Gendern und andere Sprachregelungen - Berliner Polizisten sollen nicht mehr „Asylbewerber“ sagen

In einem internen Leitfaden gibt die Polizei Berlin ihren Angehörigen Weisungen für den politisch korrekten Sprachgebrauch. In den Fettnapf treten kann bereits, wer als Polizist jemanden mit Herr oder Frau anspricht.

Eine Polizeibeamtin steht auf der Fraktionsebene des Bundestags vor der Reichstagskuppel / dpa
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„Asylbewerber“, „Dunkelhäutiger“ oder sogar „Herr Müller“ und „Frau Lehmann“: Man kann sich künftig schnell um Kopf und Kragen reden bei der Berliner Polizei. Ein 29-seitiger Leitfaden unterrichtet die 25.000 Mitarbeiter darüber, welche Begriffe sie vermeiden und welche sie benutzen sollen – ungeachtet mancher Kollision mit den deutschen Rechtschreibregeln.

Die „Empfehlungen für einen diskriminierungssensiblen Sprachgebrauch“ hat die Zentralstelle für Prävention beim Landeskriminalamt erarbeitet und in diesem Monat ins Intranet der Behörde gestellt. „Wer diskriminierungssensibel sprechen und schreiben möchte, sollte – besonders im Umgang mit vorurteilsbehafteten Themen – eine Sprache wählen, die nicht von der Mehrheitsbevölkerung vorgegeben wird, sondern von den Betroffenen selbst“, heißt es im Vorwort. Und weiter: „Fragen Sie im Zweifel nach, nutzen Sie Selbstbezeichnungen Betroffener, reflektieren Sie Ihren eigenen Sprachgebrauch und weisen Sie andere auf diskriminierende Sprache hin!“

Phänotypus: westasiatisch

„Asylbewerber“ ist zum Beispiel ein Begriff, von dem das LKA klar abrät. Es empfiehlt stattdessen das Wort „Asylsuchende“ beziehungsweise „asylsuchende Menschen“. Bestimmte Personenbeschreibungen, die intern verschickt wurden, stehen jetzt ebenfalls auf dem Index. Zur Identifizierung soll man weiter Merkmale wie Geschlecht, ungefähre Größe und Alter nennen, aber nicht mehr „Südländer“ oder „südländisches Aussehen“ schreiben, weil dies geografisch unspezifisch sei. 
 

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„Der Begriff Südländer ist insbesondere auch durch die Nutzung in verfassungsfeindlichen Medien negativ belegt“, heißt es. Als korrektes Beispiel wird nun genannt: „dunklerer Hauttyp, Phänotypus: westasiatisch, gem. Zeugenaussage Arabisch sprechend, sehr dunkle, leicht gewellte Haare, Dreitagebart, rechter Arm bis zum Handgelenk tätowiert, blaue Jeanshose, weißes T-Shirt“.

Das S in Schwarz wird jetzt großgeschrieben

Als Quellen nennt das Papier neben vielen bereits existierenden Handreichungen anderer Organisationen und Institutionen auch Formulierungshilfen des Vereins „Neue Deutsche Medienmacher*innen“, einer laut eigener Beschreibung Interessenvertretung für „Journalist:innen of Color und Medienschaffende mit Einwanderungsgeschichte“, die vom Bundesfamilienministerium finanziell gefördert wird.

Auch der „Reader für die Strafjustiz“ des Deutschen Instituts für Menschenrechte hat die Berliner Polizei zu Rate gezogen. Demnach sind auch Begriffe wie „Farbige“ oder „dunkelhäutig“ verpönt, wegen ihrer „kolonialistischen und diskriminierenden Bedeutungen“. Das Rundschreiben weist darauf hin, dass in Deutschland viele Menschen mit Rassismuserfahrungen leben. Weil es bei ihrer Selbstbezeichnung nicht um biologische Eigenschaften sondern um gesellschaftspolitische Zugehörigkeiten geht, sollen die Polizisten künftig das S in Schwarz großschreiben. 

