Feministin kritisiert das Selbstbestimmungsgesetz - „Frauenrechte werden massiv bedroht“

Am Freitag entscheidet der Bundestag über das umstrittene Selbstbestimmungsgesetz. Die Frauenrechtsaktivistin Rona Duwe spricht im Interview über die negativen Auswirkungen des Gesetzes und eine geplante Verfassungsklage.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus und Bundesjustizminister Marco Buschmann / dpa
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Autoreninfo

Clemens Traub ist Buchautor und Cicero-Volontär. Zuletzt erschien sein Buch „Future for Fridays?“ im Quadriga-Verlag.

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Rona Duwe ist Frauenrechtsaktivistin und Radikalfeministin. Sie engagiert sich in der Initiative „Lasst Frauen Sprechen!“, die sich für einen konsequenten Schutz von Frauen einsetzt.

Frau Duwe, am heutigen Freitag wird der Deutsche Bundestag über das umstrittene Selbstbestimmungsgesetz entscheiden. Mehrere Fraueninitiativen und -vereine haben für heute eine Kundgebung in Berlin gegen das Gesetz angekündigt. Auch Sie werden daran teilnehmen. Was ist geplant?

Wir werden auf dem Platz der Republik gegen das Selbstbestimmungsgesetz demonstrieren und Reden halten. Es gibt schon zahlreiche Anmeldungen, und wir rechnen damit, dass einige Unterstützer kommen werden. Auch einige Politiker haben sich angekündigt. Organisiert wurde die Protestaktion von der Initiative „Lasst Frauen Sprechen!“, Frauenheldinnen e.V., LAZ reloaded e.V. und „Frauen sprechen!“. Vorbereitet sind wir schon seit Anfang des Jahres, haben aber nun in wenigen Tagen mobilisieren können.

Was sind Ihre Hauptkritikpunkte?

Es wird behauptet, dass das Selbstbestimmungsgesetz nur eine kleine Gruppe betreffen würde und sonst keine Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft hat. Das Gesetz hat allerdings eine Auswirkung auf jeden Bürger. Über das Offenbarungsverbot wird beispielsweise die Meinungsfreiheit eingeschränkt. Künftig wird man einen Mann nicht mehr als Mann ansprechen dürfen, wenn er seinen Eintrag geändert hat und sich als Frau sieht. Es kann bis zu 10.000 Euro kosten, wenn man sich daran nicht hält. Dazu muss er nicht einmal sein Äußeres wechseln und kann sein Geschlecht theoretisch im nächsten Jahr schon wieder wechseln. Das führt zu einer massiven Verunsicherung für jeden Bürger in unserer Gesellschaft.

Auch die Frauenrechte werden durch das Selbstbestimmungsgesetz bedroht. Wenn sich jeder Mann zur Frau erklären kann, ist die rechtliche Kategorie Frau hinfällig. Männer können Quotenpositionen von Frauen einnehmen, Straftäter erhalten erleichterten Zugang ins Frauengefängnis, Männer unterwandern den Frauensport. Auch wird die Sicherheit von Frauen gefährdet. So erhalten Männer Zugang zu Frauenhäusern, Frauentoiletten oder Umkleidekabinen.

Rona Duwe / Cristina Perincioli

Kritiker sehen durch das Selbstbestimmungsgesetz auch Kinderrechte massiv gefährdet. Welche Punkte führen Sie dafür an?

Eltern werden durch das Selbstbestimmungsgesetz ab Geburt des Kindes deren Geschlecht bestimmen können. Ab dem Alter von fünf Jahren soll ein Kind dann schon mitbestimmen können. Der Standesbeamte wird hierbei die einzige Prüfinstanz sein. Doch wie realistisch ist es, dass ein fünfjähriges Kind seinen Eltern widersprechen wird? Ab dem Alter von 14 Jahren dürfen Kinder dann selbst über ihren Geschlechtseintrag entscheiden. Die Eltern müssen zwar zustimmen, doch können sie über ein Familiengericht überstimmt werden. Es besteht dann sogar die Gefahr, dass Eltern ihr Sorgerecht verlieren, wenn sie dies ablehnen.

