Habeck im Energieausschuss des Bundestages - Zur Transparenz verurteilt

Im Energieausschuss hat Robert Habeck versucht, sich zu verteidigen. Doch die Transparenz, die der grüne Wirtschaftsminister jetzt angekündigt hat, musste vor Gericht erstritten werden. So harmlos können die von Cicero veröffentlichten AKW-Akten also nicht sein.

Gab sich im Ausschuss betont gut gelaunt: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck / dpa
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Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

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Zum Feiern war Robert Habeck am Donnerstagabend nicht zumute. Zumindest berichten Beobachter, dass der Bundeswirtschaftsminister das abendliche ZDF-Fest im Zollernhof in Berlin eher griesgrämig und relativ früh verlassen habe. Immerhin musste der Grünen-Politiker auch früh aufstehen. Um 8 Uhr tagte am Freitag der Bundestagsausschuss für Klimaschutz und Energie in einer Sondersitzung – einberufen nach den von Cicero veröffentlichten AKW-Files.  

In der Ausschusssitzung am Morgen allerdings sei er betont gut gelaunt aufgetreten, heißt es von Ausschussmitgliedern. Mit seiner Anwesenheit wollte er offenbar möglichem Unmut im Vorhinein begegnen. In der Vergangenheit hatte man sich im Bundestag auch schon mal über mangelnde Präsenz von Habeck beklagt. Nun also ging der Minister in die Offensive. Die Aufregung sei unnötig, alles ganz normales Regierungshandeln, so der Minister. Er war gut vorbereitet, hatte sich in die Akten eingelesen und seinerseits gleich eine Tischvorlage für die Parlamentarier vorbereitet, die nun seine Argumentation stützen sollte: Alles paletti also?

Habeck kündigte volle Transparenz an. Alle Akten würden den Ausschussmitgliedern nun zur Verfügung gestellt. Doch diese neue Offenheit ist schon ein Teil des Skandals. Bereits Mitte 2022 hatte Cicero nach den offenbar brisanten Unterlagen gefragt. Während das Umweltministerium von Steffi Lemke (Grüne) bereitwillig der Informationspflicht nachkam und Akten übermittelte, mauerte das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Erst auf dem Klageweg konnte Cicero dem Hause Habeck die AKW-Files entlocken. Zur Transparenz wurde das Ministerium also vom Berliner Verwaltungsgericht gezwungen, nicht die eigene Einsicht hat es dazu gebracht.

Die Enthüllungen treffen den grünen Spitzenmann an einer empfindlichen Stelle

Die Argumentationslinie des Bundeswirtschaftsministers, die er im Ausschuss vortrug, hat genauso an dieser Stelle ihre Bruchlinie. Wenn alles halb so schlimm und kein Skandal zu erkennen sei, wieso hielt er dann die Akten so verbissen unter Verschluss? Natürlich treffen die Enthüllungen den grünen Spitzenmann an einer empfindlichen Stelle, nämlich dort, wo nun nachgewiesen ist, dass der Anti-AKW-Ideologie dem sachlichen Argument allzu bereitwillig der Vorzug gegeben wurde.

Es ist nun schwarz auf weiß nachzulesen, wie höhere Beamte des Wirtschaftsministeriums die Sachlage so zurechtbogen, dass sie ins Weltbild passte. Das ist nicht strafbar und wohl kein zu ahnendes Dienstvergehen, aber es zeigt die Arbeitsweise der grünen Ampel und ihren Politikstil. Sie ist keineswegs transparent – und sie ist nicht offen für Lösungen, die nicht in die politische Überzeugung passen. „Was hier sichtbar wird, habe ich noch nie erlebt“, kommentiert Unions-Fraktionsvize Jens Spahn, der selbst Gesundheitsminister und Staatssekretär war, die Vorgänge.

Robert Habeck hat seinerseits im Ausschuss versucht – mit neuen Akten, die Cicero vorliegen – zu belegen, dass er sehr wohl schon früh mit dem Kraftwerksbetreibern über eine Verlängerung der AKWs diskutiert habe, also offen gewesen sei für ein derartiges Vorgehen. „Entscheidend ist, dass ich in den wirklich relevanten Runden, und das sind die Runden mit den Versorgungsbetreibern, also RWE, ENBW und Eon, immer die richtigen Fragen stellen konnte. Und da bin ich sicher, dass die gestellt wurden“, erklärte er den Parlamentariern.

Auch die FDP ist angesichts der Debatte um die AKW-Files in der Bredouille

Doch die Betreiber hätten ihn nicht zur Fortsetzung des Kernenergiebetriebs gedrängt, so Habeck. Dies mag sogar richtig sein. Aber sie haben eben zugleich, ausweislich der Akten, gesagt, dass ein Weiterbetrieb durchaus möglich gewesen wäre. Wie lange, war umstritten. Die Fachleute im Ministerium ergänzten, wie nun nachzulesen ist, dies würde positive Effekte für Versorgungssicherheit, Strompreis und Klimaschutz haben. Diese Fakten waren missliebig und mussten dann von Staatssekretär Patrick Graichen getilgt oder zumindest verwischt werden, so lesen sich die Akten heute.

Besonders auch die FDP ist angesichts der Debatte um die AKW-Files in der Bredouille. Einerseits steht sie inhaltlich der Kernenergie positiver gegenüber, andererseits kann sie nun den Koalitionspartner auch nicht offen attackieren. Umso erstaunlicher ist es, wie sich der klimapolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Olaf in der Beek, nach der Ausschusssitzung äußert. Erst nach Auswertung aller Unterlagen werde man beurteilen können, „ob Parlament und Öffentlichkeit vorsätzlich getäuscht wurden“, so der Liberale. „Solange nicht alle Dokumente ausgewertet sind, ist es zu früh, über Weiteres zu philosophieren.“ Das bedeutet, die Ausschusssitzung hat Habeck eine Atempause gewährt. Beendet ist die Debatte keineswegs.

Auch die Union will weiter aufklären. Die Ausführungen von Habeck seien noch unzureichend gewesen, heißt es aus der Fraktion. Wie und auf welchem Weg nun weiter vorgegangen werde, sei noch nicht festgelegt. Auf jeden Fall gebe es derzeit mehr Fragen als Antworten. Im Raum stehe weiter die begründete Annahme: Habecks Ministerium habe das Gegenteil dessen gemacht, was der Minister öffentlich angekündigt hatte. „Verdrehung von Fakten statt ergebnisoffener Prüfung“, sagte der Sprecher für Klimaschutz und Energie der Unionsfraktion, Andreas Jung (CDU), der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. 

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