Transgender-Streit bei Terre des Femmes - „Einknicken vor einer Translobby“

In Deutschlands größter Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes befürwortet eine knappe Mehrheit einen Richtungswechsel hin zu einer identitätspolitischen Geschlechtsdefinition. Seitdem sollen nach Angaben der Initiative #saveTDF rund 200 Mitglieder ihren Austritt erklärt haben. Eike Weißenfels ist eine von ihnen.

Eine Frauenrechtsorganisation unterwirft sich dem woken Zeitgeist: Terre des Femmes / dpa
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Autoreninfo

Christine Zinner studierte Sozialwissenschaften und Literaturwissenschaft und ist freie Journalistin.

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Eike Weißenfels war vor ihrem Ruhestand Richterin am Landesarbeitsgericht Nürnberg. 

Frau Weißenfels, warum sind Sie Terre des Femmes beigetreten? 

Vor etwa 20 Jahren habe ich in den Medien einen Beitrag gesehen, in dem es um die Genitalverstümmelung von Frauen ging. Da habe ich von Terre des Femmes erfahren. Ich fand es toll, was die machen, und bin eingetreten. In Nürnberg hatten wir eine Städtegruppe. Aber zu den Gruppenabenden kamen immer weniger Frauen. Als die Sprecherin und viele andere vergangenes Jahr aus Terre des Femmes ausgetreten sind, war das ihr endgültiges Aus. Ihr Gehen war eine Reaktion auf den Rückzug des Positionspapiers zu Transgender, Selbstbestimmung und Geschlecht durch den Vorstand. 

Was war der Hintergrund? 

Das Positionspapier war auf der Mitfrauenversammlung 2020 beschlossen worden. Vergangenes Jahr wurde auf der Versammlung nochmal mehrheitlich dafür gestimmt, es beizubehalten. Aber drei oder vier Wochen später kam eine E-Mail von Terre-des-Femmes-Geschäftsführerin Christa Stolle, die sie wohl an alle Mitglieder geschickt hat. Darin erklärte sie, dass das Papier von der Vereinswebseite genommen werde und sie und zwei weitere Vorstandsfrauen sich davon distanzieren. Dabei war das Papier demokratisch beschlossen. 

Was steht denn in dem Positionspapier? 

Eike Weißenfels / Fotostudio Schönberger, München

Aus meiner Sicht nichts Verletzendes. Es wird aufgeführt, dass Transmenschen auch eine vulnerable Gruppe sind, aber dass Terre des Femmes sich eben für biologische Frauen einsetzt. Doch Mitarbeiterinnen der Geschäftsstelle sind wohl wegen des Papiers angefeindet worden, es sollen deswegen auch Gelder ausgeblieben sein. Darum haben sie es von der Webseite genommen. Eine der Vorstandsfrauen hat noch in einer Stellungnahme aufgeführt, durch welche Aussagen des Papiers sich jemand verletzt fühlen könnte. Aber an solchen Bedenken kann ich mich doch nicht orientieren. In dem Papier wurde darauf bestanden, dass „Frausein“ biologisch zu verstehen ist und durch die gesellschaftliche Entwicklung Interessen von Frauen und Mädchen beeinträchtigt sein können. Wenn auf jede Beschwerde von irgendjemandem immer Rücksicht genommen würde, wären Frauen noch ohne Wahlrecht. 

Sie sind aber im Gegensatz zu anderen Frauen aus Ihrer Städtegruppe damals nicht ausgetreten. 

Ich hatte mich eigentlich dazu entschlossen. Aber dann bekam ich eine Nachricht, dass sich über die Rücknahme empörte Frauen in einem Zoom-Meeting treffen wollen, an dem ich dann teilgenommen habe. #saveTDF gründete sich an diesem Tag, und deswegen bin ich dabeigeblieben. Über 300 Frauen sind heute Teil der Initiative. 

#saveTDF hat als Reaktion auf die Rücknahme des Papiers versucht, eine außerordentliche Mitfrauenversammlung zu erwirken. 

Nach dem Gesetz reicht es, wenn zehn Prozent der Mitglieder eine beantragen, die Vereinssatzung ist aber vor ein paar Jahren geändert worden. Jetzt müssen es 20 Prozent sein. Die kann man nur schaffen, wenn man mit den Frauen Kontakt aufnehmen kann. Dafür brauchten wir die Kontaktdaten. Die sind Inge Bell, die zu der Zeit selbst Teil von #saveTDF und des Vorstandes war, verweigert worden. Deswegen musste sie die Herausgabe der Mitgliederlisten gerichtlich einklagen. Die Geschäftsstelle hat die Listen dann nicht als Datensatz rausgerückt, sondern ausgedruckt in einer ganz kleinen Schreibgröße, auch unvollständig. Die Gegenseite hat versucht, was sie nur konnte, um die außerordentliche Mitfrauenversammlung zu verhindern, was ihr auch geglückt ist. Anfang Juni war nun die ordentliche Versammlung. 

 

 

Wegen der Sie nun doch austreten. In einem Begründungsschreiben an die Terre-des-Femmes-Geschäftsführung werfen Sie ihr vor, die Mitfrauenversammlung sei ein erbärmliches Schauspiel gewesen. 

