LNG-Terminals festmachte. Es folgten gegen Ende noch ein paar Nickeligkeiten wegen des E-Fuel-Dissenses, bei dem die Liberalen für Technologieoffenheit plädieren und die Grünen (angeblich aus Kostengründen und aufgrund der Planungssicherheit für die Autobauer) auf reinen Batteriebetrieb setzen (zumindest bei Personenkraftwagen).

Die Schlussbemerkung der Journalistin Roßbach machte übrigens deutlich, dass diese Debatte immer mit einer sehr verengten Sicht auf das eigene Land und den eigenen Kontinent geführt wird: Deutsche Automobilhersteller wie BMW würden nämlich weiterhin mit dem Verbrennermotor planen, nur eben außerhalb Europas. Der europäische Markt sei ohnehin zu klein, „um ein Leitmarkt für die Welt zu sein“. Da könnte sich der geneigte Zuschauer natürlich fragen: Worüber reden wir eigentlich, wenn wir von Klimaschutz reden?

Warum ausgerechnet bei diesem Thema die globale Sichtweise in deutschen Talkshows schon beinahe konsequent ausgeblendet wird, das könnte dann in einer späteren Sendung debattiert werden. Oder eben auch nicht. Man will die Zuschauer ja schließlich nicht überfordern. Und jetzt zurück in die Montagehalle.

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