Grüner Filz bei „Hart aber fair“ - Katrin Göring-Eckardt gibt Robert Habeck eine schallende Ohrfeige

Um den grünen Filz in Habecks Ministerium sollte es in der ARD-Talkshow „Hart aber fair“ am Montagabend gehen. Doch das brisante Thema spielte kaum eine Rolle. Interessant war daher, was nicht gesagt wurde. Und dass der Wirtschaftsminister deutliche Kritik einer prominenten Parteifreundin abbekam.

Katrin Göring-Eckardt, Christian Dürr, „Spiegel“-Journalist Markus Feldenkirchen und Julia Klöckner bei „Hart aber fair“ / ARD
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Diese Sendung war eine Mogelpackung. „Grüner Filz bei Habeck: Ist die Energiewende in Gefahr?“ hieß das Thema. Zumindest der erste Teil dieser Ankündigung ließ auf eine spannende Diskussion hoffen. Zumal mit der CDU-Bundestagsabgeordneten und früheren Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner eine angriffslustige Oppositionspolitikern eingeladen war, die in der Affäre um Habecks entlassenen Staatssekretär Patrick Graichen den Finger in die richtigen Wunden legt.

Doch Klöckner konnte bei „Hart aber fair“ am Dienstagabend nur kurz andeuten, um was es in dem mit Vetternwirtschaft nur unzureichend umschriebenen Komplex eigentlich geht. Sie sprach zu Beginn der ARD-Talkshow von einem „sehr einflussreichen Netzwerk von Lobbyorganisationen“, das derzeit im Bundeswirtschaftsministerium den Ton angebe. Das Problem sei, dass diese Leute „nur eine Denkrichtung“ vertreten und andere Meinungen, selbst wissenschaftlich gut begründete, kein Gehör fänden.

Julia Klöckner brachte Kernproblem auf den Punkt

Dann brachte die CDU-Politikerin, die bei der parlamentarischen Aufklärung der Vorgänge um Graichens Trauzeugenaffäre eine wichtige Rolle gespielt hat, das weit über diese Affäre hinausreichende Kernproblem auf den Punkt: Es stelle sich die Frage, „ob politische Entscheidungen zum Wohle der Bürger oder eines grünen Netzwerks getroffen werden“, sagte Klöckner. Leider spielte diese Frage im weiteren Verlauf der Sendung keine Rolle mehr. Sie wurde nicht einmal diskutiert und schon gar nicht beantwortet.

Dabei saß mit Katrin Göring-Eckardt eine prominente Grünen-Politikerin im Fernsehstudio, die man nach diesem Netzwerk um Graichen und die von ihm mitgegründete Organisation „Agora Energiewende“ kritisch hätte befragen können. Stattdessen überwog die mitfühlende Sorge, dass die von genau diesem Netzwerk unter Robert Habeck vorangetriebene Wärmepumpenoffensive – ein wirtschaftspolitisches Husarenstück, das Hauseigentümer und Heizungsindustrie in die Verzweiflung treibt – scheitern könnte.

„Hamsterkäufe“: Keine Heizungen lieferbar

Diskutiert wurde nicht über den grünen Energiewende-Filz, dessen Wirken, dessen Geldgeber aus den USA und deren Interessen, sondern in altbekannter Talkshowmanier über kleinteilige Umsetzungsprobleme, von denen wahrscheinlich weder der Moderator noch seine Gäste wirkliche Ahnung hatten. Ob Wasserstoff oder Biogas dem Erdgas beigemischt und in Heizungen verbrannt werden solle. Wer wann welche Zuschüsse für den Heizungsumbau bekommt. Ob das Gesetz noch vor der Sommerpause oder ein paar Monate später im Bundestag beschlossen wird.

 

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Interessant wurde es erst, als die Inhaberin eines Heizungsbaubetriebs zugeschaltet wurde. Sie brachte als Stimme aus der Praxis einen erfrischenden Einblick in die realen Auswirkungen der irrlichternden und um sich selbst kreisenden Ampelkoalitionspolitik mit. Sandra Moraitidis aus Lindlar in Nordrhein-Westfalen berichtete von massiv verunsicherten Kunden, die so schnell wie möglich ihre alten Öl- oder Gasheizungen durch neue Brennwertanlagen ersetzt haben möchten. Doch das gehe nicht. „Es sind tatsächlich Hamsterkäufe getätigt worden, und es ist auf dem Markt nichts verfügbar. Es ist alles abgegrast.“ Weder Öl- noch Gasheizungen oder Wärmepumpen seiden derzeit lieferbar.

Wärmepumpenstrom aus dem Netz ist zu teuer

Auch Moraitidis’ Antwort auf die Frage nach den Kosten der von Habeck und den Grünen forcierten Wärmepumpenlösung war aufschlussreich. 25.000 Euro seien realistisch für das Gerät und den Einbau, sagte sie. „Aber wenn im Idealfall eine Photovoltaikanlage dazukommt, seien es locker 50.000 bis 55.000 Euro.“ Das könnten sich viele nicht leisten. „Eine junge Familie, die sich gerade ein Eigenheim baut, hat nicht das Geld, um sich für viele tausend Euro eine Photovoltaikanlage aufs Dach zu bringen“, nannte die Unternehmerin ein Beispiel und fügte an: „um den Strom selber nutzen zu können und nicht den teuren Strom aus dem Netz zu verbrauchen“.

