Reaktionen auf Hamas-Terror - Das destabilisierbare Deutschland

Die teilweise antisemitischen Reaktionen arabischer Migranten in Deutschland auf den Hamas-Terror zeigen, wie fragil der innere Frieden in unserer Einwanderungsgesellschaft ist. Die „Staatsraison“ der Israel-Freundschaft wird immer schwerer durchzusetzen.

Demonstration mit Palästina-Flaggen in Duisburg / picture alliance
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Ferdinand Knauß ist Cicero-Redakteur. Sein Buch „Merkel am Ende. Warum die Methode Angela Merkels nicht mehr in unsere Zeit passt“ ist 2018 im FinanzBuch Verlag erschienen.

 

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Es ist schon lange klar, dass es Deutschen nicht egal sein kann, „wenn hinten, weit, in der Türkei, die Völker aufeinander schlagen“, wie Goethe es sarkastisch im Faust einen Spießbürger sagen lässt. Zur Türkei gehörten zu Goethes Zeiten übrigens auch Gaza und das heutige Israel.

Der Nahostkonflikt muss Deutsche nicht nur interessieren, weil sie in einer historisch-moralischen Pflicht stehen gegenüber den in Israel lebenden Nachkommen der im deutschen Namen entrechteten und ermordeten europäischen Juden. Es geht auch um den inneren Frieden und die Stabilität Deutschlands und anderer europäischer Staaten.

Die jüngsten Gewalttaten gegen jüdische Einrichtungen, sogar gegen das Holocaust-Mahnmal in Berlin der anti-israelischen Demonstrationen in deutschen Städten, vor allem aber Äußerungen des unverstellten Antisemitismus, etwa die Markierung von Wohnungen jüdischer Menschen mit Davidsternen und offener Jubel über die Terror-Verbrechen der Hamas zeigen: Die von Regierungspolitikern, gestern erst von Bundeskanzler Scholz in Tel Aviv, immer wieder behauptete „Staatsräson“ der Unterstützung Israels wird von einem nicht unerheblichen Teil der Wohnbevölkerung nicht nur nicht unterstützt, sondern offen und aktiv bekämpft.

Es sind dies offenkundig so gut wie ausschließlich Eingewanderte oder deren Nachkommen aus dem Nahen Osten. Menschen aus Ländern, die gegen den Staat der Juden jahrzehntelang einen mal heißen, mal kalten Krieg führten. Länder, deren Meinungsmacher zu einem sehr großen Teil, wenn nicht mehrheitlich, einen Hass auf Israel und alle Juden nähren, der nicht nur unter Palästinensern oft schierem Vernichtungswillen gleichkommt. Anders kann man öffentliche Freude über bestialische Terrortaten gegen jüdische Zivilisten nicht deuten.

Wie sehr sich durch die Einwanderung von Millionen Menschen aus diesen Ländern in den vergangenen Jahrzehnten und verstärkt seit 2015 die Lage in Deutschland und Europa geändert hat, macht der historische Vergleich deutlich.

 

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Schon vor 50 Jahren 1973 hatte der Jom-Kippur-Krieg unmittelbare Auswirkungen auf Europa. Allerdings war damals in Europa nicht der innere Friede in Gefahr, sondern nur der Wohlstand. Die israelfeindlichen Öl-Exporteure der islamischen Welt (der Iran gehörte damals noch nicht dazu, sondern war unter dem letzten Schah ausgesprochen israel- und amerikafreundlich) drosselten die Ölproduktion und trieben den Preis extrem hoch.

Die ökonomischen Folgen für Westeuropa waren ähnlich wie die des Ukrainekriegs heute: Die damals (wie heute) ohnehin rezessionsreife Wirtschaft Deutschlands und des Westens wurde schwer getroffen. Die Deutschen mussten an einigen Wochenenden auf ihr Auto verzichten, die Inflation zog stark an, der Wohlstand wuchs in den Folgejahren auch wegen der Ölknappheit deutlich weniger schnell als in den Jahrzehnten zuvor.

Doch auf den inneren Frieden in Deutschland hatte der Krieg von 1973 keine Auswirkungen. Bis auf ein paar unverbesserliche Altnazis ohne jede öffentliche Wirksamkeit und militante Linksradikale, zu denen etwa der spätere Außenminister Joschka Fischer gehörte, standen die Deutschen öffentlich geschlossen an der Seite Israels. Die Angst vor ausbleibenden Energielieferungen aus arabischen Ländern äußerte sich nur hinter den Kulissen der Bundesregierung: Der damalige Außenminister Walter Scheel ließ seine Diplomaten die Versorgung Israels mit kriegsentscheidenden Hilfsgütern in Washington kritisieren.

Die vermeintliche Staatsraison wird immer schwieriger durchzusetzen

Kann man in Tel Aviv wirklich davon ausgehen, dass diese „Staatsraison“, dieses größte aller möglichen Solidaritätsversprechen von deutschen Regierungspolitikern, nicht nur ein billiges Wort ist? Die verbotenen und aufgelösten Demonstrationen beweisen: Der deutsche Staat kann diese seine vermeintliche Staatsraison nur mit dem Einsatz von Polizisten gegen einen nicht unerheblichen und schnell wachsenden Teil seiner Wohnbevölkerung (und dank forcierter Einbürgerung auch Staatsbürger) ausüben. Man muss kein Prophet sein um vorauszusehen, dass ihm dies immer schwerer fallen wird, je länger die Einwanderung in bisheriger Weise anhält.

