Grün-Schwarze Koalition in Baden-Württemberg - Auch Regieren kann Mist sein

CDU-Landeschef Thomas Strobl freut sich, dass die Grünen in Baden-Württemberg mit seiner Partei weiterregieren wollen. Denn sonst wäre es mit seiner Karriere vorbei. Dafür ist die Union bereit, jede grüne Kröte zu schlucken, wie sich in den Koalitionsverhandlungen zeigt.

Wahlverlierer Strobl (li.) und Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann bei einem gemeinsamen Pressestatement / dpa
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Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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„Gemeinsam schlagen wir ein neues Kapitel in der Erfolgsgeschichte unseres Landes auf. Wir wollen vor allem gemeinsam eines: gut regieren.“ Das klingt wie die Präambel eines Koalitionsvertrags zwischen zwei Parteien. Doch diese Mischung aus Begeisterung und Optimismus stammt aus der Feder des baden-württembergischen CDU-Vorsitzenden Thomas Strobl.

Man könnte meinen, die Fortsetzung von Grün-Schwarz mit einer deutlich geschwächten CDU wäre die Traumkonstellation der Union. Mehr Freude übers „Weiter-dabei-sein-dürfen“ geht wohl nicht.

Strobl, zugleich einer der stellvertretenden CDU-Vorsitzenden im Bund, profitiert persönlich davon, dass der grüne Landes-Übervater Winfried Kretschmann lieber mit der vom Wähler gedemütigten CDU weiterregieren will, als sich auf ein Ampel-Abenteuer mit SPD und FDP einzulassen. Da Strobl seinen Wahlkreis verloren hat und ohne Mandat ist, hängt seine politische Existenz daran, weiter Innenminister zu bleiben. Ohne jegliches Amt könnte er nicht mehr Landesvorsitzender bleiben, auch nicht Vize der Bundes-CDU. Die Fortsetzung von Grün-Schwarz ist somit Strobls politische Rettungsweste.

Überwiegend grüne Tinte

Eine ganz andere Frage ist, ob die CDU in ihrem einstigen Stammland sich als Juniorpartner der Grünen regenerieren und zu neuer Stärke zurückfinden kann. Da sind nach den Erfahrungen der vergangenen fünf Jahre Zweifel erlaubt. Denn der Koalitionsvertrag, über den gerade verhandelt wird, dürfte überwiegend mit grüner Tinte geschrieben werden. 

Wenn Strobl schon jetzt auf allen Kanälen verkündet, beim Thema Klimaschutz hätten die Grünen bei der CDU „offene Türen eingerannt,“ lässt sich erahnen, dass die Ökologie im Südweststaat weit vor der Ökonomie rangieren wird – mit Billigung der einstigen Wirtschaftspartei CDU. Die taz, das inoffizielle Verkündigungsorgan der Grünen, frohlockt bereits: „Der bisherige Fahrplan macht jedenfalls Hoffnung, dass die kommenden fünf Jahre wesentlich grüner werden als in der Erstauflage dieser Koalition. Bis zu tausend neue Windräder in Staatswäldern sollen entstehen und Solarpaneele auf den Dächern der Häuslebauer Pflicht werden.“ 

Die Koalition will „gemeinsam gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus“ vorgehen, was sich von selbst versteht. Dass aber der Linksextremismus aus der Sicht von Grün-Schwarz offenbar keine Gefahr darstellt und folglich auch nicht bekämpft werden muss, zeigt, wie weit sich die CDU von ihren eigenen Kernüberzeugungen entfernt hat. Zur CDU-DNA gehört oder gehörte die Überzeugung, dass es keinen guten (linken) und keinen schlechten (rechten) Extremismus gibt und deshalb beide Varianten von allen Demokraten bekämpft werden müssen. Die Grünen mit ihren vielfältigen Kontakten ins linksradikale Milieu sehen das naturgemäß anders – und sagen der CDU, was diese zu meinen hat.

CDU ohne Plan und Fortüne

Die aktuelle Lage der baden-württembergischen CDU hat auch mit den besonderen Umständen zu tun, unter denen die vergangenen drei Landtagswahlen stattfanden: 2011 die Kernkraftkatastrophe von Fukushima (plus der Ärger über „Stuttgart 21“), 2016 die Flüchtlingskrise und 2021 das schlechte Corona-Management der Bundesregierung samt der Maskenaffäre der Bundes-CDU. 

Das alles begünstigte die Grünen enorm und führte zum Absturz der CDU von 44 Prozent im Jahr 2006 auf jetzt 24 Prozent. Der Trend war jedenfalls nicht der Freund der CDU im Ländle. Aber die CDU hat es nicht geschafft, sich seit dem Verlust der Staatskanzlei vor zehn Jahren ein klares Profil zu geben. Auch mit ihrer Personalpolitik hatte sie, zurückhaltend formuliert, kein Glück.

Vielleicht vollzieht sich im „Ländle“ exemplarisch, was der CDU im ganzen Land drohen könnte – der Abstieg von der Volkspartei zur zweiten Kraft. Die CDU ist nach 16 Jahren Angela Merkel inhaltlich entkernt, teils angegrünt, teils sozialdemokratisiert. Und obendrein hat sie in der Corona-Pandemie den Nimbus eingebüßt, das Land pragmatisch und ordentlich zu regieren, ohne die Bürger mit ideologischen Spielereien zu belästigen.

Status als Staatspartei verloren

Apropos Volkpartei: Mit ihren 33 Prozent haben die Grünen diesen Status in Baden-Württemberg erreicht, während es die CDU nur noch auf 24 Prozent bringt. Es spricht Bände, dass die Grünen 58 von 70 Wahlkreisen direkt gewonnen haben. Da wirkt sich aus, dass sie inzwischen in vielen Teilen der Gesellschaft bestens vernetzt sind, während die CDU ihren Status als Staatspartei verloren hat. 

Die CDU tröstet sich damit, dass die Grünen ohne Kretschmann niemals so stark geworden wären, was zweifellos zutrifft. Doch kann die Öko-Partei in den nächsten fünf Jahren – noch mit Kretschmann – ihre Basis in den Städten und Kreisen weiter ausbauen und festigen. Das dürfte ihr umso leichter gelingen, je bereitwilliger die CDU auf ihren Kurs einschwenkt. 

Angeblich ist Opposition Mist, um das SPD-Urgestein Franz Müntefering zu zitieren. Aber für die CDU im Südwesten könnte sich diese Art von gefälligem Mitregieren als noch größerer „Mist“ erweisen.

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