Gibt es im europäischen Ausland bereits ähnliche Gesetze, die Sie in Ihren Befürchtungen bestärkt haben?

Im europäischen Ausland lassen sich bereits zahlreiche Belege finden, dass das Selbstbestimmungsgesetz gefährlich ist. In Spanien gibt es seit einem Jahr das sogenannte „Ley Trans“. Es wird dort vielfach missbraucht: Im Militär lassen sich Männer zu Frauen erklären, oder Männer verklagen Frauen, wenn sie nicht als Frau angesprochen werden. Aktuelle Studien aus Großbritannien, Schweden, den Niederlanden oder auch aus Deutschland (Jena) belegen, dass die über Jahrzehnte betriebene Praxis der Kindertransition nicht evidenzbasiert ist und schwerwiegende körperschädigende Folgen hat.

Sind Sie während des Gesetzgebungsverfahrens auf Politiker zugegangen, um sie über die möglichen Auswirkungen des Selbstbestimmungsgesetzes zu informieren?

Wir haben viele Briefe geschrieben und das Gespräch mit den Politikern gesucht, um sie bis zuletzt über die Gefahren des Selbstbestimmungsgesetzes zu informieren. Der Verein Frauenheldinnen e.V. hat zuletzt mehrere hochkarätig besetzte Informationsveranstaltungen organisiert. Verständnis für unsere Sorgen haben wir insbesondere von der CDU, aber auch von einzelnen Politikerinnen der FDP erfahren können. Bei Politikern der Bundesregierung merkten wir, dass sie intern anscheinend sehr stark unter Druck gesetzt werden und es vielen schwer fällt, sich offen zu äußern. Wir hörten auch, dass man ganz massiv angegriffen wird, wenn man sich als Politiker der Ampel offen dazu äußert.

Erfuhren Sie in Ihrem Engagement gegen das Gesetz auch Hass und Ablehnung?

Als wir 2022 vor dem Bundesparteitag der Grünen gegen das Selbstbestimmungsgesetz demonstriert haben, wurden wir massiv beschimpft. Die Beleidigung „TERF“ gehörte noch zu den harmloseren Schimpfwörtern. Der Stuttgarter Grüne Maike Pfuderer postete sogar ein Bild mit einer Sense. Die Hass- und Gewaltfantasien gegen uns gehen schon ziemlich weit. In sozialen Medien beteiligte sich wiederholt Politiker der Regierungsparteien an teils sehr persönlichen Beschimpfungen.

Ich selbst bin als erkennbare Frau seit letztem Jahr mit Gerichtsverfahren und Anzeigen durch Transaktivisten konfrontiert, die Ende letzten Jahres in einer erkennungsdienstlichen Vorladung wegen angeblicher Volksverhetzung gipfelten. Begründung war unter anderem, ich hätte einen Translobbyverband mit negativen Kommentaren in Verbindung gebracht. Die Vorladung konnte ich abwenden, aber erst, nachdem wir eine Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht hatten. Eine von Stefanie Bode und mir herausgegebene Elternbroschüre – eine zusammengefasste Übersetzung eines amerikanischen Ratgebers – wurde durch den Kinder- und Jugendmedienschutz als jugendgefährdend indiziert. Der Ratgeber hilft Eltern dabei, ihre Kinder in Körper- und Selbstakzeptanz zu unterstützen und vor der Schädigung durch körperinvasive Maßnahmen der Gendermedizin zu schützen. Sven Lehmann hatte es öffentlich begrüßt, die Broschüre indizieren zu lassen. Gegen die Indizierung gehen wir verwaltungsgerichtlich vor.

 

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Woher kommt der starke Einfluss der Transaktivisten auf die Grünen?

Bereits seit 2004 hat die Translobby Strukturen aufgebaut, um einen Einfluss auf die Politik erwirken zu können. Seit 2014 haben Transaktivisten immer stärker daran gearbeitet, Zugänge zu einflussreichen Politikern, aber auch reichweitenstarken Journalisten zu erhalten. Zuvor haben sie über viele Jahrzehnte mit Gerichtsverfahren sehr hartnäckig ein fortschreitendes Aufweichen des Transsexuellengesetzes erkämpft. Auch arbeiten sie mit Tricks. Ein Beispiel: In Gespräche mit Politikern wurde eine gefälschte Übersetzung der UN-Frauenrechtskonvention CEDAW mitgenommen. Es wird behauptet, dass diese Konvention auch „Frau“ als Geschlechtsidentität schützt. Doch das ist schlichtweg eine Lüge.