Es geht hier nicht in erster Linie um Israels Interesse. Der Staat der Juden ist zwar klein, aber sehr wehrhaft. Israel kann zur Not auch ohne Deutschlands Hilfe fortbestehen. Die Ereignisse auf deutschen Straßen müssen den Israelis wenig zusätzliche Sorgen bereiten. Aber den Deutschen umso mehr. Besonders, aber nicht nur den jüdischen Deutschen. Denn ihr Staat erweist sich als in wachsendem Maße destabilisierbar. Eben nicht nur ökonomisch, sondern auch den Kern der Politik überhaupt betreffend: nämlich den inneren Zusammenhalt seiner Wohnbevölkerung. Ein Staat, der seine selbst erklärte Staatsraison nicht durchsetzen kann, verliert an Glaubwürdigkeit, an Achtung bei den eigenen Bürgern und erst Recht im Ausland.

Die Konflikte der Welt sind in Deutschland eingewandert

Nicht nur der Nahostkonflikt ist mit Millionen Arabern nach Europa eingewandert, sondern potentiell alle politischen Konflikte und Bürgerkriege der außereuropäischen Herkunftsländer. Zuletzt wurde das besonders deutlich anhand der Straßenschlachten, die sich Zuwanderer aus Eritrea in Deutschland lieferten. Da trafen Anhänger des dortigen Regimes auf deren Gegner. Was übrigens auch belegt, dass ganz offenkundig eben längst nicht alle Eritreer in Deutschland „Schutz“ suchen vor politischer Verfolgung. Das offiziöse Migrationsnarrativ der „Geflüchteten“ oder „Schutzsuchenden“ verschleiert eben einen großen Teil der Einwanderungswirklichkeit.  

Damit sind wir bei den Illusionen vieler Herkunftsdeutscher über Einwanderung und ihre Auswirkungen auf die hiesigen Zustände. „Ausländer, lasst uns mit den Deutschen nicht allein“: Das war in den 1980er und 90er Jahren eine verbreitete Parole unter frühen Anhängern einer möglichst schrankenlosen Einwanderungspolitik. Dahinter stand das als historische Lehre behauptete Vorurteil, dass Deutschland durch Einwanderer moralisch nur besser werden könne. Die gleiche Einstellung formulierte beispielhaft Katrin Göring-Eckardt in ihrem viel zitierten Satz von 2015: „Unser Land wird sich ändern, und zwar drastisch. Und ich freue mich drauf!“   

Welche Einstellungen, etwa über das Verhältnis zwischen den Geschlechtern, welche religiösen Leidenschaften, etwa für den Gott des Koran, und auch welcher Hass auf Juden somit nach Deutschland einwanderte, war und bleibt in weiten Teilen der deutschen Öffentlichkeit bis heute eine Art Tabu. Man kann wohl den meisten, die sich freuen, nicht mit „den Deutschen“ alleingelassen zu werden, weniger eine destruktive Absicht als eher Naivität unterstellen. Allerdings gab es nun wahrlich nicht erst seit den jüngsten antisemitischen Eruptionen genug Anlässe, diese Naivität aufzugeben.

Der öffentliche Hass auf Israel belegt die gescheiterte Integration

Keinem verantwortungsbewussten Deutschen kann es gleichgültig sein, wenn in diesem Land die Wohnungen jüdischer Mitmenschen mit Davidsternen markiert werden. Wer so etwas tut, zeigt entweder eine kaum fassbare Ignoranz gegenüber der Geschichte des Landes, das ihm Aufnahme gewährt, oder verhöhnt die hier lebenden Juden in besonders infamer Weise. In jedem Fall beweisen diejenigen, die nun öffentlich ausgerechnet in Deutschland ihren Hass auf Juden und Israel bekunden, ihre fundamentale Fremdheit, ja Gegnerschaft gegenüber dieser Gesellschaft und diesem Staat. Deutlicher kann das Scheitern von Integration nicht belegt werden.

Natürlich gibt es auch Bildungsbiografien wie die von Bassam Tibi und Ahmad Mansour, die in ihrer Jugend Antisemiten und/oder Islamisten waren und das an deutschen Universitäten im wahrsten Sinne des Wortes verlernten. Aber sie stehen eben wohl leider nicht für die große Mehrheit arabischstämmiger Zuwanderer in Deutschland. Ein solcher Prozess echter Integration, also der Aufgabe der politischen Herkunftsloyalitäten zugunsten der Zugehörigkeit zur Aufnahmegesellschaft, wie ihn etwa die deutschstämmigen Einwanderer in den USA in zwei Weltkriegen gegen ihr Herkunftsland millionenfach bewiesen, ist gerade bei Zuwanderern islamischer Herkunft leider viel zu selten feststellbar. Jetzt wäre jedenfalls die beste Gelegenheit, dies zu beweisen.

Die höchst besorgniserregende Lehre aus den Reaktionen der wachsenden arabischen Diaspora auf den Hamas-Terror gegen Israel lautet: Die Einwanderungsländer Europas und Deutschland insbesondere geraten durch jeden großen Konflikt in den außereuropäischen Herkunftsländern zunehmend in Gefahr, selbst zu einem Schauplatz dieser Kämpfe zu werden. Jede tatsächliche Durchsetzung des grundlegenden Anspruchs unseres Staates, den Staat Israel sicherheitspolitisch unbedingt zu unterstützen und jüdische Menschen in Deutschland unbedingt zu schützen, hat mit wachsendem Widerstand aus der migrantischen Bevölkerung zu rechnen.  

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