„Bei polizeilichen Veröffentlichungen, aber auch in anderen polizeilichen Schriftlagen (…) ist der Begriff Schwarze Person zu verwenden“, schreibt das LKA vor. Für Personenbeschreibungen empfehle es sich, zur Identifizierung „dienliche Merkmale zu nennen , z.B. ca. 1,70–1,75 m groß, schlank, ca. 30–35 Jahre alt, Schwarze männliche Person (…) Auf keinen Fall dunkelhäutig bzw. farbig“. Damit auch klar wird, dass diese beiden Wörter verpönt sind, sind diese in dem Dossier durchgestrichen, wie auch andere Begriffe, etwa „Rasse“ oder „Zigeuner“.

Wie man in den Fettnapf tritt

Auch die Wörter „weiß“ und „Weißsein“ bezeichnen laut Berliner LKA ebenso wie „Schwarzsein“ keine biologische Eigenschaft und keine reelle Hautfarbe, sondern eine politische und soziale Konstruktion. Die diesbezüglichen Informationen bezieht das LKA aus einem Blog, in dem unter anderem beschrieben wird, warum Weiße nicht Opfer von Rassismus sein können.

In dem LKA-Text folgt eine Abhandlung über Begriffe wie „Cisgeschlechtlichkeit“, also Menschen, die sich dem Geschlecht zugehörig fühlen, „das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde“, über Begriffe wie „nicht-(non)binär (Enby)“ oder „genderfluid“. Man erfährt auch einiges über Bisexualität und Pansexualität, die die Zwei-Geschlechter-Ordnung erweitern sollen.

Und so kann in den Fettnapf treten, wer als Polizist jemanden mit Herr oder Frau anspricht. Denn die fehlende oder falsche Ansprache kann eine weitere Form der Diskriminierung darstellen. Der Leitfaden empfiehlt, auf Wunsch „bei diversen Personen“ auf das Pronomen zu verzichten und eine neutrale Ansprache zu wählen, zum Beispiel „Guten Tag, Max Mustermann“.

Sprachregelungen treiben so manche Blüte

Schon seit 2011 muss die Polizei Berlin laut „Gemeinsamer Geschäftsordnung der Berliner Verwaltung“ eine „geschlechtergerechte Sprache“ benutzen. Gleichwohl sah sich die Zentralstelle für Prävention veranlasst, einige Aspekte nachzuschärfen. Sie weist in ihrem Leitfaden darauf hin, dass die „Gemeinsame Geschäftsordnung“ die binären Formen (männlich und weiblich) abbilde.

Für diese Empfehlung hätten die Autoren des Leitfadens jedoch gern „eine alle Geschlechter inkludierende Schreibform mit Genderdoppelpunkt (z.B. Bürger:innen) gewählt“. Jedoch sei diese nicht von der amtlichen Rechtschreibung gedeckt. So steht es im Vorwort. Auf Seite 25 wird dann trotzdem eine „alle Geschlechter inkludierende Schreibweise mit Genderdoppelpunkt (z.B. Bürger:innen) empfohlen“.

Um Frauen und die vielen anderen Geschlechter, die es nach Auffassung mancher gibt, auch wirklich sichtbar zu machen, stellt das LKA in seinen Empfehlungen klar, dass auch gegendert werde, „wenn von Mitarbeitenden gesprochen wird“. Das Partizip Präsenz drückt eine im Moment des Geschehens stattfindende Tätigkeit aus. Somit werden, um generisch maskuline Substantive zu vermeiden, aus Fußgängern zu Fuß Gehende und aus Studenten Studierende, auch wenn diese gerade nicht studieren, sondern in der Kneipe sitzen.

In der Praxis trieb dies in Berlin schon manche Blüte – etwa im Anschluss an unfriedlich verlaufende Demonstrationen: Per Lautsprecher richtete sich die Polizei „an die ehemaligen Versammlungsteilnehmenden“. Die wollten oder konnten die Polizei nicht verstehen.

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