Die Versammlung fand dieses Jahr rein digital statt. Man hatte keine Möglichkeit, sich zu äußern, außer wenn man freigeschaltet wurde. Und das wurde man nur, wenn man einen Antrag zur Geschäftsordnung gestellt oder selbst einen Antrag vorgestellt hat oder mit einem Redebeitrag zu einem bestimmten Thema durchdringen konnte. Der Chat war geschlossen. Ein paar Frauen haben deswegen Schilder gemalt mit Aufschriften wie „Stimmt nicht“ oder andere Meinungsäußerungen und haben sie in die Kamera gehalten. Das ist auch unterbunden worden mit der Androhung: Wer das macht, wird einmal ermahnt und dann ausgeschlossen. Bild weg, Ton weg. Es wurde straff durchgezogen. 

Warum fand die Versammlung digital statt? 

Früher war jede Mitfrauenversammlung eine Präsenzveranstaltung. Wegen Corona wurde dann in die Satzung aufgenommen, dass sie auch digital sein kann. Vergangenes Jahr war sie hybrid. Dieses Jahr nur digital. Aus Kostengründen, so hieß es. Terre des Femmes hat aber wirklich viel Geld. Nicht nur Spenden, es zahlen auch alle Mitfrauen einen Mitgliedsbeitrag. Da kann man ja wohl eine anständige Mitgliederversammlung erwarten. 

In dieser Versammlung haben die Mitfrauen nun beschlossen, das Positionspapier zurückzunehmen. 

Ja. Es gab zwei Anträge dazu, einmal, dass es zurückgenommen wird, und den Gegenantrag, es wieder auf die Webseite zu stellen. Aber nachdem die Mehrheit das Papier zurückgenommen hat, war klar, dass der zweite Antrag sich erledigt hatte. Also sie wollen sich überhaupt nicht mit dem Thema Transgender und Selbstbestimmung beschäftigen. Auch nicht mit den Auswirkungen des geplanten Selbstbestimmungsgesetzes auf Frauen. 

 

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Wie definiert Terre des Femmes denn nun eine Frau? 

In der Satzung ist nur von „Frauen“ die Rede. Denn als der Verein gegründet wurde, war das überhaupt kein Thema, es war ganz klar, dass biologische Frauen gemeint waren. Inzwischen gibt es aber Aussagen von Geschäftsführerin Christa Stolle, in denen sie Transfrauen und Frauen gleichsetzt. Ich halte das für hanebüchen, grundfalsch und für die Gesellschaft sogar gefährlich. Vor allem dann, wenn jeder nur durch Zuruf sein Geschlecht ändern kann, wie es jetzt geplant ist. 

Sie meinen wieder das vorgesehene Selbstbestimmungsgesetz. 

Für mich ist das bereits handwerklich eine Katastrophe. Durch den Gesetzgeber würden damit Probleme in die Welt gesetzt, mit denen sie die Bürger dann alleine lassen. Justizminister Marco Buschmann hat ja gesagt, Saunabetreiber beispielsweise könnten dann bestimmen, wer ihre Räumlichkeiten nutzen darf. Aber wir haben ein Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz. Nach diesem ist es auch ein Zeichen der Diskriminierung, wenn jemand wegen seiner sexuellen Identität schlechter behandelt wird. Das heißt, der Saunabetreiber würde riskieren, genau dagegen zu verstoßen, wenn er eine Person aus der Frauensauna ausschließt, die zwar als Frau eingetragen ist, seiner Ansicht nach aber zu männlich wirkt. Der Gesetzgeber stellt also ein Problem in den Raum, bietet aber keine Lösung an. 

Trotz all dieser Bedenken: Es war nun mal die Mehrheit der Mitfrauen, die beschloss, das Positionspapier zurückzuziehen. 

Das ist richtig. Aber dass es zurückgenommen worden ist, ist für mich auch ein Grund zu sagen: Das ist nicht mein Verein. Ganz abgesehen vom Ablauf dieser Versammlung. Ich empfinde das als Einknicken vor einer Translobby. Es gibt nach der Satzung die Möglichkeit, dass jede Frau, die teilnimmt, sich bis zu drei Stimmen übertragen lassen kann. Davon hat zwar auch #saveTDF Gebrauch gemacht, aber die Geschäftsstelle hatte die organisatorische Möglichkeit, das noch effektiver zu nutzen. Zwei Frauen haben auch erzählt, dass sie vor der Versammlung von der Geschäftsstelle angerufen worden sind und gefragt wurden, ob sie deren Mitarbeiterinnen ihre Stimmen übertragen. 

Nach dieser Versammlung wollen viele von #saveTDF den Verein verlassen. Haben Sie schon darüber beraten, eine neue Frauenrechtsorganisation nach ihren Vorstellungen zu gründen? 

Wir müssten dazu mal ein Brainstorming machen. Irgendwie wird es wohl weitergehen, aber im Moment weiß keiner, wie. 

Das Gespräch führte Christine Zinner.

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