Wer sind die treibenden Kräfte in der Bundesregierung hinter dem Selbstbestimmungsgesetz?

Vorrangig Sven Lehmann, der grüne Queer-Beauftragte der Bundesregierung. Daneben die grünen Politiker Nyke Slawik und Tessa Ganserer. Aber Queerpolitiker sind inzwischen in jeder Regierungspartei vertreten. So hat auch die SPD mit der SPDqueer einen aktivistischen Flügel. Bei der FDP ist es LiSL. Vor der Haushaltskrise war Lehmann noch ein Budget von 70 Millionen Euro pro Jahr zugeteilt. Es ist unfassbar, wie viel Geld diese Ampelkoalition in das Nischenthema Queerness gesteckt hat und immer noch steckt.

Grüne Queerpolitiker scheinen einen großen Einfluss auf das Selbstbestimmungsgesetz zu haben. Doch welche Rolle spielt die FDP dabei?

Die FDP hat schon vor 2021 einen eigenen Gesetzentwurf für ein Selbstbestimmungsgesetz vorgelegt, der noch liberaler war als der grüne Entwurf. So war geplant, dass man jederzeit seinen Geschlechtseintrag ändern könne. Bereits 2021 wurde ein gemeinsames Gesetzesvorhaben dann zur Abstimmung in den Bundestag gebracht, unter der Großen Koalition aber abgelehnt. Die FDP hat sich auch über die Magnus-Hirschfeld-Stiftung Einflussmöglichkeiten verschafft. Diese NGO wird durch den zuvor in Ungnade gefallenen FDP-Politiker Helmut Metzner geleitet. Marco Buschmann hat ihn in diese Position gebracht. Die Magnus-Hirschfeld-Stiftung nimmt queerpolitisch großen Einfluss.

So versuchen sie aktuell, das Gesetz zum Schutz vor Konversionsbehandlungen zu verschärfen. Dieses Gesetz wurde 2020 unter Jens Spahn durchgesetzt. Da Transaktivisten hier einen Schutz der „Geschlechtsidentität“ eingeschleust haben, machen sich Ärzte und Therapeuten potenziell strafbar, wenn sie die behauptete Transidentität eines Kindes in Frage stellen. Dies wollen Queerpolitiker und Transverbände nun auf Eltern ausweiten. In Großbritannien spricht man inzwischen davon, dass eine solche Gesetzgebung in Wahrheit Homosexuelle einer Konversionsbehandlung zuführt und dass das Transgendern von Kindern eine moderne Form der Konversionstherapie ist.

Sehen Sie noch eine Chance, dass das Gesetz die erforderliche Mehrheit in der Abstimmung verfehlt?

Ich hoffe es, aber ich rechne nicht damit. Der Druck innerhalb der Fraktionen ist einfach zu groß, und viele glauben immer noch, es sei ein belangloses Minderheitengesetz.

Warum werden Sie trotzdem auf die Straße gehen?

Für uns ist der Kampf für Frauenrechte und Kinderschutz lange nicht vorbei. Es gibt aktuell viele frauenfeindliche Gesetzesvorhaben, und durch die Self-ID-Gesetzgebung ist ein internationales Erstarken der Frauenbewegung zu beobachten. In Deutschland gründen sich derzeit viele neue Initiativen und Vereine. Wir werden weiter Präsenz zeigen, unseren Einsatz ausbauen und nicht kapitulieren. Da das Selbstbestimmungsgesetz nachweislich in mehreren Punkten verfassungswidrig ist, wie ein Rechtsgutachten ergab, erwägen wir zum einen in Kooperation mit Anwälten eine Verfassungsklage und regen bei Politikern eine Normenkontrollklage gegen das Gesetz an. 

Das Gespräch führte Clemens Traub.

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