Doch dieser wichtige Punkt ging dann leider unter. Dabei zeigt er das ganze Versagen der deutschen Energiewende-Politik. Energie knapper und teurer zu machen, war immer wesentlicher Teil dieser Ökoideologie. Man redete lieber von Effizienz und vom Energiesparen, aber im Kern ging es um Verknappung. Das Ergebnis dieser Politik sind hohe Strompreise bei zunehmend unsicherer Versorgung. Wenn die Grünen der Wärmepumpe wirklich zum Durchbruch verhelfen wollen, sollten sie deren Einbau nicht gesetzlich erzwingen, sondern für günstigen Strom sorgen, der auch in windstillen, dunklen Winterwochen zuverlässig fließt. Das könnten Kernkraftwerke leisten.

Grüne Ignoranz

Stattdessen setzen Habeck und Co. erst den Atomausstieg mit aller Gewalt durch und erklärten den Bürgern danach, dass sie künftig mit Strom heizen sollen. Das passt nicht zusammen. Und es ist auch eine große Ungereimtheit in den Planungen zum Heizungsgesetz, weshalb der künftig vorgeschriebene Anteil von 65 Prozent erneuerbarer Energie als automatisch erfüllt angesehen wird, wenn eine Wärmepumpe läuft. Beim deutschen Strommix ist das gerade im Winter sehr häufig nicht der Fall.

Bei „Hart aber fair“ spielte das alles kaum eine Rolle. Und als FDP-Fraktionschef Christian Dürr später nochmal die Kostenschätzung der Heizungsbauerin aufgriff, zeigte Katrin Göring-Eckardt eine Ignoranz gegenüber den Sorgen gewöhnlicher Bürger und Hauseigentümer, die vielen Spitzenpolitikern der Grünen zu eigen ist.

Dürr wandte ein, dass es ein himmelweiter Unterschied sei, ob eine neue Heizung 10.000 oder 50.000 Euro kostet. Worauf Göring-Eckardt dazwischenrief: „50.000 sind es nicht“ und dem FDP-Politiker vorwarf, Ängste der Bürger zu verstärken statt sie ihnen zu nehmen. Dürr verwies auf die Aussagen der Handwerkerin aus Nordrhein-Westfalen: „Ist doch gerade gesagt worden. Wenn Photovoltaik aufs Dach muss.“ – „Die muss nicht aufs Dach“, entgegnete Göring-Eckardt.

Die Ökopartei steht gewaltig unter Druck

Ja was denn nun? Sind die Grünen nicht seit Jahren dafür, möglichst viele Solarzellen auf deutsche Dächer zu packen? Schreiben Sie das nicht in dem von ihnen regierten Bundesland Baden-Württemberg bei Neubauten sogar schon gesetzlich vor? Und hat Frau Göring-Eckardt der Praktikerin aus Nordrhein-Westfalen nicht richtig zugehört: Die Photovoltaikanlage wird für die Heizungspumpe gebraucht, weil der Betrieb mit Strom aus dem Netz sonst zu teuer werden kann?

Das sind alles Fragen, die man wunderbar hätte diskutieren können. Wenn sie denn jemand gestellt hätte. So blieb das, was nicht gesagt wurde, das Interessanteste an dieser Sendung. Auch was die machtpolitischen Scharmützel innerhalb der Grünen angeht, die seit der Graichen-Affäre gewaltig unter Druck stehen.

Sie sagt „wir“ und meint Robert Habeck

Gastgeber Louis Klamroth fragte Karin Göring-Eckardt mehrmals nach der Rolle von Robert Habeck. Aber sie ließ an keiner Stelle etwas verlauten, das wie eine Verteidigung des ins Wanken geratenen Wirtschaftsministers klang. Stattdessen sprach sie von Fehlern, die „wir“ gemacht hätten. Aber sie beschrieb diese Fehler so, dass mit diesem „wir“ eigentlich nur Habeck gemeint sein kann.

Göring-Eckardt sagte: „Wir haben den Fehler gemacht, dass wir nicht von vornherein zusammengedacht haben: Was bedeutet das sozial? Was bedeutet es ökologisch? Und ökonomisch? Und die soziale Frage von Anfang an mitzudenken, ist das A und O, wenn man solche großen Veränderungen plant.“

Große Umbaupläne

Das hat gesessen. Für einen Wirtschafts- und Klimaschutzminister, der diese beiden Ressorts zusammengelegt hat, weil er die große Versöhnung von Ökonomie und Ökologie als seine historische Herausforderung ansieht und Ludwig Erhards Erfolgsidee der sozialen Marktwirtschaft zur „ökosozialen Marktwirtschaft“ umbauen will, sind diese Sätze einer prominenten Parteifreundin eine schallende Ohrfeige. Denn sie sprach damit kaum verhohlen das aus, was immer mehr Bürger inzwischen denken: Er kann es einfach nicht.

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